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Extra-Beilage zu X. Nr. 164 der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 17. Juli 1870. >- Leipzig, 17. Juli. Von kriegerischen Operationen ist noch rechts zu melden. Die gestern mehrfach verbreiteten Mächte von einem Einfalle der Franzosen in BÄden, auch wol in Belgien, sind bisjetzt nicht bestätigt. Als besonders wichtig erscheint in den nachstehen den Mittheilungcn der Bericht über den Gesetzgeben den Körper, auS welchem ziemlich deutlich hervorgeht, daß die französische Regierung diplomati sche Aktenstücke gefälscht hat, um die Kammern und das Land in den Krieg zu treiben. * Berlin, 16. Juli abends. Die Führer der Mit telparteien (Freiconservativen und National-Libe ralen) gedenken nach Zusammentritt des Reichstags einen Antrag auf Erlaß einer Adresse an den Kö nig einzubringen. Die Führer der Freiconservativen ha ben ihre FractionSmitglieder per Telegraph eingela den, zu Montag hier einzutresfen, um vor Zusam mentritt des Reichstags Berathungen abzuhalten. Auch die Mitglieder anderer Fractionen treffen früher hier ein. * Löln, 16. Juli. Die Kölnische Zeitung bringt einen Leitartikel, in welchem sich die ganze patrio tische Gesinnung des Nheinlandes widerspie gelt: „Auf für den deutschen Rhein." „Wenn je ein Krieg", heißt es, „ruchlos mit allen Listen hcraufbe- schworen, so ist es Vieser. Der Neffe Napoleon'S will seinen wankenden Thron mit Blut kitten." Die Köl nische Zeitung constatirt, daß Köln niemals einen so erhebenden Patriotismus an den Tag gelegt wie jetzt, wo der frevelhafte Friedensbruch Frankreichs alles mit tiefstem Unwillen und Haß beseelt. "-Flensburg, 15. Juli abends. Heute wurde im Tivolitheater die Nachricht von der Kriegserklä rung Frankreichs an Preußen verlesen. Das zahl reich anwesende Publikum brach hierauf in enthusia stische Hochrufe aus Se. Maj. den König aus. üicl, 15. Juli. Die Indienststellung der Schraubencorvetten Elisabeth und Vineta hat heute begonnen; 1000 Marincmannschaften sind ein- bcrufen. Der Marinestationschef Oberst Rhode mit mehrern höher» Offizieren sind nach Berlin berufen und dahin abgereist. (Hamb. Nachr.) "-Schwerin, 16. Juli, vormittags. Das hiesige Regierungsblatt veröffentlicht eine Bekanntmachung des Ministeriums, in welcher den OrtSobrigkeiten in > Erinnerung gebracht wird, daß den Requisitionen der Militärbehörden für den Fall der Mobilmachung in beschleunigter Weise Folge zu leisten ist. "-Hamburg, 15. Juli. Die hiesige Handels kammer erläßt folgende Bekanntmachung: Der Handelskammer ist von hohem Senat eine Mitthei- !ung des Bundeskanzleramtes (Berlin, 14. Juli) zugestellt worden, der zufolge, nachdem die zuverlässige Nachricht ein gegangen ist, daß die französische Panzerflotte ausgerüstet werde, die diplomatischen Vertreter des Bundes in den Uferstaaten des Atlantischen und Mittelländischen Meeres sosort beauftragt find, die Führer der in den Häfen dieser Länder befindlichen deutschen Schiffe durch die Consuln war ten zu lassen. Hamburg, 15. Juli 1870. Die Handelskammer. "-Hamburg, 16. Juli, morgens. Die gesammte siesige Bevölkerung nahm die Nachricht über die Kriegserklärung mit stürmischem Euthusiiasmus ins. In allen Gesellschaften und Kreisen herrscht die größte Begeisterung, die höchste Bereitwilligkeit, Gut md Blut für die nationale Sache einzusetzen. * Hamburg, 16. Juli nachmittags. Die hiesige Zörsen-Halle schreibt: „Ein Zug patriotischer Begei- erung geht durch die Deutschen aller Parteien und chart die verschiedenen Stämme deutscher Nation von er Nordsee bis zn den Alpen um die Fahne Preu- ens. Jeder Parleistandpunkt zwischen Nord- und Süddeutschland hat aufgehört; allgemein ist die Opfer- ülligkeit für Wahrung der nationalen Ehre, die der cche Landeöfeind in Ler Person des Bundesoberhaup ts Verletzt hat; aber wie in den Jahren 1813—15 »ll der Feind erfahren, daß der von ihm übermllthig eraufbeschworene Krieg ein Kreuzzug, ein heiliger rieg ist." " Hamburg, 15. Juli. Die Antwort des Kö- igs an die Handelskammer von Hamburg lau- t: „Mit bewegtem Herzen empfing ich soeben das elegramm der Handelskammer vom heutigen Tage, iemand mehr als , ich, der das entscheidende Wort rechen mußte, kennt die Opfer, die in nächster Zeit m gesammten Vaterlandc bevorstehen; aber die Hin - " , bung, welche die Handelskammer ausspricht, da, wo eö die Ehre Deutschlands gilt, jedes Opfer freudig bringen zu wollen, ist erhebend und beruhigend für mich. An Gottes Segen ist alles gelegen. Wilhelm." "-Lübeck, 16. Juli nachmittags. Die Handels kammer legte heute auf der Börse eine Adresse an den König von Preußen aus, in der Opferbercitwil- ligkeit für Wahrung der Ehre des Vaterlandes aus gesprochen wird. Sofort bedeckten zahlreiche Unter- sckristen die Adresse. "München, 16. Juli abends. Der Befehl zur Mobilisirung der bairischen Armee ist vom König heute erlassen worden. "-Darmstadt, 16. Juli. Die amtliche Darm städter Zeitung enthält an der Spitze des Blattes einen Artikel, welcher das Gebaren Napoleon'S verurtheilt, der das geschädigte Ansehen einer Dynastie durch äußere Erfolge auffrischen will; er versuchte sich die Vormundschaft über die Völker Europas anzu maßen, und Deutschland zuerst eine Demüthigung zu bereiten; ernst und energisch zurückgewiescn, wirft er in frevelndem Uebermuth Deutschland den Fehdehand schuh hin. Deutschland suchte nicht den Krieg. Das Oberhaupt des Bundes zeigte die friedlichste Gesinnung, die größte Langmuth. Heute ist jeder Deutsche zum schwersten Opfer bereit. Deutschland kann getrost den Krieg aufnehmen und unter Preußens Führung ver trauensvoll dem Kampfe entgegengehen, denn seine Sache ist eine gerechte, ihr wird der Schutz des Himmels nicht fehlen. "Bern, 15. Juli. Der Bundcsrath kündigt heute in der Bundesversammlung an, daß er angesichts des ConflictS zwischen Frankreich und Preußen demnächst Vollmacht fordern werde, um die nöthigen Maßregeln für die Aufrechthaltung der Unabhängigkeit der Schweiz zu treffen. * London, 16. Juli morgens. Die gesammte englische Presse macht Frankreich für den Aus bruch des Kriegs verantwortlich. Die Times schreibt: „Kaiser Napoleon hat das allerschwerste Verbrechen begangen, indem er allein absichtlich einen ungerechten Krieg hervorrief. Preußen darf die allgemeinsten Sympathien erwarten." Die Journale befürworten die Neutralität Englands. "-Glasgow, 16. Juli. An den norddeutschen Bundeskanzler Grafen Bismarck ist von dem hie sigen Deutschen Verein ein Telegramm abgegan gen, welches ihm den Beifall desselben und die Sym pathie mit der männlichen Haltung der preußischen Negierung sowie dessen Begeisterung für die deutsche Sache ausdrückt. * Antwerpen, 15. Juli abends. Die würdige Hal tung des Königs von Preußen hat ihm hier alle Her zen gewonnen. Der Enthusiasmus für Preußen ist in allen Schichten der Bevölkerung gleich groß. Gestern Abend zogen Haufen von Arbeitern mit dem Rufe „Hoch lebe König Wilhelm! Weg mit Napo leon!" durch die Stadt. "-Haag, 16. Juli Nachmittags. Es bestätigt sich, daß Truppen einberufen werden, um die Neutralität aufrecht zu erhalten. — Die Zweite Kammer wird binnen kürzester Zeit zusammentreten, um einen Credit zu bewilligen. * Pctersburg, 14. Juli. Die Russische Tclegra- phenagentur bestätigt auf Grundlage der von ihrem Correspondenten an der russisch-chinesischen Grenze eingetroffenen Nachrichten die Meldung der Morning Post über die in China verübten Greuelthaten. Hiernach wurde das Haus des französischen Consuls sowie Haus und Lazareth der Barmherzigen Schwe stern in Brand gesteckt. " -Bukarest, 16. Juli. In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer beantwortete der Minister präsident eine Interpellation bezüglich der Haltung Rumäniens im Falle eines Kriegs dahin, daß Ru mänien Neutralität auf Grund der Verträge beob achten werde. Die Kammer ging hierauf zur Tages ordnung über. " -Washington, 15. Juli. Eine Botschaft des Präsidenten an den Congreß lenkt die Aufmerksam keit der Congreßmitglieder auf den bevorstehenden Krieg in Europa und betont die Nothwendigkeit einer Veränderung der Gesetzgebung, um die Ver größerung der amerikanischen Handelsflotte zu ermög lichen. Der Präsident schlägt vor, es solle den Bürgern der Vereinigten Staaten die Möglichkeit geboten werben, im Auslande gebaute Schiffe anzukaufen. Ferner macht der Präsident ans den Uebelstand aufmerksam, der entstehen würde, wenn die Hamburger und bremer Postdampfer genöthigt wären, ihren Dienst cinzustellen, und er schlägt vor, der Congreß möge sich nicht eher vertagen, bis Vorkehrungen hiergegen getroffen seien. Deutschland. Der Preußische StaatS-Anzeiger vom 16. Juli abends enthält folgende Mittheilung über eine Unter redung Gramont's mit dem nordeutschen Bun- deögesandten in Paris: Nachdem die Negierung des Kaiser« Napoleon öffentlich und amtlich sich für den Krieg erklärt hat, liegt in dem Wunsche, etwa noch mögliche Verhandlungen über den Frie den nicht zu erschweren, kein Moiiv mehr, über den vollen Umfang der von gedachter Regierung an uns gestellten For derungen zu schweigen. Der nachfolgende wortgetreu wie dergegebene Abschnitt eines Berichts des norddeutschen Bot schafters in Paris wird geeignet sein, die« zur Anschauung zu bringen. Der Botschafter sagt über eine Unterredung mit dem Herzog v. Gramont, nachdem er zunächst bereit» Bekanntes gemeldet, Folgendes: „Der Herzog ö. Gramont fügte hinzu, er sehe die Ent sagung de» Prinzen von Hohenzollern auf den spanischen Thron als Nebensache an, denn die französische Negierung hätte doch niemals seine Thronbesteigung zugelassen; aber er fürchte, daß an» unserm Verfahren eine bleibende Ver stimmung zwischen unsern beiden Ländern fortbauern würde. Der Keim dazu müsse vertilgt werden, und er ginge dabei von dem Gesichtspunkte aus, daß wir in unserm Verfahren gegen Frankreich kein freundliche« Proc(de beobachtet, wie dies auch seines Wissens von allen Großmächten anerkannt würde. Er möchte, aufrichtig gesagt, keinen Krieg, sondern freundliche und gute Beziehungen mit Preußen, und von mir wisse er, daß ich nach demselben Ziele trachte; wir müßten daher zusammen überlegen, ob es ein Mittel gebe, hierin eine befriedigende Einwirkung auszuüben, und er stelle meiner Erwägung anheim, ob dazu nicht ein Brief des König» an den Kaiser der richtige Ausweg wäre. Er appellire dabei an das ritterliche Herz Ew. königl. Maj., welches dabei gewiß die richtige Eingebung verleihen würde. ES könnte darin mir gesagt werden, daß Ew. königl. Maj., indem allerhöchstste den Prinzen Leopold von Hohen zollern zur Annahme der Krone Spaniens ermächtigt hätten, nicht hätten glauben können, weder den Interessen noch der Würde der französischen Nation zu nahe zu treten; der König schlösse sich der Entsagung des Prinzen von Hohenzollern an, und zwar mit dem Wunsche und der Hoffnung, daß jeder Grund de« Zwiespalts zwischen unsern beiden Regie rungen nunmehr verschwunden fein würde. Solche und ähnliche Worte, die im allgemeinen durch Publicität zur Beschwichtigung der allgemeinen Volksstimmung beitragen könnten, dürfte dieser Brief enthalten; doch möchte er be- vorworten, daß von den verwandtschaftlichen Beziehungen zum Kaiser nicht die Rede sei. Diese« Argument verletze hier eigenthümlicher Weise. Ich habe dem Herzog v. Gramont bemerkt, daß ein sol cher Schritt ungemein durch seine am 6. d. M. in der Be- putirtenkammer gegebene Erklärung erschwert würde; e« kämen da Andeutungen vor, die Ew. königl. Maj. hätten tief beleidigen müssen. Er wollte das bestreiten, hob her vor, daß Preußen gar nicht darin genannt und seine Rede zur Beruhigung der aufgeregten Kammer damals dringend nothwendig gewesen wäre. Unterdessen kam der Justiz minister, Hr. Ollivier, zu unserer Unterredung, über die ihn der Herzog v. Gramont in Kenntniß setzte. Hr. Ollivier hob dringend die heilsame und im Interesse des Frieden« nothwendige Wirkung hervor und bat mich inständigst, den Gedanken eine« loschen Briefs Ew. königl. Maj. gegenüber auszusprechen. Beide sagten, wenn ich es nicht glaubte übernehmen zu können, so würden sie sich genöthigt sehen, mit der Anregung dieser Frage den Grafen Benedetti zu beauftragen. Indem die beiden Minister hervorhoben, daß sie einen solchen Ausgleich zur Beruhigung der aufgeregten Gemüther für die ministerielle Stellung bedürften, fügten sie hinzu, daß ein solcher Brief sie berechtigen würde, bei nicht ausbleibenden Angriffen gegen Ew. königl. Maj. als Vertheidiger aufzuireten. Beide bemerkten mir schließlich, sie könnten mir nicht verhehlen, daß unser Verfahren in der hohenzollern-spanischen Angelegenheit viel mehr die fran zösische Ration aufgeregt, als den Kaiser beschäftigt habe. In unserm Gespräch ließ der Herzog v. Gramont die Bemerkung fallen, wie er glaube, daß der Prinz von Hohen zollern auf Ew.königl. Maj. Veranlassung entsagthabe; doch bestritt ich das und bezeichnete die Renuncialion als gewiß nur auf eigener Initiative des hohenzollernschen Prinzen be ruhend. .— Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung schreibt: Die „Note", deren Text Ollivier in der unten beschrie benen Sitzung nicht hat hergeben wollen (s. Frankreich), existirt in der That al« Note nicht. Das bekannte Zeitungs- telegramm, das wir auch gebracht, lautet wie folgt. (Es folgt nun das von un« in Nr. 164 Mitgetheilte.) Darauf sagt das Blatt: Dies Telegramm ist als Nachricht über die Natur der Forderungen Frankreichs und über den festen Entschluß des Königs, auf dieselben nicht einzugehen, genau mit den Worten, wie sie in den Zeitungen gestanden haben, den deutschen Regierungen und den norddeutschen Vertretern bei einigen der außerdeutschen Höfe zur Information mitgetheilt worden. Daß Hr. Ollivier diesen Text nicht hat hergeben wollen, ist wohl erklärlich, da sonst die französische Kammer die frivole Täuschung, der sie unterlegen, entdeckt haben würde. — Die Magdeburgische Zeitung schreibt: „Aus bester Quelle erhalten wir nachfolgende Notiz: «General v. Moltke hat am 13. abends im Minisierrathe in Uebercinstimmung mit dem Minister v. Roon erklärt,