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1434 Seiten hin Sorge, daß der Postverkehr auch wäh rend de» Krieg» keine Störung erleidet oder doch bald möglichst geregelt wird. Es sind deshalb die Post- anstalten angewiesen worden, über etwa vorkommende Unterbrechungen wegen der Wiederherstellung der Post. Verbindungen sowie über sonstige Ereignisse, welchen eine besondere Bedeutung für den Verkehr und die Gestaltung der Postverbindung beigelegt werden muß, dircct an das Generalpostamt Anzeige zu machen und zwar auf telegraphischem Wege, sofern dies die Wich tigkeit der Sache erfordert, im brieflichen Verfahren, sobald dies nicht der Fall ist. — Einem Bericht der National-Zeitung über die Eröffnung des Reichstags entnehmen wir Fol gendes : Die Verlesung der Thronrede wurde öfter durch leb haften Beifall der Versammlung unterbrochen; so als der König erklärte, „daß der Norddeutsche Bund die deutsche Volkskraft nicht zur Gefährdung, sondern zu einer starken Stütze des allgemeinen Friedens auszubilden bemüht war"; dann als der König versicherte, dass, wenn er gegenwärtig diese Volkskraft zum Schutze der Unabhängigkeit aufrufe, er nur dem Gebote der Ehre und der Pflicht gehorche; weiter als der König constatirte, daß das Gouvernement des Kaisers der Franzosen den Kriegsfall auch nach Beseitigung jenes Vorwandes (der hohenzouernschen Throncandidatur) mit jener Geringschätzung des Anrechts der Völker auf die Segnungen des Friedens festgehalten, von welcher die Geschichte früherer Beherrscher Frankreichs analoge Beispiele biete. Der Beifall steigerte sich, als der König hervorhob, daß Deutschland derartige Vergewaltigungen seines Rechts und seiner Ehre in früheren Jahrhunderten nur schweigend erfahren habe, „weil es in seiner Zerrissenheit nicht wußte, wie stark es war", und er wuchs zu einem Sturme der Begeisterung, als der König mit gehobener Stimme betonte: „Heute trägt Deutschland in sich selbst den Willen und die Kraft der Abwehr erneuter französischer Gewaltthat." Mit Zustimmung nahm die Ver sammlung Act von der gegen die Machthaber Frankreichs erhobenen Anklage, daß sie es verstanden hätten, „das wohlberechtigte, aber reizbare Selbstgefühl unsers großen Nachbarvolkes durch berechnete Misleitung für persönliche Interessen und Leidenschaften auszubeuten." Den Schluß der Rede begleitete eine immer mehr sich steigernde Erre gung, mit freudigem Zuruf wurde die Ankündigung des „einmüthigen Willens der deutschen Regierungen des Sü dens wie des Nordens" begrüßt und durch den Saal brauste ein Sturm des Beifalls bei dem Aufruf an das deutsche Volk „zur Vertheidigung seiner Ehre und seiner Unabhängigkeit" und bei dem Schlußsätze, in welchem der König dem sichern Glauben Ausdruck gab, „daß in diesem Kampfe, in dem wir kein anderes Ziel verfolgen, als den Frieden Europas dauernd zu sichern, werde Gott mit uns sein, wie er mit unsern Vätern war". Als der König mit den Prinzen den Saal verließ, rief der sächsische Staatsminister v. Friesen: „Se. Majestät König Wilhelm lebe hoch!" Die Versammlung stimmte dreimal mit Be geisterung in diesen Ruf ein, um sich darauf sofort zu trennen. Noch nie ging durch den Weißen Saal eine solche Sturmflut patriotischer Begeisterung bei einem parlamen tarischen Staatsacte. Die Neue Preußische Zeitung sagt in einem Ar tikel über die Eröffnung des Reichstags: „Der 19. Juli ist der Todestag der Königin Luise, welche heute vor 60 Jahren starb — an gebrochenem Herzen über die Erniedrigung Deutschlands. Sie, die hohe deutsche Frau, sie starb an gebrochenem Herzen, als alles Große und Schöne in Deutschland verloren schien, als alle sittlichen Mächte den höllischen Kün sten des Bonapartismus unterlegen zu sein schienen. Aber, wenn es ihr nicht gegeben war, den Tag der Befreiung zu erleben, so hatte sie doch nicht vergeblich gelitten. Wir dürfen eine Zeit nicht wiederkehren lasten, in welcher die Besten und Edelsten fast dem Gram erlagen, den die Hoffnungslosigkeit gebar. Wie der Tod der Königin Luise damals seine Sühne fand in der Befreiung deS geknechteten Deutschlands, so muß er heute seine zweite Sühne finden in der sieg reichen Vertheidigung deS freien Deutschlands. Nicht zum zweiten mal wird der deutsche Nacken sich unter den Fuß eines Bonaparte beugen." — An Vorlagen liegt bereits ein Gesetzentwurf vor betreffend den außerordentlichen Geldbedarf der Militär- und Marineverwaltung. Der §. 1 deS Entwurfs lautet: Der Bundeskanzler wird ermächtigt, die durch die an- geordnete Mobilmachung der Armee und durch die Krieg führung entstehenden außerordentlichen Ausgaben der Mili tär- und Marineverwaltung zu bestreiten, die dazu erforder liche» Geldmittel bis zur Höhe von 120 Mill. Thlrn. im Wege des Credits flüssig zu machen und zu dem Zwecke in dem Nominalbetrag«, wie er zur Beschaffung dieser Summe erforderlich sein wird, eine verzinsliche, nach den Bestim mungen des Gesetze« vom 19. Juni 1868 (Bundes-Gesetz blatt S. 339) zu verwaltende Anleihe aufzunehmen und Schatzanweisungen auszugeben. In Bezug auf die Verzinsung und Tilgung der zu begebenden Anleihe finden die Bestimmungen des Gesetzes vom 9. Nov. 1867 und der HZ. 3—5 deS Gesetzes vom 6. April 1870, in Ansehung der ver lorenen oder vernichteten Schuldverschreibungen die Be stimmungen des Z. 6 deS Gesetzes vom 9. Nov. 1867 Anwendung. Die Bestimmung des Zinssatzes der aus zugebenden Schatzanweisungen und der Dauer ihrer Umlaufszeit, welche den Zeitraum eines Jahres nicht überschreiten darf, überläßt der Entwurf dem Bun deskanzler. — Unter der Ueberschrift Französische Lügen schreibt die Norddeutsche Allgemeine Zeitung: Die Patrie tischt ihren Lesern Nachstehendes auf: „Die Nachrichten aus Dänemark und aus den Herzogthümern sind vortrefflich. Als die Bevölkerungen von den Er eignissen in Paris vernahmen, haben sie ihrer Freude und ihrem Patriotismus freien Lauf gelassen. Der Haß gegen die Preußen ist in Dänemark so lebhaft, daß die Be völkerungen sich in Masse erheben würden, um gegen ihre Unterdrücker zu marschiren, wenn die Regierung zauderte, in der vorliegenden Frage Partei zu ergreifen. Es herrscht auch in Hannover eine große Gärung. Der preußische commandirende General hat um Verstärkungen gebeten. Die preußische Regierung hat soeben die schärfsten Befehle ertheilt, um zu verhindern, daß die von Frankreich an das deutsche Volk gerichtete Proclamation in Deutschland cir- culire. Dennoch wird dies Schriftstück, das in den freund schaftlichsten Ausdrücken abgefaßt und von der tiefsten Ach tung für die deutsche Nation durchdrungen sein soll, in Preußen circuliren. Alle Städte, alle Corporationen haben verlangt, es kennen jst lernen, und beträchtliche Massen von Exemplaren sind soeben zu ihrer Bestimmung gelangt; sie werden in einigen Stunden unter den Bevölkerungen cir culiren, welche, freundlich oder feindlich gesinnt, sie zu kennen wünschen." Das Centre gauche erzählt (allerdings mit Vorbehalt): „Es wird behauptet, daß die Preußen in einem ersten Zusammenstöße bei Saarbrücken vernichtet (sorasss) worden sind." Ferner erzählt Centre gauche, daß Abthei- lungen der preußischen Vorhut gleichzeitig bei Sierk und Basel die Grenze überschritten hätten. Es knüpft daran die geistreiche Bemerkung: „Bei Basel, das würde eine Verkennung der schweizer Neutralität sein. Es würde das eine Besetzung der Waldlinie sein, welche 1789 (!) von Massen« gehalten wurde und welche ebensowol den Ober rhein deckt als die Wege sichert, welche den Zutritt zu den Schwarzwaldpässen ermöglichen; es ist das auch der Durch gangspunkt, welchen die Invasion von 1814 nahm." Der Lärm über die Invasion bei Sierk soll durch den dortigen Maire veranlaßt worden sein, welcher «ine auf preußischem Territorium streifende Cavaleriepatrouille für ein Invasions- Heer ansah. — Der König Wilhelm hat schon jetzt ausge sprochen, daß er sich auch in diesem Kriege von sei- nen Truppen nicht trennen werde. — General Vogel v. Falckenstein ist in München eingetroffen, um den Oberbefehl über die bairischen Truppen zu übernehme». — Der frühere Herzog ».Nassau und der Prinz Nikolaus von Nassau sollen sich dem BundeSfeldhcrrn für den bevorstehenden Krieg zur Verfügung gestellt haben. — Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung berichtet: „Aus Deutschland und ebenso von Deutschen im Aus lande gehen täglich erhebliche Beiträge genannter und anonymer Personen zu den Kosten des Kriegs mit Frankreich im Auswärtigen Amt des Norddeutschen Bundes ein." — Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung meldet avS Berlin: „AuS Petersburg ist hier beim Bundeskanzler ein Telegramm mehrerer Deutscher ein gelaufen, welches lautet: «Enthusiasmus. Gott helfe Deutschland!» In den Regierungskreisen zu Kon stantinopel ist man entrüstet über das Vorgehen Frankreichs und findet es geradezu unbegreiflich, daß es aus so nichtigen Gründen einen Krieg mit Deutsch land beginnt." — Ein erfreuliches Zeugniß des engsten Einverneh- menS zwischen Baiern und dem Nordbunde liegt in der folgenden Bekanntmachung des preußischen HandelSministerS: Die Generaldirection der königlich bairischen Verkehrs anstalten gewährt unbemittelten Reservisten des norddeut schen Bundesheeres freie Fahrt bis zur Grenze des Bundes gebiets. Infolge dessen sind die Directioneu der preußischen Staat« - und unter Staatsverwaltung stehenden Eisenbah nen angewiesen und die Verwaltungen der Privateisell- bahnen aufgefordert worden, eine gleiche Bewilligung zu Gunsten der Reservisten der süddeutschen Staaten «intreten zu lassen. — Die Berliner Börsen-Zeitung bringt eine pariser Depesche vom 18. Juli: „Große Sensation hat hier die Angabe deS Gaulois hervorgerufen, daß Oester reich an die französische Regierung die Erklärung habe gelangen lassen, es werde aus seiner Neutralität heraustreten, falls Süddeutschland Partei für den Norddeutschen Bund nehmen sollte." Der Gaulois jat, wie das Blatt bemerkt, schon viele Enten ge wacht. — Der Neuen Preußischen Zeitung schreibt man au» Paris vom 16. Juli: Verfallen Sie nicht au« falscher Sentimentalität in den Hehler, einen Unterschied zwischen diesem Kaiser und die- em Volke zu machen, ich sage Ihnen, dieses Volk ist zanz seine» Kaisers würdig. Er ist gewissenlos genug, die Kriegsfurie zu entfesseln, weil er seinen übermllthigen Prä torianern eine Freude machen muß, um sie für seinen Sohn zu gewinnen; er ist kläglich genug, seines leidenschaftlichen WeibeS Hetzereien nicht widerstehen zu können, und sein Volk ist so kindisch eitel, daß es alles glaubt, was ihm seine Olliviers vorreden, so brutal hochmüthig, so ruhm gierig und frech, daß es jeden nichtfranzösischen Sieg al« Beleidigung betrachtete. — Aus Darmstadt vom 18. Juli meldet man uns,: Der Congrcß des Vereins der deutschen Frei maurer, welcher vom 23. bis 26. Juli d. I. in Darm stadt anberaumt und für dessen Abhaltung alle Vorkehrun gen bereit- getroffen waren, bleibt der eingetretenen politi schen Verhältnisse wegen bis auf weiteres vertagt. Preußen. Der König hat an den Oberpräsi denten der Provinz Hannover telegraphirt: „Hoch ¬ nuten von EmS auf dem Berlin-Potsdamer Bahnhofe eingetroffen. Graf Bismarck war ihm mittels Exlra- zugs bis Brandenburg entgegengefahren. Die Herz lichkeit, mit welcher viele Tausende den König auf dem Bahnhofe, auf den Straßen, durch welche Se. Maj. nach seinem PalaiS fuhr, begrüßten, war unbe schreiblich. Es war der Ausdruck herzlichster und ehr erbietigster Zustimmung zu der Würde, mit der er die Rechte und die Ehre einer großen Nation gegenüber dem frivolen Thun eines übermüthigcn Nachbarvolks vertreten, und begeisterten Entschlusses, unter seiner Führung dem nationalen Banner in einen schweren, aber hoffentlich ruhmreichen Krieg zu folgen. Der König traf in Begleitung des Kronprinzen sowie deS Ministerpräsidenten v. Bismarck mittels Exlrazugs von EmS auf dem Potsdamer Bahnhofe hier ein. Im Gefolge deS Königs befanden sich noch der General v. Moltke sowie der Polizeipräsident v. Wurmb. Der Bahnhof war von freundlicher Hand mit Guirlanden und Kränzen geschmückt und hatte sich eine unabsehbare Menge vor demselben aufgestellt, um den geliebten Landesvater zu empfangen. Es hatte sich blitzschnell die von den Linden colportirte Nachricht der Kriegserklärung von französischer Seite aus auch hier verbreitet, und so befand sich das Publikum in einer unbeschreiblich aufgeregten kriegerischen Stimmung, die sich namentlich beim Erscheinen des Feldmarschalls Wrangel, der zu Wagen zum Empfange Sr. Maj. erschien, Luft machte. Um 9 Uhr bestieg Se. Maj. den bereit stehenden Wagen, zu seiner Linken Se. königl. Hoh. den Kronprinzen. Ein brausendes donnerähn- licheS Hurrah empfing den König, Hüte, Mützen, Arme, streckten sich unter Jauchzen und Jubelrufen dem Kö nige entgegen. Der König nahm mit seinem Sohne die herzlichen Zurufe seines Volks mit bewegtem Her zen und ernsten Angesichts entgegen. Laute Begeiste rung empfing den Ministerpräsidenten, der unmittel bar nach dem Könige abfuhr. Eine gewaltige Be wegung hatte das Volk ergriffen und machte sich in tausend Kundgebungen Luft. Man verfolgte die Wa gen, unter denen sich auch der des Feldmarschalls Wrangel befand, soweit nur irgend möglich, mit Zu rufen. Ein ähnlicher Empfang ist wol kaum je einem Herrscher am Vorabende eines Kriegs zutheil gewor den. Die Begeisterung hatte sich auch den anwesenden Offizieren mitgetheilt; gleich nach der Abfahrt des Königs verkündete einer derselben mit erhobener Stimme, daß die Kriegserklärung erfolgt sei und wie Se. Maj. der König die Mobilmachung der ganzen Armee be sohlen. Seiner Rede, die er von Zeit zu Zeit wie derholen mußte, folgte lauttönender Beifall. Auf dem ganzen Wege vom Bahnhofe durch die Linksstraße, über den Platz vor dem Potsdamer Thore, nach dem Brandenburger Thore und die Linden hinunter wurde, der König von einer dichtgedrängten Menge mit Hurrah und Hüteschwenken begrüßt; vor dem Palais aber stand bis zum Opernhause und auf der andern Seite bis zur Universität eine unübersehbare Menge, Civil und Militär, aus allen Schichten der Bevölkerung. Ein zehntausenbstimmiges Hurrah ertönte, als der König gegen 9'/» Uhr vor seinem Palais anlangte; er trat ins Vestibül, kehrte aber sofort auf die Rampe zurück, verneigte sich tiefbewegt; die Worte, die er sprechen zu wollen schien, wurden von mächtigen Hurrahs über ¬ tönt. „Heil dir im Siegerkranz" wurde angestimmt und ertönte im tausendstimmigem Chor über den Platz, der noch lange dichtgefüllt blieb. In allen Straßen, welche der König passirte, war geflaggt, viele Häuser sind, wie auch sonst in der Stadt, illuminirt. — Wie sehr der König sich noch der Friedenshoff nung hingegeben hatte, ersehen wir aus folgendem Artikel der Correspondance de Berlin vom 16. d. M.: Er erfuhr die französische Kriegserklärung erst bei seiner Ankunft aus dem hiesigen Bahnhofe. Der Staatssecretär v. Thiele überreichte sie dem Grafen Bismarck, und dieser dem Könige, welcher in diesem Augenblicke den Kronprinzen, die General« v. Roon und v. Moltke und die Minister in seiner Umgebung hatte. Mit großer Ruhe vernahm der König den Inhalt de« Expose von Ollivier, als er aber au die Stelle der Lüge kam, daß Frankreich den von Preu ßen angebotenen Krieg annehme und die Verantwortlichkeit dafür ihm zuweise, machte sich beim König« eine tiefe Be wegung über diesen öffentlichen Betrug wahrnehmbar. ES war eine ergreifende Scene, als der König seinem Erben die Hand reichte, dieser sie an die Lippen drückte und König Wilhelm den Kronprinzen an sein Herz preßte. Die Um gebung war tief bewegt. — AuS WandSbeck vom 11. Juli wird dem Kieler Cor- respondenteii berichtet: „Peinliches Aufsehen erregte die am Freitag erfolgte Verhaftung de« Pastors Ludwig von Altrahlstedt. In einem geschlossenen Wagen, begleitet vom Vogt und escortirt von einem Gensdarmen, wurde der Ge fangene nach Altona gebracht und dem Kreisgericht überge ben. Die ihm zur Last gelegten Verbrechen entziehen sich der Oeffentlichkeit."