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6. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 31. Januar 1987, 19.30 Uhr Sonntag, den 1. Februar 1987, 19.30 Uhr obiilbiornoomi Tomas Koutnik, CSSR Dirigent: Tsuyoshi Tsutsumi, Japan, Violoncello Solist: Jan Vaclav Hugo Vorisek 1791-1825 Sinfonie D-Dur Allegro con spirito Andante Scherzo (Allegro ma non troppo) Finale (Allegro con brio) Robert Schumann 1810-1856 Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll op. 129 Nicht zu schnell - Langsam — Sehr lebhaft PAUSE Sergej Prokofjew 1891-1953 Suite Nr. 1 aus „Romeo und Julia" op. 64 a Volkstanz Szene Madrigal Menuett Masken Romeo und Julia Tybalts Tod TOMAS KOUTNIK. 1950 in Olomouc geboren, studierte bis 1977 am Konservatorium und an der Akademie der musischen Künste in Prag die Fächer Violoncello und Dirigieren. Seine dirigentische Ausbildung vertiefte er in Dirigierkursen Igor Markevitchs und Kurt Masurs beim Internationalen Musikseminar in Weimar. 1977 ge wann er den 1. Preis und die Goldene Lyra beim Inter nationalen Dirigentenwettbewerb in Besannen, 1979 den Laureatentitel des internationalen Dirigentenwettbewer bes Katowice. 1978 wurde er Assistent des Chefdirigen ¬ ten der Tschechischen Philharmonie und Dirigent des Kammerorchesters Orchestra Puellarum Prage nsis sowie zugleich Dirigent beim Rundfunksinfonieorchester Bra tislava. Danach ging er als Dirigent an die Jandcek- Philharmonie Ostrava, die er seit 1986 als kommissari scher Chefdirigent leitet. Gastspiele führten ihn u. a in die DDR, BRD, nach Frankreich, Jugoslawien, Spa nien, Polen, Kuba und in die USA. Auch Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen machten seinen Namen be kannt. ZUR EINFÜHRUNG Ja n H ugo Vorisek gehört zu den bedeu tendsten Persönlichkeiten der tschechischen Musikgeschichte vor Smetana und Dvorak. Am 11. Mai 1791 in Vamberk in Nordostböhmen geboren, kam er bereits 1801 nach Prag. Hier absolvierte er das Gymnasium und hörte an der Universität Philosophievorlesungen. Dane ben nahm er Unterricht in Theorie, Komposition und Klavierspiel bei Vaclav Josef Tomäsek. Der damals aufkommende neue romantische Aus druck in der Musik sowie das Schaffen Beetho vens, Spohrs, Dusiks und französische Revo lutionsopern übten eine nachhaltige Wirkung auf den jungen Musiker aus. 1813 ging Vorisek nach Wien, das seine endgültige Wirkungsstät te wurde. Bei Johann Nepomuk Hummel und Ignaz Moscheies vervollkommnete er seine mu sikalische Bildung. In Wien trat Vorisek zu nächst als ausgezeichneter Pianist hervor. Dies brachte ihm die Gunst Meyerbeers und sogar Beethovens ein. Mit Beethoven, der seine Kom positionen sehr schätzte, verbanden ihn auch persönliche Beziehungen. Einfluß auf Voriseks geistige und künstlerische Entwicklung nahm ferner der Musikhistoriker Raphael Kiesewetter. Als es ihm nicht gelang, Dirigent der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde zu werden, schoß Vorisek 1822 das Rechtsstudium ab und betätigte sich in der juristischen Branche. Im selben Jahr fand ein Wettbewerb um die frei gewordene Stelle des Hoforganisten statt. Vori sek wurde Sieger von acht Bewerbern, unter denen sich auch der junge Franz Schubert be fand. Erst 34jährig, verstarb der an Lungentu berkulose erkrankte Musiker am 19. November 1825. Mannigfaltig ist das Schaffen, das dieser be merkenswerte Vertreter tschechischer Musik im Zeitalter der nationalen Wiedergeburt hinter ließ. Es umfaßt Klavier- und Kammermusik ebenso wie sinfonische Werke, Lieder und Kir chenkompositionen. Vor allem als Klavierkom ponist hat Vorisek entwicklungsgeschichtliche Bedeutung, da er als einer der ersten vor Sme tana Elemente der tschechischen Volksmusik in die Kunstmusik aufnahm. Gelegentlich gemahnt seine brillante Klaviertechnik schon an Chopin und Liszt. Erwiesen ist, daß er mit seinen Im promptus op. 7 auf die gleichnamigen Klavier kompositionen Franz Schuberts eingewirkt hat. Stilistisch gehört Vorisek zu jenen Musikern seiner Zeit, die auf klassischer Grundlage — vor allem harmonisch - schon den neuen ro mantischen Ausdruck anstrebten. Wie Schubert fußt auch der tschechische Meister auf Beetho ven, verstand es jedoch, seine persönliche Ei genart und die typisch tschechische Intonation seines Stils zu bewahren. Die Richtung seiner späteren Entwicklung sei mit dem Hinweis auf die Nähe Schuberts und Chopins angedeutet. Innerhalb der tschechischen Musikgeschichte bildete Vorisek, der wichtigste Vertreter der tschechischen Musikeremigranten in Wien, das Bindeglied zwischen der Wiener Klassik und Smetana. Die am 21. Januar 1823 vollendete Sinfonie i n D - D u r ist stilistisch und architektonisch — besonders in den Ecksätzen — Beethoven vex_- pflichtet. Das wertvolle Werk ist jedoch ke^K epigonale Äußerung, sondern weist in seinen vier ausdrucksmäßig höchst differenzierten Sät zen den Komponisten als eine durchaus eigen geprägte Persönlichkeit aus, dessen Verwurze lung in der heimatlichen tschechischen Musik tradition unverkennbar ist. Folgt der erste Satz (Allegro con brio) mit Exposition und Durch führung des thematischen Materials weitgehend klassischem Muster, so überrascht der zweite langsame Satz (Andante) durch unkonventio nellen Aufbau (u. a. Einbeziehung imitatori scher Gestaltungsmittel), durch eine fast schon romantische Gefühlsbewegtheit und Ausdrucks- geladenheit. Einen der originellsten sinfoni schen Sätze der Zeit hat Vorisek wohl mit dem d-Moll-Scherzo (Allegro ma non troppo) ge schaffen, das in düsterer Gedanklichkeit da hineilt, von einem auf Hornklang gestellten Trio unterbrochen. Das Finale (Allegro con brio) besitzt wieder klassische Sonatensatzform und beschließt das liebenswürdige Werk wir kungsvoll. Robert Schumanns aus der DüsselcUt fer Zeit stammendes, im Oktober 1850 vol^B detes Violoncellokonzert a-M öTI op. 129 gehört neben Dvoraks Konzert für das gleiche Instrument zu den schönsten des 19. Jahrhunderts. Der Form nach ist es ein zu sammenhängendes Konzertwerk, dessen drei Sätze unmittelbar ineinander übergehen. Das virtuose Element, obschon vorhanden, tritt völ lig hinter dem eigentlichen musikalischen Aus druck zurück. Das schwärmerische, auf einen elegisch-kantablen, echt romantischen Ton ge stimmte Konzert setzt das Soloinstrument in seinen besten Klangregionen ein — neue Hoff nungen, Beglückung über wiedergewonnene