Volltext Seite (XML)
Paul Hindemith, einer der großen Re präsentanten der zeitgenössischen bürgerli chen deutschen Musik, ist in seiner musikge schichtlichen Leistung heute längst nicht mehr umstritten. Sein Schaffen gehört zu den be deutenden, bereits klassisch gewordenen Zeugnissen der Musik unseres Jahrhunderts. In seiner Sturm- und Drangzeit, in den Jahren 1921 bis 1926, durch seine mutwilligen kom positorisch-stilistischen Experimente zu einem musikalischen „Bürgerschreck" geworden, machte Hindemith seit 1931 eine künstlerische Entwicklung durch, die ihn schließlich zu einer abgeklärten, seriösen, wenn auch nicht wider spruchsfreien Position führte bei weitgehen der Rückkehr zu den (allerdings stark erwei terten) tonalen Traditionen der Musik. Den Krisen der bürgerlichen Musik der zwanziger Jahre suchte er mit seinen „Spielmusiken" zu begegnen, mit denen er nach einer neuen Verbindung zum volkstümlichen Musizieren strebte. Aus kritischer, wenn auch nicht kon sequenter Sicht der bürgerlichen Welt erwuchs seine zeitweilige Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht („Das Lehrstück", „Lindberghflug"). In dem er in seiner neoklassizistischen Periode der „neuen Sachlichkeit" auf die polyphonen und konzertanten Traditionen der deutschen Musik zurückgriff, opponierte er gegen die Klanghypertrophien der Wagner-Epigonen. Seit den 30er Jahren verband er seine hand werklich-konstruktiv ausgerichtete, betont po lyphone Schreibweise immer mehr mit einem breit ausladenden, harmonisch bestimmten, ja sich zur Hymnik steigernden Stil. Das um fangreiche kompositorische Schaffen Hinde miths umfaßt nahezu alle Gattungen der Mu sik. Der Künstler wurde 1895 in Hanau geboren, studierte am Hochschen Konservatorium in Frankfurt am Main Komposition bei Arnold Mendelssohn und Bernhard Sekles sowie Vio line bei Adolf Rebner. Von 1915 bis 1923 war er als Konzertmeister am Frankfurter Opern haus tätig. In den zwanziger Jahren gehörte er dem berühmten Amar-Quartett als Brat schist an und unternahm auch als Bratschen solist ausgedehnte Konzertreisen. Mit Joseph Haas organisierte er die Donaueschinger Kammermusikfeste. 1927 wurde er Professor für Komposition an der Berliner Musikhoch schule, bis ihn die faschistischen Machthaber 1934 zur Emigration zwangen. Hindemith leb te zunächst in der Schweiz und in der Türkei, sodann in den USA, deren Staatsbürger er 1946 wurde, und seit 1953 vorwiegend wieder in der Schweiz. Auch als Dirigent — vor allem eigener Werke — erwarb er internationalen Ruf. 1963 verstarb er in Frankfurt am Main. Hindemith hat Kammermusik für verschieden ste, auch sehr eigentümliche Besetzungen ge schaffen, deutlich bevorzugt aber sind die Streicher. Das tiefste Instrument dieser Grup pe erhält eine dankbare Aufgabe in der 1949 komponierten Sonate für Kontra und Klavier. Jeder ihrer drei Sätze ruht auf eigenständigen, prägnant erfundenen Themen, die zwischen den beiden Instrumen ten in kunstvoller, kontrapunktischer Weise verwoben werden. Streng durchgeführt, mo torisch-drängend erscheint das knappe Alle- gretto; energisch-synkopisch das Klavier im Scherzo. Der Kontrabaß setzt eine ruhigere Linie dagegen. Einem schlichten Zwiegesang gleicht das Molto Adagio des letzten Satzes, der im Rezitativo dramatische Akzente erhält. Das „Lied" wird vom Klavier gesungen, wäh rend der Kontrabaß rhythmisch punktiert be gleitet. Eine kurze Klavierkadenz übergibt den Gesang dann auch dem Streichinstrument. Spritzig, staccato-frech der Ausklang. VORANKÜNDIGUNG: Sonnabend, den 13. Juni 1987, 19.30 Uhr (Anrecht D) Blockhaus (Haus der DSF) 8. KAMMERKONZERT Ausführende: Irmhild Karp, Alt Volker Karp, Violine und Oboe Christoph Hertrampf, Violine Holger Naumann, Viola Friedhelm Rentzsch, Violoncello Eckhard Pätzold, Cembalo Werke von Gabrieli, Bach, Telemann, Loiellet, Cal- dara, Aldrovandini, Händel und Farina Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Dipl.-Phil. Sabine Grosse Chefdirigent: Jörg-Peter Weigle — Spielzeit 1986/87 Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 0,2 JtG 009-29-87 EVP -,25 M