Volltext Seite (XML)
382 gen 17,791300 Pfd. St. im Borjahre. Der Bestand der Armee mit Ausnahme der in Judien stehenden englischen Truppen zählt 135625 Manri gegen 135452 Mann im Borjahre. * Kewcastle, 20. Febr. Unter den Werftarbei tern auf der Tyne ist heute ein allgemeiner Strike auSgebrochen; mehrere tausend Arbeiter weigern sich, ihre Beschäftigung wieder aufzunehmcn. * Kopenhagen, 21. Febr. Die Eisverhältnisse im Sunde sind unverändert; die heute fällige Post aus dem AuSlande ist noch nicht eingetroffcn. Bukarest, 20. Febr. Die von der Agence russe gebrachte Nachricht, daß die russisch-rumänischen Differenzen beigelcgt seien, bezieht sich nur auf die Pestquarantäne und nicht auf die Arabtabia- Affaire. Letztere ist bis zur Stunde noch nicht ent schieden. Die Botschafterconferenz hat wenig Aus sichten; vorläufig bemühen sich die Mächte, die hie sige Regierung zur Räumung von Arabtabia zu be wegen, ohne daß die Redoute von den Rusten wieder besetzt würde. Die rumänische Regierung hat noch einen Beschluß gefaßt und keinen Befehl zur Räu mung von Arabtabia gegeben. (Wiener «Presse».) Bukarest, 20. Febr. Das Fort Arabtabia ward am heutigen Tage von den rumänischen Truppen geräumt. (N. Fr. Pr.) *tv»en, 21. Febr. abends. Meldung der Politi schen Correspondenz aus Konstantinopel von heute: „Gegen die Bulgaren in Tschirpan, welche den Finanzinspector der internationalen Commission mit Gewaltthätigkeitcn bedrohten, wurde vom General Sto lypin energisch eingeschritten, derselbe hat den bulga rischen Bezirksvorstand abgesetzt, der Einwohnerschaft russische Einquartierung zugctheilt und die vier Rädels führer verhaften lassen. — Die Pforte hat die von der verfaffungmäßigen Vertretung der Insel Samos ausgesprochene Absetzung des Fürsten Photiades - Bei anerkannt und AdossideS-Pascha zum Fürsten von Samos ernannt." *Kcuxork, 20. Febr. Hier vorliegende Meldun gen aus Kingston berichten über ein Treffen, welches zwischen den Insurgenten und den Truppen der Re gierung von Haiti am 9. Febr. stattgefunden hat. Die RcgierungStruppen verloren 25 Todte und 89 Verwundete, die Verluste der Aufständischen waren be trächtlicher. Man erwartet, daß es, sobald die Trup pen Verstärkungen erhalten haben würden, zu einem entscheidend, '' Kampfe kommen werde. Keuzork, 21. Febr. Die aus Kingston hier ein- gegängelte Nachricht, daß zwischen den Insurgenten und den regulären Truppen der Republik Haiti ein Treffen stattgefunden habe, wird von dem hiesigen Ge sandten der Republik in Abrede gestellt. Das Disciplinargesey und der Reichstag. — Leipzig, 22. Febr. Das sogenannte Disciplinar- gesetz ist nunmehr an den Reichstag gelangt. Es hat, wie schon mitgetheilt, im BundeSrathe wesentliche Milde rungen erfahren. Bon der Ausschließung eines Mit gliedes für immer sammt dem Verluste der Wählbar keit, von einer Ueberlieferung des Schuldigen an den ordentlichen Strafrichter ist nicht mehr die Rede. Ueber die Nothwendigkeit oder Räthlichkeit der stehen geblie benen Bestimmungen kann man streiten; daß jedoch eine, Verschärfung der DiSciplin im Reichstage durch aller hand bedauerliche Vorgänge nahe gelegt ist, möchte sich kaum in Abrede stellen lassen. Der Hauptvorwurf, welcher der Vorlage im voraus gemacht wurde, bezog sich auf einen formellen RechtS- punkt, darauf, daß dieselbe eingreift in die innere Haus ordnung, in die Selbstbestimmung des Reichstages. Die Vertheidiger der Vorlage erwidern: diese Selbst bestimmung reiche nicht aus, sobald eS sich um Aen- derungen der Reichsverfassung handle. Eine solche war allerdings nothwendig, solange man an eine strafrichierliche Verfolgung parlamentarischer Redner oder an eine Entziehung der Wählbarkeit dachte. Nach Be seitigung dieser beiden Punkte käme nur noch in Be tracht, ob, entgegen dem Art. 22 der Reichsverfassung, die Veröffentlichung der RcichStagSverhandlungen unter Umständen beschränkt werden solle, ferner die Frage der wenn auch nur temporären Ausschließung, da diese immerhin entweder ein zeitweiliges Nichtvertretensein eines Wahlkreises oder aber eme Neuwahl in sich schließen, dieses beides aber, da es Rechte der Wähler berührte, vcrfaffungsmäßige Bestimmungen erheischen würde. Wie dem aber auch sei — wenn der Reichstag sein Recht der Selbstbestimmung wahren, wenn er etwaige als nöthig erkannte Verschärfungen seiner innern DiSciplin im Wege der autonomen Geschäftsordnung sich selbst geben, nicht im Wege des Gesetzes sich von den Regierungen geben lassen will, so scheint es uns die höchste Zeit, daß er von dieser seiner Initiative Gebrauch mache. Eine bloße Ablehnung des Negie- rungSentwurfes — etwa unter Berufung auf die Selbständigkeit des Reichstages — ohne gleichzeitige Vorlage eines an dessen Stelle zu setzenden Gesetz antrages auS der Mitte des Reichstages, würde uns höchst gefährlich scheinen, beinahe so gefährlich wie die Ablehnung des ersten Socialistcngesetzes im Mai vorigen ZahreS, ohne an dessen Stelle etwas anderes, Positives vorzuschlagen. Wenn wirklich Fürst Bismarck, wie manche argwöhnen, mit dem Gedanken einer nochmaligen Auflösung umgehen sollte, so möchte leicht eine nackte Zurückweisung jener Vorlage — nach deren Milderung durch den Bundesrath! — ihm keinen ganz schlechten Anlaß dazu geben. Die national-liberale Partei scheint uns ganz be sonders dabei interessirt, daß die Dinge nicht zum zweiten male diesen Verlauf nehmen; von den Ver tretern dieser Partei im Reichstage steht daher zu er warten, daß sie aus der blos negativen, ablehnenden Haltung, welche sie bisher (soweir.sich darüber nach, der Sprache ihrer Organe am Orte des Reichstages selbst urtheilen läßt), beobachtet haben, nun recht bald herauStreten und die Initiative in dieser Angelegenheit ergreifen werden, sei eS, daß sie einen Gegenentwurf zu der Vorlage der Regierung, sei es, daß sie einen selbständigen parlamentarischen Antrag vorbereiten. Die Scheidung dessen (iu dem einen wie in dem andern Falle), was der bloßen innern Geschäftsordnung deS Reichstages angehört, also von diesem allein beschlossen werden kann, aber dann auch ungesäumt beschlossen werden sollte, von dem, wozu, wenn man es beschließen will, die Mitwirkung deS zweiten Gesetzgebungsfactors, des BundeSrathes, erforderlich ist, kann unmöglich so schwer fallen, daß davon eine Verzögerung des Vor gehens auf diesem Wege zu befürchten stände. Bom Deutsche« Reichstage. ' G Berlin, 21. Febr. Am Tische des BundeSrathes Reichskanzler Fürst v. BiSmarck, Präsident deS Reichs- kanzleramteS StaatSminister Hofmann, StaatSsecretär v. Bülow, großherzqglich hessischer BundeSbcvollmäch- tigter 0r. Ncidthardt, herzoglich braunschweigischer Wirkt. Geheimrath vr. v. Liebe, hanseatischer Minister resident vr. Krüger rc. Präsident 0r. v. Forckenbeck eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 30 Min. mit geschäftlichen Mittheilungen. Die Budgetcoinmission sowie die Commissionen für die Geschäftsordnung, Wahlprüfungen, Petitionen und Rechnungswesen sind gewählt und haben sich constituirt, desgleichen die besondere Commission für den Entwurf einer Anwalts-Gebührenordnung. DaS HauS setzt die gestern unterbrochene erste Berathung des Handelsvertrages zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn fort. Reichskanzler Fürst v. Bismarck: Ich habe den Verhandlungen gestern leider wegen Be hinderung durch anderweitige Geschäfte nicht beiwohnen können und nehme deshalb heute Gelegenheit, aus einige Bemerkungen aus der gestrigen DiScnssion zu antworten, soweit sie mir inzwischen zugänglich geworden sind, Zuerst bemerke ich einiges in Bezug auf die Ausstellung, die der Hr. Abg. Delbrück an dem vorliegenden Vertrage gemacht hat, daß er nicht aus drei di« sechs Monate länger geschlossen worden sei. Ich würde diese längere Dauer meinerseits sehr gern in den Vertrag hincingebracht haben, wenn wir ihn allein zu dictiren gehabt hätten. Aber ich glaube nicht, daß wir ohne wesentlichen Zeitverlust mit Oesterreich zu einer weitern Einigung gekommen wären; eS hat schon Mühe genug gemacht, in der kurzen Zeit — weil Oester reich von uns erwartete, wir wären so gedrängt durch das Bedürfniß des Vertrages, daß wir uns fügen würden, und deshalb bis auf den letzten Moment abwartend sich ver hielt — diesen Abschluß zu erreichen. Die Ermächtigung von den gesetzgebenden Gewalten zu erbitten, unter Um ständen, wenn Oesterreich geneigt wäre, auf eine Verlän gerung einzugehen, das liegt m meiner Absicht vor dem Schluffe des Reichstages. Allerdings möchte ich auch, be vor ich in neue Verhandlungen mit Oesterreich eintrete, wissen, wie die gesetzgebende» Gewalten sich zu den Reform vorlagen in Bezug auf Zolltarife stellen werden, die augen blicklich für den Bundesrath vorbereitet werden. Ich glaube, wir haben Zeit genug, diese Frage der Verlängerung des Vertrages — immer, falls Oesterreich will, woran ich wenig Glauben habe — uns zu überlegen. Ich will dem System der Handelsverträge ja im ganzen nicht entgegentreten, nur ein Handelsvertrag an und für sich ist es nicht, was ich erstrebe; es kommt aus den Inhalt an. Die anscheinend glänzenden Resultate, wie sie die gegenseitigen Ein- und Ausfuhrtabellen ergeben, täuschen bei der geographischen Lage Deutschlands sehr, weil wir keine Ursprungsatteste haben. In Deutschland ist der ganze Transit des westlichen uÄd < nordwestlichen .Europa»!,nach. Oesterreich. tM-.osMs griffen; in unserer Ausfuhr nach Frankreich ist der ganze Transit der russischen und österreichischen Jmportation mit einbegriffen. Ich glaube, eine genauere Untersuchung würde ergeben, daß bei den Ziffern, welche Hr. Richter für unsern Export nach Frankreich, Belgien, Holland rc. anführt, der Transit von Rußland und Oesterreich, durch dessen Gestattung wir unsern eigenen Export lahm gelegt haben, eine sehr wesentliche Rolle spielt. In Bezug auf die weitern Ausführungen des Abg. Richter rechne ich auf die Zustimmung des Hause«, wenn ich von der Tonart, in der er von mir spricht, gänzlich absehe. Ich glaube mcht, daß es zu meinen amtlichen Pflichten gehört, mit dem Abg. Richter in einen Austausch persönlich verletzender Redewendungen einzutreten. Außer dem hat mich eine siebzehnjährige ministerielle Praxis daran gewöhnt, daß sich ein Minister in Deutschland manches ge fallen zu lassen hat, was in andern Ländern nicht Sitte und Gewohnheit ist. (Murren links; Zustimmung rechts.) Auf diese Seite der Sache würde ich gar nicht geantwortet Musikalisches auS Leipzig. ** Leipzig, 21. Febr. Die Hauptperson deS ge strigen 18. GewandhausconcertS war Hr. Camille Saint-SaenS. Derselbe trat auch diesmal wieder in seiner Doppeleigenschaft, als Pianist und als Com- ponist, vor das hiesige Publikum. Wie man zu sagen pflegt, hat jedes Ding zwei Seiten und also auch die Künstlernatur deS Hrn. Saint-Saens, wir meinen die technische und die geistige Seite desselben. Gegen die technische Meisterschaft des hochgeschätzten Gastes sowol als Pianisten wie als Componisten wird wol kaum jemand ein berechtigtes Bedenken erheben können, denn wie diesem Künstler die Finger auf dem Klavier un bedingt gehorchen, so leicht fügen sich auch seine Ge danken zu ebenso glattstilisirten wie geschickt instrumen- tirten größern Tonsätzen. Anders stellt sich die Sache dar, wenn wir den Künstler vom geistigen und speciell vom deutschen Kunststandpunkte aus beurtheilen. Zunächst den Vortrag deS O-äur-ConcertS und der Variationen Op. 34 in k- ckur für Pianosorte von Beethoven ins Auge fassend wollte eS uns Vorkommen (jedoch kann dies an einer vielleicht nicht ganz freien Stimmung unsererseits gelegen haben), als wenn wir Hrn. Saint-Saens schon geistig vollendeter hätten spielen hören. ES fehlte unö in seinem gestrigen Vor träge die feine Ausarbeitung der Nuancen, die wir sonst stets an dem Künstler bewunderten; er griff un- sers Erachten« Einzelnes etwas zu orgelmäßig com pact an. (Hr. Saiut-Sains ist nämlich einer der vorzüglichsten Orgelvirtuosen Frankreichs und Organist an der Kirche Sainte-Madeleine zu Paris.) Von dem echten Franzosen aber zu verlangen, daß er Beethoven, den tiefsinnigsten deutschen Tonmeister, Zug für Zug nachzuempfinden iui Stande sei, scheint uns eine un billige Forderung. Sonach nehmen wir denn das Ge botene als ein technisch Vollendetes, das seinen Gipfel punkt in dem Zugabestücke (eine Studie von Saint- Saenö?) erreichte, mit Dank entgegen. Gegen die Symphonie von Saint-SacnS müssen wir uns leider ablehnend verhalten. Wir haben schon gesagt, daß dem CompositionStechniker als solchem nichts anzuhaben sei; unsere Ablehnung kann sich dem nach hauptsächlich nur auf den Inhalt der Symphonie beziehen. Der moderne französische Componist ver bindet, wie vielfache Beispiele lehren, mit dem Begriff „Symphonie" in inhaltlicher Beziehung eben eine ganz andere Vorstellung wie der deutsche Componist; viel leicht weil er eben nicht den liefern schöpferischen Fonds in sich fühlt, es den deutschen Tonsetzern auf dem idealsten aller musikalischen Schaffensgebiete nur ent fernt glcichthun zu können. Er resignirt daher lieber gleich von vornherein auf einen liefern GemüthSgehalt und läßt sich an einer geistreich prickelnden Reflexions musik genügen. Daß die Symphonieproduction nicht eigentlich Sache der französischen Composition ist, dar über belehren unS die verschiedensten Versuche, unter andern der eines Gounod, dessen einzige unS bekannt gewordene Symphonie gleich in ihrem ersten Satze nur ein schwaches Plagiat, eine verunglückte Copie der Beethoven'schen „Kroioa"-Symphonie genannt werden kann; ja sogar einer der größten Meister der Ouver türe, Cherubini, hat ebenfalls auf dem Gebiete der Symphonie nicht mit Glück gearbeitet, denn eine vor vielen Jahren hier angestellte Probe mit einer Cheru binischen Symphonie ergab, daß die Aufführung der letzter» nicht zu empfehlen sei. Die musikalisch gehaltvollsten Sätze der Saint- Saöns'schen Symphonie sind der erste und der letzte Satz, das erste Allegro hat aber einen mehr suiten- mäßigen Charakter; der zweite Satz erhebt sich nicht über das gewöhnliche zierliche französische Chanson: auch der dritte Satz, daS Scherzo (sonst immer de stärkste Seite der Franzosen) ist mit seinem tanzarti gen Trio ziemlich fade; der reizvollste Satz ist das Finale mit seinem muntern, sehr an die Finalanfänge der Haydn'schen Symphonien erinnernde» Hauptthema in den ersten Violinen. Eins jedoch ist dem Fran zosen eigen: selbst mit den geringsten Gedankenmitteln immer noch in einer gewissen Spannung zu erhalten und das etwa erschlaffende Interesse stets rechtzeitig wieder anzureizen, wie dies z. B. in dem letzten Satze der in Rede stehenden Symphonie durch den Eintritt des langsamen Drei-AchteltakteS (der Reminiscenz an den zweiten Satz) und der wirklich schönen harmoni schen Wendungen bei dem kurz darauffolgenden Tutti der Streich- und Blasinstrumente geschah. Ein Er- IlärungSgrund dafür, daß kein Satz ohne Applaus vorüberging. Die Symphonie wurde unter der klaren und sichern Direktion des Componisten trefflich ge spielt. Ebenfalls ein neuer Beweis dafür, daß die universellere deutsche Künstlernatur sich ohne große Schwierigkeit in daS Fremdländische, Ausländer, und namentlich Franzosen, dagegen sich nicht so leicht io den Geist unserer klassischen Tonwerke hineinzuleben im Stande sind. Da, wie bereits gesagt, Hr. Saint--