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Der Bursche ist ein Genie... George Gershwin wurde am 26. Sep tember 1898 als Sohn russischer Ein wanderer in New York geboren. Als kleiner Junge hörte er aus einem Klub haus in Harlem.dem New Yorker Neger viertel, die aufpeitschenden, vitalen Rhythmen einer Jazzband. Dieses Er lebnis wurde zum Grundstein einer le benslangen Begeisterung für die Rags, Blues und Spirituals der Schwarzen. Der Klavierlehrer des 12jährigen Geor ges, Charles Hambitzer, schrieb in ei nem Brief: „Ich habe einen neuen Schüler, der mit unerbittlicher Willens kraft sein Ziel in der Musik erreichen will. Der Bursche ist ein Genie, ohne Zweifel; er ist ganz verrückt nach Mu sik .... Er möchte sich gern mit diesem modernen Zeug befassen, Jazz und allem möglichen anderen. Aber für eine Weile laß ich ihn noch nicht daran. Ich will zuerst sehen, daß er ein solides Fun dament durch die klassische Musik be kommt.“ Hambitzer lehrte den jungen George nicht nur die Musik zu spielen, sondern sie auch zu verstehen. Er be sucht regelmäßig gute Konzerte und beginnt selbst zu komponieren, aller dings fühlt er sich zum Ärger seines Lehrers von der amerikanischen Popu lär Musik angezogen und will auch in diesem Stil schreiben. Er überzeugt seine Eltern, daß der Besuch der Han delsschule für ihn auf dem Weg als Komponist ein Hindernis ist und beginnt mit knapp 16 Jahren als, ,Song Flügger“ in der „Tin Pan Alley“ - einer Straße, in der sich die ersten Musikverlage ange siedelt hatten. Hier wird Musik vom Fließband produziert. Der Plugger hatte die Aufgabe, verlagseigene Lieder po pulär zu machen, sie also singend und spielend an Sänger, Agenten, Kapellen und Theatermanager zu verkaufen. Für die individuelle Ausformung eigener kompositorischer Einfälle ließ die ge schäftliche Unrast keine Zeit. a Er begeistert sich an der MusilWon Irving Berlin (Alexanders Ragtime Band), Jerome Kern (Musical „Show Boat“) und erwirbt sich unermüdlich ein gründliches musiktheoretisches Funda ment. 1916 wird sein erstes Lied verlegt. Und nun glaubt er um so fester an seine Sendung als Komponist auf dem Gebiet der Populär Musik. Ruhm als Broadway-Komponist Max Dreyfus, mit seinem Spürsinn für Talent, setzt ihm, nachdem er seine Ar beit als Plugger gekündigt hat, ein Sti pendium aus und läßt ihn nach Herzens lust komponieren - mehr oder weniger erfolgreiche Musicals und Lieder. Eines davon-„Swanee“-wurde mit 1 Mjjkxi verkaufter Notenblätter und 2 Milli^^n Schallplatten ein Riesenerfolg. George Gershwin war 21, stand fest auf eigenen Füßen und zweifelte nicht dar an, daß er sein Ziel erreichen würde: künstlerisch wertvolle Musik zu schrei ben, die sowohl von den weißen als auch von den schwarzen Amerikanern als „ihre“ Musik verstanden würde. Rassenvorurteile existierten für ihn nicht. Als er 25 Jahre alt wurde, hatte sich sein Ruhm als Broadway-Kompo nist bis nach Europa verbreitet. Angeregt durch Paul Whiteman, der mit seiner Sweet Music, die sich als Jazz ausgab, große Erfolge feierte, wollte Gershwin eine Musik schreiben, die man sofort als typisch amerikanisch er kennen sollte. Am 12. Februar 1924 wuttte die „Rhapsody in Blue“ urauf- gewnt: es gab unvorstellbare Ovatio nen, das Publikum raste. Die Kritiker überhäuften das Werk mit Superlativen. Gershwin war es gelungen, einen volks tümlichen, vom Jazz beeinflußten Stil mit konventionellen Formen der Kunst musik zu verschmelzen. Danach ging es Schlag auf Schlag. Es folgte das Musical ,, Lady Be Good“ - das erste für das sein Bruder Ira sämtliche Liedtexte schrieb. Hauptakteure: die Geschwister Fred und Adele Astaire; Gershwin-Klassiker: das Lied „The Man I Love“ Concerto in F für Klavier und Orchester Zwischen der Arbeit an neuen Musicals begann er im Juli 1925 mit der Kompo- sitioa „Concerto in F für Piano und Oiwestra“. Gershwin stellte dem Kla vier ein normal großes Sinfonieorchester gegenüber. Neben einem vollen Streich orchester setzte er eine Reihe Schlag instrumente ein, besetzte die Holz bläser doppelt und verzichtete interes santerweise auf Saxophone. Mit diesem Konzert zog er erstmalig in die Carnegie Hall ein, den bedeutendsten Konzert saal New Yorks. Walter Damrosch diri gierte die New-Yorker Symphoniker. Auch dieses Konzert, das die traditio nellen Formen durchbrach, unkonven tionell war und durch viele Einfälle ver blüffte, wurde durch seine unbeküm merte Vitalität, durch den virtuosen Kla viersatz, seinen unwiderstehlichen Rhythmus ein phänomenaler Erfolg. Bis zu seiner Europareise im Jahre 1928 komponierte er Lieder und Musicals für den Broadway, u. a. sein berühmtes „S’WonderfuI“. Ein Amerikaner in Paris In Paris ließ er sich feiern, traf berühmte Zeitgenossen, wie Maurice Ravel, Ser gej Prokofjew, Igor Strawinsky. Das Wichtigste aber: Die Seinestadt beflü gelte seine Phantasie zu einem seiner schönsten Werke: „Ein Amerikaner in Paris“. „Es ist meine Absicht, die Ein drücke eines amerikanischen Reisen den wiederzugeben, der durch Paris schlendert, der auf den Straßenlärm hört und die französische Atmosphäre in sich aufnimmt“, sagte er in einem Interview. Kunstvoll werden die Geräusche der Stadt motivisch verarbeitet, man spürt, wie Paris mit nonchalanter Hurtigkeit er obert wird. Klangseliger, schwärmeri scher Blues wird durch die Ausgelassen heit des Charleston abgelöst. „Ein Amerikaner in Paris“ wurde am 13. Dezember 1928 in New York uraufge führt, wie nicht anders zu erwarten, wie der mit überwältigendem Erfolg. Ein Kritiker schrieb: „Mit dieser Tondich-