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ZUR EINFÜHRUNG Alfred Schnitt ke, einer der bedeu tendsten sowjetischen Komponisten der Ge genwart, wurde 1934 in Engels (RSFSR) als Sohn deutscher Eltern geboren, mit denen er als Zwölfjähriger für zwei Jahre nach Wien kam. Dort begann seine musikalische Ausbil dung, die 1949—53 an der Moskauer Musik fachschule in den Fächern Dirigieren und Chordirigieren fortgesetzt wurde. Das von 1953-58 folgende Kompositionsstudium am Moskauer Konservatorium führte nach drei jähriger Aspirantur zu einer Anstellung als Lehrer für Instrumentation und Komposition am selben Bildungsinstitut. Seit 1972 lebt Schnittke freischaffend in Moskau. Zu seinen wichtigsten Arbeiten zählen vier Violinkonzerte, drei Sinfonien, das Oratorium „Nagasaki“ von 1958, das Orchesterstück „pianissimo", zwei Concerti grossi, ein Requiem zu Schillers „Don Carlos" und die szenische Komposition „Der gelbe Klang" nach Wassili Kandinsky. Darüber hinaus entstanden zahlreiche Kammermusik werke, elektronische Kompositionen sowie Film- und Theatermusiken. Eine „Faust"-Kantate nach Texten alter deutscher Volkslegenden ge hört zu den neuesten Arbeiten und gibt die Vorlage zu einer geplanten „Faust"-Oper ab. Das Streben nach einem Stil, in dem grund sätzlich alles vorkommen kann unter der Vor aussetzung, etwas Einheitliches zu schaffen, be stimmt die letzten Kompositionen Schnittkes. Er vereinnahmt alle Stilrichtungen der Musik geschichte, wobei jedoch der jeweilige Stil- Gestus durch Kontrastwirkungen verfremdet er scheint und das gesamte Werk ein eigenes Ge sicht erhält. In dem in der vergangenen Spiel zeit vom Leipziger Gewandhausorchester un ter Kurt Masur zur DDR-Erstaufführung ge brachten, glänzend instrumentierten Orchester stück „ (K) ein Sommernachtstraum" reflektiert der Komponist Eindrücke jener in Wien verbrachten Kindheitsjahre. Ein schein bar harmlos tändelndes Thema im (parodisti schen) Mozart-Schubert-Ton erlebt ungewöhn liche, überraschende und souverän gestaltete Verwandlungen. über den geistigen Hintergrund der Komposi tion für großes Orchester äußerte sich Alfred Schnittke folgendermaßen: „Zwischen 1946 und 1948 lebte ich in Wien — das war entscheidend für mein Leben, denn dort habe ich mit zwölf Jahren mein Musik studium begonnen (Klavierstunden bei Frau Charlotte Ruber). In Wien bekam ich wichtige Eindrücke — sowohl musikalische (9. Sinfonie von Beethoven unter J. Krips, die .Achte' von Bruckner unter O. Klemperer, .Entführung aus dem Serail' unter H. Knappertsbusch etc.) als auch allgemeine (zu denen auch die mich im mer ins Schaudern versetzende Szene der To deserscheinung in Jedermann', die ich in drei Inszenierungen der Salzburger Festspiele, 1946, 1947, 1948, gesehen habe . . . leider nur den traditionellen Ausschnitt in der jeweiligen Wo chenschau, denn in Salzburg war ich damals noch nicht). Als musikalischer Grundton blieb in mir ein gewisser Mozart-Schubert-Sound in Erinnerung, den ich jahrzehntelang mittrug und der sich dann nach ca. 30 Jahren bei meinem nächsten Österreich-Aufenthalt bestätigt^^- genauso wie auch das allgegenwärtige G^B pe, das 1946—1948 soeben erst seine große Ernte davongetragen hatte und das sowohl da mals als auch jetzt nicht nur in der Wochen schau, sondern auch sonst leicht zu sehen war (in den Katakomben des Stephansdoms, in den Gängen des Ursulinenklosters — jetzt Hoch schule für Musik und darstellende Kunst, etc. etc.). Mit Salzburg kam ich auch in Verbindung — 1977 spielte Gidon Kremer bei den Festspielen Beethovens Violinkonzert mit meinen Kaden zen, die einen heftigen Presseskandal provo zierten, im selben Jahr wirkte ich als Cemba list bei der Aufführung meines 1. Concerto grosso im Mozarteum (auch mit G. Kremer) mit. 1978 entfachte ich sofort dort noch einen Ablehnungssturm der Zeitungen wegen ,kul- turschände risch er' Bearbeitung der .Stillen Nacht' (wieder einmal mit Kremer an der Vio line). 1983 kam der für jeden Komponisten be ehrende Auftrag der Festspiele für ein Or chesterstück, das ich wegen Krankheit nicht rechtzeitig (für die Festspiele 1984) fertigbrin gen konnte." „(K)ein Sommernachtstraum" wurde währ^jd der Salzburger Festspiele 1985 in einem zert des ORF-Symphonieorchesters unter crer Leitung von Leopold Hager mit großem Er folg uraufgeführt. Das Werk bildete den Auf takt zu Aribert Reimanns „Lear-Fragmenten" und „Prosperos Beschwörungen" von Egon Wellesz. Alfred Schnittke wies seinerzeit in sei nem Kommentar auch auf Zusammenhänge des von ihm gewählten Titels mit der Werk konstellation jenes Konzertes hin: „Das Stück soll in einem Konzert mit Shakespeare-Verto nungen gespielt werden, hat aber keine di rekte Beziehung zu Shakespeare — doch nicht nur deswegen heißt es ,(K)ein Sommernachts- Der jun ge sowjetische Geiger ILJA KALER zog die Auf merksamkeit der Musikweit auf sich, als er 1981 1. Preis träger des Internationalen Paganini-Wettbewerbes in Genua wurde. Diesen Erfolg verdankte er nicht zuletzt der sorgfältigen Ausbildung anfangs durch den Vater Leonid Kaier, einem Geiger des Großen Sinfonieor- ehestens des Sowjetischen Rundfunks und Fernse ens. und später durch Sinaida Gilels an der Zentra 1 ® r a( _ sikschule des Moskauer Konservatoriums und lern durch Prof. Leonid Kogan am Moskauer Konser vatorium. Als 10jähriger musizierte er bereits als So list mit der Philharmonie Kuibyschew. Im Alter von 12 Jahren gab er seinen ersten Violinabend, und 20jährig begann seine Solistenlaufbahn mit Konzerten in Moskau und den Musikzentren der Sowjetunion. Außerdem verpflichteten ihn bald Rundfunk und Schall-; t platte zu Aufnahmen.