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tung, die den Geist eines ganzen Jahr zehnts widerspiegelt, schuf Gershwin ein musikalisches Paradoxon, nämlich eine Zeitmusik, die immer zeitgemäß sein wird“. Aber es gab auch berühmte Fehlurteile, wie „ekelhafte Effekt hascherei, so geistlos, zusammenge stoppelt, mager, vulgär, langatmig und leer...“ Trotz allem Erfolg blieb George Gersh win ein natürlicher, aufgeschlossener Mensch, eng mit seiner Familie verbun den, außerordentlich kreativ-er war ein talentierter Maler und begeisterter Kunstsammler. Stets stand er mit Rat und Tat jungen Musikern, Komponisten, Interpreten zur Seite. In seiner Rast losigkeit suchte er stets nach Neuem. So entstand 1922 das Musical „Strike Up The Band“ - ein satirisches Stück mit politischer Aussage, das allerdings erst 1930 vom Publikum angenommen wurde. Ohne Umschweife wurde darin die Profitgier als Kriegsursache ge- brandmarkt. Den Gipfel erreichte Gershwin mi™Of Thee I Sing“-einem Musical gegen die amerikanische Innenpolitik, gegen die abgekartete Kampagne einer Präsident schaftswahl. Es hatte Weihnachten 1931 Premiere und erhielt als erstes Werk dieses Genres den Pulitzer-Preis. Der Gedanke, eine große Oper zu schreiben wurde in ihm immer stärker. Zunächst geriet er durch andere Arbei ten in den Hintergrund. Gershwin kom ponierte nicht nur, jetzt auch Film musiken für Hollywood, sondern er ver suchte sich auch erfolgreich als Dirigent. Di^fubanische Ouvertüre Während eines Urlaubs auf Kuba im Frühjahr 1932 sind für Gershwin Musik und Tänze der Inselbewohner ein so faszinierendes Erlebnis, daß sie ihn zur „Rumba“, später „Cuban Overture“ genannt, inspirieren. Wie die Rhapso dien, so hat auch die „Kubanische Ouvertüre“ einen dreiteiligen Aufbau. Im Hauptteil dominiert der Rhythmus, gemischt aus Rumba- und Habanera- Elementen und wird von einem Melo dienteppich, der viel kubanisches Kolorit hat, überlegt. Als 1933 Heyerward, der Autor des Romans „Porgy“ gedrängt wird, diesen Stoff für ein Musical freizugeben, lehnt Heyerward, der schon seit sieben Jah- rejamit Gershwin in Verbindung steht, di^rkategorisch ab: „Ich will, daß aus meinem Porgy eine Volksoper und keine Musical-Comedy wird!“ Gershwin hält sich wiederholt in Charleston, dem Ur sprung der Porgy-Story auf, um das Leben der Schwarzen zu studieren. 20 Monate beschäftigt ihn seine Oper, elf davon die eigentliche Komposition. Gershwin ist in seine Oper vernarrt, liebt jeden Takt, jede Note. In Anwand lung naiver Freude sagt er: „Ich halte die Musik für so wunderbar, daß ich wirklich nicht glaube, daß ich sie schrieb.“ Am 30. September 1935 findet die Ur aufführung im Bostoner Colonial-Thea- ter statt, das am Ende der Vorstellung einem Hexenkessel gleicht. In New York allerdings wird die Oper vorerst zwie spältig aufgenommen - begeistert vom Publikum, negativ von der Kritik. Gersh win hat es nicht mehr erlebt, wie sich sein Werk die Herzen der Musikfreunde in aller Welt eroberte. Einzelne Songs wurden ebenso populär und beliebt wie Volkslieder. Jeder kannte sie, man sang sie auf den Straßen. Nach intensiver Arbeit an Filmmusiken für Hollywood sagt Gershwin völlig deprimiert: „Ich bin 38, berühmt und reich, aber zutiefst un glücklich.“ Er fühlte physische und seelische Erschöpfung. Am 11. Juli 1937 stirbt er an einem Ge hirntumor.