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1738 wie man das nicht anders erwarten konnte, für strengste Neutralität zu sein. Ebenso Kaisersfeld. A» der untern Donau — um dorthin nochmals zurückzukehrcn — ist noch eine andere Bcsorgniß wach gerufen worden durch kriegerische Maßregeln der Pforte an den Grenzen nicht bloS Rumäniens, son dern auch Serbiens. Welcher Anlaß oder Zweck den selben zu Grunde liegt, ist noch nicht recht klar. In Serbien fühlt man sich dadurch beunruhigt, und leicht mag eS zu Reibungen kommen, welche in einem Mo ment, wo durch den Pulverdampf am Rhein und an der Mosel die ganze europäische Atmosphäre mit Elcktricität angefüllt worden ist, ehe man cS denkt, ein Gewitter erzeugen könnten. Das Resultat der Schlachten bei Metz. Die Preußische Provinzial-Correspondenz sagt in einem Rückblick auf die letzten Ereignisse auf dem Kriegsschauplätze: Durch den Gesawmterfolg der Kämpfe bei Metz ist die französische Hauptarmee, welche nach den ersten Schlägen am Rhein und an der Saar mit größter Anstrengung wieder gesammelt worden war, von neuem vollständig er schüttert und an jeder freien Wirksamkeit gelähmt, vor allem von dem Zusammenwirken mit der Armee von ChälonS abgedrängt. Frankreichs Heer ist in Stücke geschlagen und dadurch zu jeder umfaßenden Kriegführung unfähig ge macht. So ist der Feldzug schon jetzt von durchgreifendem Erfolge zu Gunsten der deutschen Waffen gewesen, und die Zuversicht ist wol begründet, daß nuS diese Erfolge nicht entrissen werden können. Die Bazaine'sche Armee, welche sich in das feste Lager von Metz zurückgezogen hat, mag immer an 100—120000 Mann zählen, mithin wol stark genug sein, um von dort aus unsere Armeen durch allerlei Unternehmungen zu beunruhigen nnd möglicherweise einen nochmaligen Durch bruch zu versuche». Aber sie wird von unserer Armee so eng umklammert und überwacht, daß an ein Gelingen solcher Unternehmungen kaum zu denken ist. In wenigen Lagen werden unsere Truppen sich auch ihrerseits gedeckte Stellungen bereitet haben; in kurzem wird sodann die förmliche Belagerung von Metz beginnen nnd damit für die dicht zusammengedrängte französische Armee und für die Bevölkerung von Metz eine überaus peinliche Lage ent stehen, welche sie schwerlich lange zu ertragen vermag. Die kronprinzliche Armee, welche bisher in naher Ver bindung mit der II. Armee ihren Vormarsch nach der Mitte Frankreichs über Nancy fortgesetzt, bis znr Entschei dung bei Metz ober eine kurze Zeit innegehalten hatte, rückt nunmehr in tüchtigen Märschen weiter vor. Die Linie der Maas, welche man vor kurzem nächst der Mosel linie als einen wichtigen Abschnitt der Kriegführung be trachtete, bietet jetzt dem Vormarsch der deutschen Truppen keine Schwierigkeit dar; schon gehen die Vorposten unserer Südarmee bis an die Aube und an die Marne, und in kurzem wird der Kronprinz die feindliche Armee in dem letzten Gebietsabschuitte vor Paris aufsuchen. Die bereits erprobte und ruhmreiche kronprinzliche Armee, in welcher Nord- und Süddeutschland in herzlichster Waffenbrüder schaft vereint sind, wird, so Gott will, im Herzen Frank reichs erfolgreich beendigen, was sie am Rhein herrlich be gonnen hat. Die Franzosen selbst scheinen mehr und mehr die Hoffnung aufzngeben, bei Chälons noch einen erfolg reichen Widerstand leisten zu können. Schon verlautet, daß der Marschall Mac Mahon seine Truppen in der Rich tung auf Paris zurückziehen solle und mit seinem Haupt quartier bereits von Chalons aufgebrochen sei. Speciell über die Schlacht am 18. Aug. bemerkt die preußische Provinzial-Correspondenz; Der Sieg des Prinzen Friedrich Karl bei Mars-la-Tour war theuer erkauft, aber der Erfolg war großer, schwerer Opfer werth; der kühne Plan unserer Kriegsleitnng, die Vereinigung der feindlichen Heere zu verhindern, war ge lungen. Der Marschall Bazaine jedoch wollte sich in das was wir Deutschen 1866 und seitdem gethan, etwas anderes? Brachte, was wir in unserm bis dahin notorisch unwohnlichen Hause von Wänden einschlugen, von Balken einzogen, von Mauern auffühNen, dem Nachbarhause Erschütterung? Drohte es ihm Licht' und Luft zu schmälern? Stellte cs ihm Feuersgefahr in Aussicht? Nichts von alledem; unser Haus schien ihm nur zu stattlich zu werden, diesem Nachbar; er wollte in der ganzen Straße das schönste und höchste Haus besitzen, und hauptsächlich durfte das unserige nicht zu fest werden, wir sollten es nicht verschließen können, es sollte ihm jederzeit unbenommen bleiben, wie er früher schon mehrmals gethan, nach Belieben einige Zimmer davon in Besitz zu nehmen und zu seinem Hause zu schlagen. Und doch hatten wir die jenigen Theile unsers Hauses, welche der gewaltthä- tige Nachbar in früher» Zeiten sich angeeiguet, bei unserm Umbau gar nicht in Anspruch genommen, son dern sie ihm gelaffen und die Sache als verjährt be trachtet; jetzt freilich, nachdem er an das Schwert appcllirt hat, wachen auch diese alten Fragen wie der auf. Frankreich will seinen europäischen Primat nicht aufgeben; nur wenn cS auf diesen ein Recht hat, hat es auch ein Recht, sich in unsere inner» Angelegen heiten gu mischen. Worauf stützt sich denn aber sein vermeintliches Recht auf jenen Primat? An Bildung hat sich Deutschland ihm längst zum mindesten gleich gestellt ; die Ebenbürtigkeit unserer Literatur wird von den Vertretern der französischen anerkannt, und um die Gleichmäßigkeit, womit vermöge eines geordneten Schulunterrichts Bckdung und Sittigung alle Schich unvermeidliche Geschick noch nicht fügen; er beschloß, noch eine verzweifelte Anstrengung zu machen, um den Rückzug nach Lhälon» zu erzwingen. Ec halte seine Armee nicht alsbald bi« Metz zurückgefllhrt, sondern nur eine Meile weiter ans Metz zu, wo er in dem gebirgigen Terrain eine neue Stellung genommen hatte. Er berichtete auch nach Paris über den Lag von Mar» la-Tour wie über eine ge wonnene Schlacht und kündigte die Erneuerung des Kam pfe« nach wenigen Stunden an, er wolle nur seine Muni tion vervollständigen. Doch brauchte er länger al- einige Stunden, um sich zu neuem Kampfe zu rüsten; er benutzte den 17. Aug., wie e» scheint, um sich in seiner neuen gün stigen Stellung auf jede Weise zu befestigen. Unser König traf seinerseits alle Vorbereitung, um die Früchte des Sieges von MarS-la-Tour unter allen Umständen zu sichern. Man mußte sich auf einen nochmaligen Versuch Bazaine'S, nach Verdun durchzubrechen, gefaßt machen. Derselbe hatte immer noch nahezu 140000 Mann bei Metz vereinigt; an der Spitze einer solchen Streitmacht des besten Theils der französische» Armee konnte er es sür seine Pflicht halten, sich wenn irgend- möglich noch den Weg zur Rettung der Hauptmacht zu bah- nen. In solcher Voraussicht ließ König Wilhelm auf die erste Nachricht von der Schlacht bei Mars-la-Tour alle noch auf dem rechten Moselufer stehenden Lorps unserer Armee über den Fluß rücken, um sich den bereit» mit Prinz Fried- rich Karl vorangegangenen Lorps, dem 3. (brandenburgi- scheu), 9. (schleswig-holsteinischen und Hessen-darmstädti- scheu), 10. (hannoverischen) und der Garde, anzuschließen. DaS 12. (königlich sächsische) Lorps, welches soeben erst in Pont-ä-Moußon angekommen war, sowie das 2. (pommer- sche) Lorps, dessen Spitzen kaum noch Pont-ä-Mouffon be rührt batten, gingen in Eilmärschen auf das linke Mvsel- ufer, um auch ihrerseits die Straße zwischen Metz und Verdun zu erreichen. Auch das 7. (westfälische) und da» 8. (rheinische) Lorps von der Steinmetz'schen Armee, welche bis dahin östlich von Metz standen, gingen etwa eine Meile südlich von der Festung über Pontonbrücken auf das linke Moselufer. Der König selbst übernahm nun den Oberbefehl über die vereinigten Lorps der 1. und II. Armee und schlug am 18. Aug. den Feind in der Entscheidungsschlacht bei Gravelotte. Vom Kriegsschauplätze. Der Preußische Staats-Anzeiger berichtet unterm 24. Aug.: „VomKriegsschauplätze liegen folgende Nachrichten vor: Am Morgen des 19. d. M. wur den der Oberstlieutenant v. Verdy und der Haupt mann v. Winterfeld, beide vom Generalstabe des Großen Hauptquartiers Sr. Maj. des Königs, als Parlamentäre nach Metz entsandt. Es sollten Briefe höherer französischer Aerzte, welche auf dem Schlachtfelde zurückgeblieben waren, dort abgegeben und Verabredungen getroffen werden, in welcher Weise das Schicksal der verwundeten Franzosen durch Her anziehung von ärztlichen Kräften au« der Festung erleichtert werden könnte. Sobald die vorgenannten GcneralstabSoffiziere unsere Vorposten passirt hatten, ritten sie im Schritt, vor sich einen Dragoner mit wehender weißer Fahne und einen Trompeter, der in kurzen Zwischenräumen Signale blies. Sehr bald näherte sich von links eine feindliche Husarenpatrouille, welche dann unsere Parlamentäre cotoyirend beobach tete. Nachdem diese Patrouille bis auf 100 Schritt heran war, gab sie Feuer. Der Oberstlieutenant v. Verdh ließ sofort halten, die weiße Fahne schwen ken und Signale blasen. Die Patrouille sprengte im Galop in der Richtung auf Metz davon. Die Par lamentäre ritten wiederum im Schritt und unter strenger Beobachtung der oben angedeutcten Forma litäten vor. Ein französischer Jnfanterieposten an ei nem Gehöft unweit Langeau an der metzer Straße war jedenfalls von ihrem Erscheinen durch die er ten unsers Volks durchdringt, werden wir von den besten Männern des französischen beneidet. Die Aus schließung der Reformation aus Frankreich, soviel sie beigeträgen hat, seine politische Macht zu verstärken, so schwer hat sie sein geistiges und sittliches Gedeihen geschädigt. Aber auch in politischer Tüchtigkeit sind wir den Franzosen, wenn auch langsam, doch vollauf nachgekommen. Die Revolution von 1789 schien ihnen einen gewaltigen Vorsprung vor uns zu geben; wir danken ihr die Sprengung mancher Fessel, die uns sonst wol noch lange gedrückt haben dürfte, aber was wir seitdem in Frankreich gesehen haben, ist nicht dazu angethan, uns von einer Wettbewerbung abzuschrecken. Gemäßigte Regierungen scheinen dort nur dazu da zu sein, um unterwühlt zu werden, sich in Anarchie, wie diese sofort in Despotismus, aufzu- löscn; ob die ronstitutionelle Monarchie, in der auch Sie wie ich die einzig haltbare Staatsforni sür Eu ropa (Ausnahmestellungen abgerechnet) sehen, in Frank reich jemals feste Wurzeln werde treiben können, ha ben ja auch Sie selbst in Ihrer trefflichen Schrift über diesen Gegenstand bezweifelt, wenigstens cs mehr gewünscht als gehofft. Daß ich die vielen guten Eigenschaften der fran zösischen Nation nicht verkenne, daß ich in ihr ein wesentliche« und unentbehrliches Glied der europäischen Völkerfamilie, ein vielfach wohlthätigcs Ferment in dieser Mischung sehe, das brauche ich Ihnen, hoch geehrter Herr, so wenig erst zu versichern, als Sie mich der gleichen unparteiischen Schätzung der deut schen Nation und ihrer Vorzüge zu versichern brau chen. Aber Nationen wie Individuen haben als wähnte Eavalericpatrouille benachrichtigt worden. Die ser Posten, welchem das Terrain während geraumer Zeit daS Herankommen der Preußen zu sehen gestat tete, konnte über die friedlichen Absichten der langsam Vorrcitenden unmöglich in Zweifel sein. Diesseits ward man dieses Postens erst auf 80 Schritt gewahr. Oberstlieutenant v. Verdy befahl sofort zu halten, das betreffende Signal zu blasen und die Fahne zu schwen ken. Die Franzose» beantworteten diese friedlichen Zei chen durch wiederholte Schüße. Als nun endlich sogar eine Section ausschwärmte und zu' feuern anfing, wurde der Befehl zum Zurückreiten gegeben. Der preußische Trompeter — Berlin, 1. Escadron 11- Dragonerregiments — wurde verwundet, fiel vom Pferde, entkam aber schließlich glücklich dem feindli chen Feuer. Auf diese Weise war eS unmöglich, die Mission, welche zum Besten der verwundeten franzö sischen Soldaten dienen sollte, zu erfüllen." — Der Berliner Börsen-Zeitung berichtet man aus Pont-a-Mousson vom 20. Aug.: Seit dem blutigen Tage des 18. ist auf der ganzen Linie, anscheinend wenigsten», vollständige Ruhe eingetreten. Gestern wenigsten» ist um Metz herum nichts geschehen und bis zu diesem Augenblicke ist auch noch keine Nachricht von einem Engagement eingetroffe». Dank dem Telegraphen kennt man in Berlin die großen Züge der Bewegung so schnell, wie sie hier diejenige» erfahren, die nur passive Theil nehmer des großen Drama» sind, und man weiß also, daß cs sich bei den Bewegungen und Kämpfen der letzten acht Tage darum gehandelt hat, die französische Armee von ihren Rückzugslinien abzuschneiden und in Metz einzuschließen. Diesen Erfolg haben die Kämpfe am 16. und 18. Aug. ge habt. Freilich ist er mit sehr großen Opfern errungen worden und manchmal hat die Wage selbst etwa» bedenklich geschwankt, besonders am 16., wo da» 3. Armeecorps gegen eine enorme Uebermacht zu kämpfen halte. Die Franzosen, welche sich immer gut geschlagen, haben noch bester al» vorher standgehalten, obgleich auch hier unparteiische Beob achter erklären, daß die Positionen welche die Franzosen stets innegehabt haben, niemals hätten genommen werden können, wenn sie von den deutschen Truppen vertheidigt worden wären. Es ist nicht möglich, dem Heldenmulhe dieser Trup pen bas ganze Lob zu zollen, da» ihnen gebührt. Die Zu versicht des Kaisers Napoleon auf seine Waffen war nicht unbegründet. Man kann ja hier täglich Hunderte von Of fizieren und Soldaten sprechen und ihr Urtheil ist überein stimmend, daß die LhaffepotS immer und die Mitraillensen wenigstens unter gewissen Bedingungen furchtbare Waffen sind. Die Franzosen eröffnen ihr Feuer aus so große Ent fernungen, daß die deutschen Truppen immer, ehe sie nahe herankommen, die größten Verluste leiden, während dann allerdings das Umgekehrte eintritt. Aber es muß dabei aus drücklich bemerkt werden, daß das Vertrauen unserer Trup pen auf das Zündnadelgewehr nicht im mindesten erschüttert ist, daß sie sich mit demselben dem Chaffepot gegenüber durchaus gewachsen fühlen, und nur die vorzüglichen Stel lungen, welche die Franzosen als die Vcrtheidiger immer wählen können, sind die Ursache, daß sie gerade die Vor theile ihrer Waffen gründlich auSnutzen können. — Der Correspondance HavaS wird aus Charleville vom 19. Aug. gemeldet, einem Gerücht zufolge hätten die Preußen am 18. Aug. mit 1200 Mann eine Necognoscirung bis Briey vorgeschoben. Aus Metz »leidet dieselbe Corrcspondenz, daß die Stadt mit Verwundeten überfüllt sei und daß es an Aerzten fehle. Es wird ferner gemeldet, daß Thionville von den deutschen Truppen umringt ist, Metzer-Wiese, Illingen und andere Dörfer in nächster Nähe von Thionville sind besetzt. — Der Gaulois bringt folgenden Bericht über das Bombardement von Toul: Menillot bei Toul, 16. Aug. Man hat begonnen, Toul Kehrseite ihrer Vorzüge auch ihre Fehler, und in Be zug auf diese haben unsere beiden Nationen seit Jahr hunderten eine sehr verschiedene, ja entgegengesetzte Erziehung genoffen. Wir Deutschen haben in der harten Schüle des Unglücks und der Schmach, wobei großentheils Ihre Landsleute unsere unnachsichtigen Schul- und Zuchtmeister waren, unsere Grund- und Erbfehler, unsere Träumerei, unsere Langsamkeit und vor allem unsere Uneinigkeit als das erkennen gelernt, was sie sind, als die Hindernisse jedes nationalen Gedeihens; wir haben uns zusammengenommen, gegen diese Untugenden gekämpft und sie immer mehr von uns abzuthun gesucht. Dagegen sind die französischen Nationalfehler von einer Reihe französischer Herrscher großgezogen, lauge Zeit vom Erfolg aufgeschwellt und auch vom Unglück nicht abgetrieben worden. Das Trachten nach Glanz und Ruhm, die Neigung, den selben, statt durch stille Arbeit im Innern, durch laute abenteuernde Unternehmungen nach außen zu erreichen; die Anmaßung, an der Spitze der Nationen zu stehen, und die Sucht, sie zu bevormunden und auszubeutcn — diese Untugenden, die in der gallischen Art liegen, wie die oben bezeichneten in der germanischen, sind von Ludwig XIV., von dem ersten und dem hoffent lich letzten Napoleon in einer Weise aufgefüttert worden, daß der Nationalcharaktcr dabei den tief sten Schaden genommen hat. Die Gloire insbe sondere, die noch jüngst einer Ihrer Minister das erste Wort der französischen Sprache genannt hat, ist vielmehr ihr schlechtestes und verderblichstes, das die Nation gut thun würde für eine Zeit lang ganz aus ihrem Wörterbuch zu streichen; ist sie doch das gol-