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Nr. LS«, teipzig. Srjchtini außer Sonntag« täglich. Preis dierteljährlich r Thlr., jede einzelne Nummer 2 Ngr. Deutsche Allgemeine Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!- Freitag, 23. December 1870. Inserate find an hansenstem kd vogser in Leipzig oder an der«» übrig« Häuser zu senden. Z-sertlonsgebühr sür die Spalten,eile l >/,»gr., unter Eingesandt »>/, Ngr. Die Deutsche Allgemeine Zeitung war wahrend des gegenwärtigen Krieges bemüht, den erhöhten Anforderungen nach allen Seiten hin zu ent sprechen: durch Zugabe einer täglichen Extra-Beilage, vermehrte telegraphische Depeschen, Originalberichte vom Kriegsschauplätze, aus London, Rom, Madrid rc., Mittheilung der amtlichen Berichte aus den Hauptquartieren, Beigabe von Karten und Plänen, tägliche Leit artikel »nd Uebersichten. Sie hat auch die Genugthuung gehabt, daß die Zahl ihrer Abonnenten bedeutend gestiegen und aus der Mitte derselben mehrfach die vollste Befriedigung über die Reichhaltigkeit und die ganze Haltung des Blattes ausgesprochen worden ist. Auch in dem hoffentlich nur uoch kurzen Endstadium des Krieges sowie nach demselben, bei den an die Stelle der Kriegsereignisse tretenden diplomatischen und Friedensverhandlungen, wird sie es ihr eifrigstes Bestreben sein lassen, ebenso rasch und übersichtlich auch darüber zu berich ten, wobei ihr mehrseitige zuverlässige Bcrbindungen zur Seite steheu. In gleicher Weise wird sie dem bald bevorstehenden neuen Reichstage eine er höhte Anfmerksamleit in demselben Maße znwenden, wie solcher als der erste gesammtdentsche Reichstag das allgemeinste Interesse in Anspruch nimmt. Sie darf daher hoffen, daß der von ihr neu gewonnene Leserkreis dem alte» Stamme getreuer Leser und Abonnenten danernd hinzutrete» wird. Mit dem 1. Januar 1871 beginnt ein neues Abonnement ans die Deutsche Allgemeine Zeitung, und werden deshalb alle auswärtigen Abon nenten (die bisherigen wie neu cintretende) ersucht, ihre Bestellungen auf das nächste Vierteljahr baldigst bei den betreffenden Postämtern aufzugede», damit keine Verzögerung in der Uebersendnng stattfindet. Der Äbonuementspreis beträgt vierteljährlich 2 Thlr. Die Deutsche Allgemeine Zeitung erscheint, solange es die politischen Verhältnisse wiinschenswerth machen, täglich zweimal: vormittags 9 Uhr und nachmittags 3 Uhr, resp. (mit telegraphischen Börsenberichten) 5 Uhr; Sonntags nur einmal: vormittags 11 Uhr. Nach auswärts wird sie mit den nächsten nach Erscheinen jeder Nummer oder Extra-Beilage abgehenden Posten versandt. Inserate finden durch die Deutsche Allgemeine Zeitung, welche zu diesem Zwecke von den weitesten-Kreisen und namentlich einer Reihe größerer industrieller Institute regelmäßig benutzt wird, die allgemeinste und zweckmäßigste Verbreitung: die Jnsertionsgebühr beträgt für den Raum einer vier mal gespaltenen Zeile unter „Ankündigungen" 1'/- Ngr., einer dreimal gespaltenen unter „Eingesandt" 2Vr Ngr. Leipzig, 22. Dec. Wie wir sogleich vorausgesagt, war die von eini gen Blättern verbreitete Nachricht von einem Pri vatabkommen zwischen Rußland und derTürkei unbegründet. Als solche wird sie jetzt von Konstanti nopel auS bezeichnet. Dagegen gewinnt das Gerücht betreffs der Unab- hängigkeilsgelüste des Fürsten Karl von Rumä nien an Bestand. Die wiener Blätter, welche die Verhältnisse an der untern Donau mehr in der Nähe anzusehen in der Lage sind als wir, nehmen die Sache sehr ernst. Sie bestätigen auch unsere gestern ausge sprochene Vermuthung, daß Rumänien mit seinen Be- strebungen einer LoSreißung von der Pforte nicht al lein stehen werde. „Weder in Belgrad und Athen noch in Bukarest und im Rathe der bulgarischen No- tabeln werde man die durch Rußlands Vorgehen ge gen die Verträge von 1856 gebotene gute Gelegen heit zu einem vortheilhafien Schachzuge ungenützt vor übergehen lasten" — so sagt die «Presse«, und die Thatsachen scheinen ihr und uns bereits recht zu geben. Der Ministerwechsel in Athen, der den zu einer keckern Politik hinneigenden Komonduros neuer dings wieder ans Ruder gebracht hat, die Procla- mationen, die Luka Vukalovich in Serbien ergehen ließ, die zunächst auf kirchlichem Gebiet sich bewegende, aber leicht in eine politische Repealbewegung hinüber- zulcitende Lossagung der Bulgarier von Konstan tinopel— alles dies sind in der That Anzeichen einer Gärung in den verschiedenen unter der Oberhoheit der Pforte stehenden christlichen Ländern und Gegenden, einer Gärung, die so natürlich ist, daß es ein Wun der wäre, wenn sie sich nicht zeigen würde. Kein Wunder wäre eS denn auch, wenn unter solchen Verhältnissen die Pforten reg ierung, die anfangs bei dem von Rußland heraufbeschworencn Noch eine Beethoven-Feier in Dresden. -6-Dresden, 19. Dec. Ein wunderbarer bedeu tungsvoller Zufall hat es so gefügt, daß der hun dertjährige Geburtstag Beethoven'S gerade in das Jahr 1870 fällt, in welchem Deutschland eine so großartige nationale Machtstellung einzunehmen im Begriffe ist. Wenn die Säcularfeier Schiller's vor elf Jahren die heißesten Wünsche für die staatliche Einigung unserS Vaterlandes zum Himmel emporstei gen ließ, so hat die diesjährige Säcularfeier Beetho- ven'S die Erfüllung dieser patriotischen Wünsche bis zu einem hohen Grade verwirklicht gesehen. Und das deutsche Volk hat nicht versäumt, mitten in einem alle Kräfte der Nation anspannenden Kriege und unter dem Eindrücke deS gewaltigsten Wellereignistes der Neuzeit den Tag festlich zu begehen, welcher dem nationalsten TonheroS Deutschlands das Leben gab. Wie man Schiller wcl mit Recht als den national sten Dichter unsers Volks änsehen darf, so ist Beetho ven mit gleichem Rechte als der nationalste Tonkünst ler der Deutschen zu bezeichnen. Volksthümlich, im enger» Sinne des Worts, möchte man Beethrttn kaum nennen können; denn recht eigentliche VoÜs- melodien hat er nicht geschaffen. Seine populärsten Lieder, wie „Adelaide" und „Freudvoll und leidvoll" auS Goethe'S „Egmont", sind nicht einmal in alle Schichten unsers Volks eiugedrungen, und National hymnen, wie die Marseillaise, das Rule Britannia, die Riego-Hymne rc., verdanken wir ihm nicht. Dafür ist er aber ein nationaler deutscher Tondichter im eminentesten Sinne des Wortes. Das Leiden und Conflict sehr ruhig zu sein schien oder doch zu sein sich das Ansehen gab, unter dieser glatten Oberfläche ernste Besorgnisse bärge und im stillen auf alle Mög lichkeiten sich vorbereitete. Wenn daher unser Corre- sponvent aus Konstantinopel noch in seinem letzten Briefe die Aeußerung that: die Pforte rüste nicht, „mindestens nicht gegen Rußland", so könnte diese etwas geheimnißvoüe Andeutung, die am nächsten aller dings auf die Expedition nach Demen (zur Bekämpfung einiger aufrührerischer Stämme in Südarabien) An wendung zu finden schien, doch auch noch nach andern Seiten hin gedeutet werden müssen. Natürlich wird durch diese Unabhängigkeitsbcstrebun» gen türkischer Nebenländer nächst der Türkei in erster Linie auch Oesterreich berührt. Ja noch mehr als die Türkei selbst, meint die Neue Freie Presse. Denn für diese würde ein unabhängiges und kräftiges Ru mänien eher ein Schutz gegen Rußlands weitere- Vorvringen sein, Oesterreich aber wäre von einem unab hängigen, nothwendigerweise nach Vergrößerung stre benden Rumänien, dem bald auch Serbien auf der gleichen Bahn folgen würde, mit einer steten Agita tion an seinen Grenzen und steten Anreizungen der den Serben oder den Rumänen stammverwandten Ele mente in seinem Innern bedroht. Ganz ähnliche Be sorgnisse äußert die «Presse». Und gewiß haben diese Besorgnisse ihre volle Berechtigung. Wie wichtig angesichts solcher an der Slldgrenze Oesterreichs sich vorbereitenden Verwickelungen für die Regierung Oesterreich-Ungarns das Verhältniß zu des sen nördlichem Nachbar, dem Deutschen Reiche, sein muß, braucht nur angedeutet zu werden. Ob in einem solchen Moment die bereits gestern erwähnte Zurückziehung sämmtlicher österreichischer Waggons von den deutschen Bahnen als eine beson ders sreundnachbarliche Maßregel anzuschen und ob sie daher zeitgemäß ist, lasten wir dahingestellt. Wir können kaum glauben, daß die Bedürfnisse des Ver kehrs in Oesterreich gerade in diesem Augenblicke so viel größere geworden sein sollten, daß sie einen solchen immerhin auffallenden und für uns unbeque men Schritt nothwendig machen. Der Schritt wird um so auffälliger dadurch, daß er sich mit einem Schritte der norddeutschen Bun desregierung kreuzt, welcher eine Annäherung an Oesterreich andcutel, ein Entgegenkommen, wie man es dort nur wünschen konnte und wie man in jüngster Zeit wiederholt unumwunden ausgesprochen, daß man eS wünsche. Wir meinen die Note Bismarck'S vom 14. Dec., worin dem Cabinct zu Wien die Neugestal tung Deutschlands angezeigt wird, und die jener Note gleichsam zum Commentar dienende heutige Auslastung der Provinzial-Correspondenz. Wie man aus Wien telegraphirt, hätte die Note dort einen guten Eindruck gemacht: jenes Ansinnen, durch welches man uns Ver legenheiten zu bereiten gedenkt, täßt davon wenig spüren. Vom Kriegsschauplätze liegt heute bis zur Stunde nichts Neues von Wichtigkeit vor. General Chancy scheint sich in Geschwindmärschen auf Le ManS 'zurückzuziehen, um den fortwährenden Rückzugsgefechten aus dem Wege zu gehen, denen er bei dem geringsten Aufenthalte ausgesetzt ist, da unsere Truppen in ge schloffener Linie dicht hinter ihm her sind. Die Rich tung des Vormarsches und die Aufstellung unserer Heeressäulen wird in einem Podbielske'schen Tele gramm etwa in derselben Weise angegeben, wie dies gestern in unserer Uebersicht geschah. Neuern Meldungen zufolge scheint es bei Nuit» (südlich von Dijon) heißer hergegangen zu sein, als es anfangs den Anschein hatte, da die Franzosen hier bedeutende Kräfte entwickelten und Nuits mit großer Ringen, der sittliche Ernst und der unverwüstliche Idealismus, wodurch das deutsche Volk sich vor allen andern auszeichnet, sind in seinen unsterblichen Ton dichtungen am mächtigsteu zum Ausdrucke gekommen. So universell und die heiligsten Interessen der ganzen Menschheit umfassend auch seine Werke sein mögen, sie tragen doch überall den unverlöschlichcn Stempel echt deutschen Wesens, rein deutscher Nationalität. Die welthistorische Mission, die das deutsche Volk in so vielfacher Hinsicht hat, ist durch Beethoven im Reiche der Musik in einem kaum geahnten Maße er füllt. War das Pathos seines Strebens, die titanen hafte Erhabenheit seines Empfindens und Denkens nicht dazu geeignet, sogenannte Volksmclodien zu schaf fen, so hat er doch, wie kein anderer, deutsche Kraft und deutsche Innigkeit im Reiche der Töne zum Ge meingut der Menschheit gemacht. Und in diesem Sinne hat Victor Hugo recht, wenn er in seinem sonst sehr exaltirt geschriebenen Buche über Shakspeare sagt: „Beethoven ist Deutschland." Hier in Dresden ist der hundertste Geburtstag Beethovcn's, wir dürfen dies ohne alle Ruhmredig keit sagen, in würdiger Weise gefeiert worden. Seit der Säcularfeier Schiller's hat hier kein glänzende res, volksthümlichcres Fest stattgefunden, selbst der hundertjährige Geburtstag eines Alexander v. Hum boldt wurde nicht mit einer solchen allgemeinen Theil- nahme gefeiert, wie der Geburtstag Beethoven'S- ES gab verschiedene musikalische Huldigungen als Vorfeier dieses Tages, so z. B. ein höchst gelungenes Concert der Dreyßig'schen Singakademie, Triosoireen der Her ren Nollfuß, Seelmann und Bürchl rc. Die glän zendste Vorfeier aber fand am 16. Dec. statt. Nahezu 2000 Menschen versammelten sich am Abende diese- Tages in den weiten glänzenden Räumen des Ge- werbehauseS, um dem gewaltigen Tcngenius ihre hul digende Ehrfurcht zu bezeugen. Den ersten Theil der Feier bildete ein musikalisch- oratorischer FestactuS, dessen musikalischen Theil die königliche Kapelle unter Direction der Herren Kapell meister C. Krebs und vr. I. Rietz, die Dreyßig'sche und Dresdener Singakademie sowie der königliche Hof theaterchor ausführten. Im Hintergründe des Orche sters ragte, von hohem, grünem Laubwerk umgeben, die von Professor Schilling geschaffene Kolossalstatue Beethoven'S in hoheitsvoller Majestät hervor. Wie im Triumphalorschritte sich der Zuhörermenge nähernd, die Leier in der Linken, auf dem Haupte den Lorber kranz, übte diese neue Kunstschöpfung des genialen Bildhauers eine mächtige Wirkung aus, wozu die treff liche Beleuchtung des Antlitzes vornehmlich beitrug. Die ungemein schöne Akustik des prächtigen Saals zeigte sich zunächst, als der feierliche Marsch und Chor aus den „Ruinen von Athen" ertönte. Dann folgte ein von Hrn. A. Stern gedichteter Prolog, den Frl. Langenhaun meisterhaft vortrug; darauf entzückte die Zuhörer der Chor „Schmückt die Alläre" und die Ouvertüre „Zur Namensfeier", und hierauf folgte die schwungvolle Festrede deS HofratHS vr. I. Pabst, welche die sittliche, künstlerische, nationale und allge mein menschliche Bedeutung Beethoven'S hervorhob. Obschon die Rede eiwaS lang war, errang sie sich doch lauten und allgemeinen Beifall. Den würdigen Schluß des FestactuS bildete die „Neunte Sympho-