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2198 in den Einnahmen — hauptsächlich denen der StaatS» «isenbahnen — und die dadurch bedingte Nothwendig- keit einer stärkcrn Anspannung der Steuerkraft des Landes, zugleich jedoch die Zuversicht auf die baldige Wiederkehr günstigerer wirthschaftlicher und Finanz zustände ausgesprochen wird. Zn Elsaß-Lothringcn fanden die Wahlen zu dem bekanntlich jetzt mit erweiterten Vollmachten versehe- «en LandeSauSschussc statt Gewählt wurden 14 Auto- nomisten, 5 Protestler, 4 Abgeordnete von unbestimm ter Parteistellung. Das bedeutende Uebergewicht der Autonomisten ist als ein günstiges Anzeichen dafür anzusehen, daß die dortige Bevölkerung sich in das Verhältniß ihrer Zubehörigkcit zum Deutschen Reiche immer mehr hineinlcdt. Die Bevollmächtigten Deutschlands und Oesterreich- Ungarns in Sachen der handelspolitischen Einigung beider sind am 17. Nov. in Berlin zusammcngetreten. Es handelt sich zunächst um eine vorläufige Verständigung über die Grundlagen, auf denen ein Zoll- und Han delsvertrag zwischen den beiden großen Wirthschafts- gebieten möglich und aussichtsvoll scheint. Erst wenn solche Grundlagen gefunden sind — wir wünschen, daß sie gefunden werden mögen! — sollen die eigentlichen Bertragsverhandlungen begin nen. Die Frage wegen Bewilligung eines festen Heeres bestandes auf eine Reihe von Jahren hinaus beschäf tigt augenblicklich in ähnlicher Weise die parlamenta rischen Kreise Oesterreichs und Ungarns, wie vor fünf Jahren den Deutschen Reichstag. Sie scheint auch dort zu dem gleichen Ausgange führen zu sollen wie hier, nämlich zur Bewilligung. Wenn Oesterreich- Ungarn durch die enge Fühlung mit dem Deutschen Reiche in seiner Stellung nach außen gesicherter und kräftiger dasteht als vor derselben, so ist eS anderer seits für Oesterreich-Ungarn nicht blos ein Ehrenpunkt, sondern auch eine Sache der Klugheit, dem neuen Ver bündeten gegenüber nicht etwa in dem Lichte zu er scheinen, als wolle es auf ihn die Hauptlast der ge meinsamen Jnterefsenvcrtheidigung abwälzen und auf besten Kosten für sich Ersparnisse machen. Die Ministerkrisis in Italien (über deren Ursachen wir uns in der vorigen Nummer anssprachen) scheint vorläufig zu einem Abschluß gediehen zu sein. Der Telegraph meldet die Zusammensetzung des neuen Cabinets. Wir wollen dazu nur bemerken, daß Dc- pretis nicht, wie es anfangs hieß, das Departement des Aeußern, sondern das des Innern übernimmt. Jenes wird in der Hand des Ministerpräsidenten Cairoli verbleiben. Die belgischen Bischöfe sind in ihrem fanatischen Widerstande gegen den Staatsunterricht weiter gegan gen, als man in Nom selbst (wo man wohl weiß, daß allzu scharf leicht schartig macht) gern zu sehen scheint. Es ist aber freilich für den Papst äußerst schwer, selbst einem übertriebenen und in der Form verfehlten Eifer der Kirchenfürsten, wenn besten letzter Zweck ein solcher ist, den die Curie nicht verwerfen kann (die Allmacht der Kirche) direct entgegenzutreten. Nichts destoweniger scheint die belgische Negierung noch immer zu hoffen, daß der Papst die Bischöfe ihres Landes zur Mäßigung ermahnen werde. Ein neuer Zwischenfall in den Beziehungen der belgischen Regierung, der heute telegraphisch gemeldet wird (die angebliche Drohung der letztern mit Ab berufung ihres Gesandten in Rom) ist einigermaßen räthselhaft und bedarf jedenfalls zuvörderst der Auf klärung. Einige» Licht, freilich ein der Curie sehr wenig günstige-, würde eS auf diesen Zwischenfall werfen, wenn sich bestätigte, was ein Telegramm deS ultra- montanen UniverS aus das keckste verkündigt. Hiernach hätte, laut einem Briefe, den Bischof Monnier von Rom aus an den in Lille versammelten Cougreß der Katholiken gerichtet, der Papst „alles" gebilligt, waS sei tens der Bischöfe sowol in Belgien als in Frankreich geschehen ist. Dies würde mit der Erklärung des päpst lichen StaatssecretärS Nina, wonach der Papst das Vorgehen der belgischen Bischöfe wenigstens seiner Form wegen beklagt hätte, in directem Widerspruche stehen. § Aussehen erregte nicht in Frankreich allein, sondern auch außerhalb desselben ein Artikel der Nouvelle Revue, der einen heftigen Ausfall gegen daö Ministe rium Waddington enthielt. Dem Ministerpräsidenten ward in seiner Eigenschaft als Minister des Auswär tigen der Vorwurf gemacht, er habe sich von Bismarck hinterS Licht führen lassen, habe die Machtstellung und Würde Frankreichs beim Berliner Congreß und später nicht so, wie er hätte thun müssen, gewahrt. Der Artikel hatte einen ziemlich chauvinistischen Charakter. Doppelt bedeutsam erschien er darum, weil man jenem Blatte eine gewiße Intimität mit Gambetta beimißt. Neuerdings hat nun das eigentliche Leiborgan Gam- betta's, die Nspublique fran;aise, jenem Artikel der Nou velle Revue eine sehr entschiedene Rüge ertheilt. Ob hierauf die inzwischen kühler gewordenen Beziehungen zu Rußland von Einfluß gewesen, oder ob Gambetta überhaupt den Zeitpunkt zu einem Sturze Wadding ton's und Grevy'S noch nicht gekommen glaubt, ist schwer zu sagen. Zur Zeit bemüht sich der Exdictator, recht geflissentlich zu zeigen, daß er mit beiden und insbesondere mit dem Präsidenten der Republik gut stehe. Allein wer mag ihm trauen? Mit großer Bestimmtheit und von mehrern Seiten her wird heute der schon lange erwartete Rücktritt des Fürsten Gortscbakow's als unmittelbar bevorstehend angekündigt. Ueber seinen Nachfolger gehen die Be richte auseinander; die einen nennen Giers, die andern Walujew. An letzterm rühmt man seine Hinneigung zu Deutschland. Von Schuwalaw scheint nicht die Rede zu sein. Ein weiteres Gerücht, das wir aber zur Zeit eben nur für ein solches halten möchten, spricht von der gleichzeitig bevorstehenden Errichtung einer Verfassung für Rußland. Allerdings hieß es schon früher, daß der Thronfolger eine solche für nun nicht länger aufschiebbar, für nothwendig erachte. Der Kaiser selbst hegte schon vor fast 20 Jahren ähnliche Gedanken, von denen ihn damals nur der polnische Aufstand und verwandte Vorgänge in Rußland selbst ablenkten. Das kriegerische Geraffel, welches vor kurzem von England ausging, ist rasch wieder verstummt. Der schon gegebene Befehl zur Abfahrt der englischen Flo- tille von Malta in die türkischen Gewässer ward widerrufen. England, heißt es, habe erlangt, was es gewollt, denn die Pforte, erschreckt durch jene Drohung, habe klein bcigegeben und alle verlangten Reformen nicht bloS für Asien, sondern auch für Europa — versprochen. Ob aber nicht England sich mit diesem abermaligen bloßen „Versprechen" -ufrieden gegeben hat, weil es sah, wie nicht blos Rußland, sondern auch andere Mächte, Frankreich, Oesterreich, sich über sein Vorgehen beunruhigt zeigten und willen» schienen, ihre Positionen im Orient nöthigenfallS auch in activer Weise wahrzunehmen? Wozu noch kommt, daß die Verlegenheiten Englands in Afghanistan keineswegs ganz beseitigt, die in Transvaal sogar neuerdings gewachsen sind. In Irland haben Verhaftungen wegen angeblich verbrecherischer Reden stattgefunde». Durch diese Lahm legung der Führer der Bewegung hoffte das Ministe rium wol dieser selbst, die zunächst in einem für den 25. Nov. angcsetzten großen Meeting sich verkörpern wollte, einigermaßen den Nerv zu durchschneiden. Diese Hoffnung ist nicht in Erfüllung gegangen; im Gegen theil fand sofort ein Meeting wegen jener Verhaf tungen statt, das indcß ruhig verlief. In Cuba ist ein neuer Aufstand ausgebrochen. Die spanische Negierung hat zu dessen Unterdrückung schleunigst alle erforderlichen Maßregeln getroffen. Sie erfreut sich dabei der entschiedenen Unterstützung aller Parteien in den CorteS. Reichsgerichtserkcnutnisse. k.6.0. Leipzig, 22. Nov. Es sind wieder mehrere Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen zu verzeichnen. Beleidigung des Reichskanzlers Fürsten v. Bismarck. (8tz. 185—200 des Strafgesetzbuches.) Der Angeklagte E. E. Bödege zu Papenburg hatte am 8. März 1879 öffentlich in einer Wirthschaft eine vom Reichskanzler kurz zuvor im Reichstage gehaltene Rede als schlecht und nichtssagend bezeichnet und schließlich gesagt, eine solche Rede könne jeder Schornsteinfeger halten, oder in noch verächtlicherer Weise unsers Reichskanzlers ge dacht. Der erste Richter hatte den Angeklagten wegen öffentlicher Beleidigung gestraft. Die Bcrufungskammer > deS Obergerichts zu Osnabrück dagegen hatte am ! 21. Aug. 1879 den Angeklagten freigesprochen, indem sie ausführte: „Die fragliche Aeußerung stelle sich der als eine unpassende, unehrerbietige Kritik der orato- rischen Leistungen des Reichskanzlers, sie sei aber erst dann als eine Beleidigung strafbar, wenn damit wirk lich die Ehre des Betroffenen angegriffen werde. Dies geschehe indeß nicht durch die Gleichstellung dieser Leistungen mit den oratorischen Leistungen eines Schorn steinfegers, denn durch eine derartige Vergleichung mit dem Träger eines überall als ehrbar gemachten Ge werbes könne niemandes Ehre angegriffen oder verletzt werden.".,. ....... ...... Gegen dieses Erkenntniß hatte die Kronanwalt schaft die Nichtigkeitsbeschwerde eingewendet, welche am 1. Nov. 1879 vom Dritten Strafsenat des Reichs gerichts als begründet erkannt wurde: „Gegen diesen letztern Theil der Ausführung richtet sich, und mit Recht, der Angriff der Nichtigkeitsbeschwerde. Denn, indem der zweite Richter den Satz, daß durch eine Gleichstellung der kobengedachten Art überhaupt nie mand beleidigt werden könne, als einen von den that- sächlichen Verhältnissen des einzelnen Falles losgelösten, allgemein geltenden und überall wirkenden absoluten Satz deS Strafrechts hingestellt, begeht er einen Rechts irrthum in Bezug auf die Anwendung des Strafge setzes, speciell der Vorschriften in 8- 185 des Straf gesetzbuchs." Die Sache wurde an die zweite Instanz zurückverwiesen. von der Stelle, da ihnen das Feuer den Weg nach unten und oben verlegte und die in die Etage führende verschlossene Thür von ihnen nicht zu öffnen war. In einem ziemlich wenig zerstörten Zimmer derselben Etage wurden die Leichen zweier erwachsener weiblicher Per sonen gefunden. Diese beiden Frauen oder Mädchen starben den Erstickungstod. Eine elfte Leiche ist auf dem Boden aufgefuuden worden. Wie angenommen wird, sind die innerhalb des Hauses ums Leben ge- kommenen Personen bereits todt gewesen, als die Feuerwehr auf der Brandstätte erschien. Die Leichen und Ueberreste derselben wurden von den Löschmann schaften auf die Straße gebracht, um durch Vermitte lung der Polizei in Särgen nach dem Curhause über führt zu werden. Augner, der sich glücklich rettete, ist im Laufe des Abends behufs Feststellung deS That- LestandeS verhaftet und vernommen worden." Musikalisches aus Leipzig. ** Leipzig, 21. Nov. Da» heutige Concert deS Riedel'schen Gesangvereins hatte die Thomaskirche bi» auf den letzten Platz gefüllt und gewährte wie fast alle Aufführungen dieses Vereins einen edel« Genuß, sowol durch den Gehalt der Werke wie auch durch die vortreffliche Reproduktion derselben. Gläubige und ungläubige Seelen mußten sich an der herrlichen Can- late Bach'S: „Gotte» Zeit ist die beste Zeit", womit das Concert begann, erbauen, aber auch zugleich de» TodeS gedenken, an welchen hierin so eindringlich ge mahnt wird. Von wahrhaft hoher Wirkung ist die contrapunktische Verwebung de» AltchorS „Mit Fried' und Freud' fahr' ich dahin" mit der Baßarie „In deine Hände befehle ich meinen Geist" zu einem wunder schönen Ensemble, zu einem Zwiegespräch über Tod und Ewigkeit, das auch vortrefflich gesungen wurde. Als zweites Werk stand Albert Becker's „Messe" auf dem Programm, welche Professor Riedel uns im Mai zur fünfundzwanzigjährigen Jubiläumsfeier seines Vereins zum ersten mal vorführte. Unser damals in diesen Spalten ausgesprochenes Urtheil können wir auch nach der heutigen Aufführung nur bestätigen. Das Werk fesselt durch ansprechende Melodik, inter essante Harmonik, meist auch durch effectvolle Instru mentation. Nur die charakteristische Wiedergabe der Textworte in Tönen ist dem Autor nicht immer voll kommen gelungen; wie z. B. im „L^rie, Obrists eleison", beim „Lsucksmus le" und andern Stellen. Andererseits bietet das Werk auch mehrere charakte ristische Züge von mächtiger Wirkung; hauptsächlich im „Oloria Ovi katris". Auch daS „Lt vspecto re- surrootionem worluorum" ist vortrefflich in Tönen ausgesprochen. Die hier angebrachten Tamtamschläge sind zwar etwas äußerlicher Natur, erhöhen aber die Wirkung bedeutend, um so mehr, da die Stimmung in dem Stücke sehr schön getroffen ist. DaS „Snnotus" und „4gau8 Doi" sind unser» Erachtens die schwächsten Sätze. Die Ausführung gelang sehr gut. Namentlich zeichnete sich der Frauenchor durch schöne Tongebung und Präcision der Einsätze au». Auch die Orchester begleitung war vortrefflich. Das ganze Sänger- und Orchcsterpersonal hatte sich noch mehr hineingelebt und den Tongehalt nachempfunden wie bei der ersten Auf führung ; man spielte und sang nicht nur correct, son dern auch con sniws. Von den Solisten führten Frl. Breidcnstein und Keller ihre Partien sehr gut aus. Hr. Pielke schien aber etwas indiSponirt zu sein, was schon in Bach'S Cantate bemerkbar wurde. Hr. Wiegand sang zuweilen mit zu breiter Tongebung, wußte aber mehrere Stellen zu trefflicher Geltung zu bringen. Im ganzen betrachtet dürfen wir die Auf führung mit zu den besten des Vereins zählen. "Leipzig, 23. Nov. Die Mitwirkung des Hrn. Anton Rubinstein in der gestrigen dritten Kammer musik Abendunterhaltung, Sonnabend, hatte ein außer gewöhnlich zahlreiche« Publikum herbeigezogen, sodaß sich eine große Anzahl von Zuhörern genöthigt sah, Plätze im kleinen Saale und auf dem Orchester zu suchen. Sämmtliche vorgcführte Ensemblewerke waren von Rubinstein, bei deren Zusammenstellung jede Mono tonie dadurch glücklich vermieden ward, daß jedes der selben für verschiedene Instrumente geschrieben war und somit ein verschiedenes Klangcolorit hatte. Den Anfang machte das Streichquartett in O-moll, trefflich vorgetragen von den Herren Concertmcister Schradicck, Bolland (Violine), Thümer (Viola) und Schröder (Violoncello). Da« Quartett ist der OpuSzahl nach ältern Ursprungs und hält sich noch ziemlich streng an die klassischen Muster unserer großen Quartett- meister. Der Componist weiß jeder Stimme Leben einzuhauchen und seine Gedanken in fesselnder Weise zu entwickeln. Von besonders schöner Wirkung war der dritte Satz (molto lvnlo), dessen Klänge wie ein zartes TranmeSwcben vorübcrzogen.