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Freitag. - — Nr. 288. — 10. December 1858. Leipzig. Di« ZZ«m>g ,r- s»«t« Mit »«« Sm»u,g««tgliih n.chmiuaz« für »cn folgendtu Tag. Preis für »a« Vicrltljahr Is^ THIr.; je»« einzelne Nummer !! Ngr. DrMt AllMM KMilg. «Wahrhrit »d Recht, Freiheit »ud Gesetz!» Zu tezieden durch »Ne Pofi. tmter de« In- und Auila»»««, sowie »urch die lirptdllion in teipxlg iOuerstraße Nr. 8) Tnserlion-gcbühr für de» Naum einer Zeil« r N,». Preußens auswärtige Politik und seine Stellung zu Oesterreich. — Leipzig, 9. Dec. Dir Neubesetzung der diplomatischen Posten in Preußen läßt länger auf sich warten, als viele in wohlmeinender Ungeduld geglaubt hatten. Wir finden das begreiflich. So wenig wir einen Augen blick daran zweifeln, daß unter dem gegenwärtigen System auf die Länge nicht Hr. v. BiSmark Preußen am Bundestage vertreten kann und daß überhaupt der neue Geist, den ohne allen Zweifel der Prinz-Regent und sein Ministerium der auswärtigen Politik deS von ihnen geleiteten Staats einhauchen werden, auch neuer Organe bedarf, so sehr scheint uns doch ein zSgerndeS und wohlerwogenes Vorangchen gerade auf diesem Gebiete ge rechtfertigt. Es sind nicht die Persönlichkeiten allein, deren richtige Aus wahl die allersorgfältigste Ueberlegung erfordert; cs muß auch zuvor über die Maßregeln , und über die ganze Richtung, welche die auswärtige Politik Preußens von jetzt an nehmen soll, eine vollkommene und tieferwogene Uebcreinstimmung, einmal zwischen dem Prinz-Regenten und seinen verant wortlichen Rathgebern, und sodann zwischen beiden und ihren diplomati schen Agenten stattfinden. Und das ist kein so leichtes und raschcS Werk bei der jetzigen Weltlage und bei den eigenthümlichcn Verhältnissen Preußens. Wir wollen für heute nur Einen Punkt von vielen berühren, denjenigen, der unS in vorderster Reihe der Erwägungen zu stehen scheint, die Frage: Wie soll sich Preußen im Falle von Verwickelungen Oesterreichs mit an dern Großmächten verhalten?. Darum erscheint unS dieser Punkt so vor wiegend wichtig, weil von der Gcsammtstellung Preußens zu Oesterreich auch beider Verhältniß zueinander auf dem gemeinsamen Boden des Deut schen Bundes, somit mehr oder weniger Bestand und Wirksamkeit des Bun des selber bedingt ist. Daß daS neue preußische Cabinet seine Stellung zu Oesterreich anders auffaßt als vaS vorige, ist zu aller Patrioten aufrichtiger Freude durch die Mittheilungen und Erklärungen der Preußischen Zeitung in Betreff der »euestep Vorgängerin den Donaufürstenthümcrn (Nr. 285) bereits offenkundig geworden. Die kleinliche Schadenfreude, welche das System Manteuffel darin zu finden schien, Oesterreichs Verlegenheiten auf jenem so dornenvollen Schauplatze seiner heikeligsten diplomatischen Kämpfe durch ein völlig unmo- tivirtcS Liebäugeln mit Frankreich und Rußland zu vermehren, ist der ge genwärtigen Regierung, die nach größern und frriern Gesichtspunkten han delt, ganz gewiß völlig fremd. Sie hat ein klares Verständniß der Inter essen, um die eS sich bei jenen ewigen Scharmützeln der europäischen Di plomatie in Konstantinopel eigentlich handelt, und wird diese Interessen nicht darum verkennen oder gering achten, weil sie zunächst Oesterreich, wenn schon unbedingt auch zugleich Deutschland und Preußen selbst, angehen. Eie wird überhaupt, je entschiedener sie ist, sich nirgends und in keiner Beziehung von Oesterreich inS Schlepptau nehmen lassen, und je sicherer sie sich vor einer Wiederholung des kläglichen Schauspiels von Olmütz weiß, um so weniger Bedenken tragen, auS freiem Entschlusse Oesterreich überall da aufrichtig und energisch zu unterstützen, wo diese beiderseitigen Interessen entweder schon von Natur einS, oder doch leicht zu vereinigen sind. Gegen einen Angriff Rußlands, nicht blöS auf seine eigenen Länder, sondern auch auf jene Vorländer, welche in den natürlichen Bereich seiner Schntzherr- schaft fallen, gegen Jntriguen von der gleichen Seite zur Lähmung seines berechtigten Einflusses in Konstantinopel, oder zur Schwächung und Unter grabung der selbständigen Existenz der Pforte selbst — gegen alles dies wird Oesterreich, davon sind wir überzeugt, an dem neuen Preußen einen zuverlässigen und stets bereiten, nöthigcnfalls selber zu thätiger Hülfe be reiten Bundesgenossen finden. Nicht minder gegen Frankreich unter der glei chen Voraussetzung eroberungssüchtiger Tendenzen von dieser Seite. In dem einen wie in dem andern Falle würde gewiß auch England als dritter in diesem Bunde nicht fehlen. In allen solchen Fällen wird aber natürlich Preußen immer nach vollkommen freiem Entschlusse und unter sorgfältiger Wahrung seiner Interessen, als die jedenfalls ihm am nächsten stehenden, seine Position zu nehmen haben; es wird daher auch unter Umständen für eine derartige Hülfeleistnng seine Gegenbedingungen stellen, wie dies bei inter nationalen Allianzen von jeher Brauch gewesen ist. Nur eine nebelhafte Gefühls- oder eine unlautere Tendenzpolitik könnte sich dazu versteheg, einer Großmacht wie Preußen ein für allemal die Hände zu binden, um irgend welche Bürgschaft oder Solidarität für die Integrität eines fremden Staats zu übernehmen, sei es in der Form eines separaten Vertrags oder der Aufnahme „Gesammtösterreichs" in den Bund, oder in noch indirecterer, aber nicht minder bedenklicher Weise, durch unaufhörliche Mischung der bei derseitigen Interessen mittels einer völligen volköwirthfchaftlichen Einigung. Wenn die österreichischen Staatsmänner auf den Eintritt einer oder der andern dieser Eventualitäten unter der neuen Negierung Preußens hoffen, so machen sie, glauben wir, die Rechnung ohne den Wirth. In diesem Punkte möchten wir wenigstens entschieden den Vorschlägen widersprechen, welche ein unlängst erschienenes Schriftchen, vorgeblich im Interesse einet dauernden Verständigung der beiden deutschen Großmächte und einer da durch zu erzielenden Kräftigung Gesamintdemschlands, gemacht hat.*) Nach unserer Meinung wird Preußen am besten sowol für die richtige Stellung seiner selbst und Oesterreichs zu dem übrigen Deutschland, sowie zur Her beiführung und Erhaltung eines aufrichtigen guten Einvernehmens zwi schen den beiden Großstaaten, und also auch im Bunde, dann sorgen, wenn es durch eine ebenso entschiedene als loyale Politik der andern großen Bun- deSmacht die Thatsache zu recht klarem und zweifellosem Bewußtsein bringt, daß ein schwaches Preußen und ein schlecht geeinigtes Deutschland für Oesterreich selbst das größte Unglück, dagegen ein kräftiges und seines Ein flusses auf Deutschland sicheres Preußen sein zuverlässigster- Rückhalt und Alliirter sei. , Deutschland. Preußen, st Berlin, 8. Dec. Seit einigen Tagen curflrt das Ge rücht in unserer Hauptstadt, daß der Wirkt. Geh. Oberregierungsrath Mathis an Stelle deS Ministers Flottwell mit dem Portefeuille deS Innern würde betraut werden. Bekanntlich war Hr. Mathis ein Hauptver- trcter der in dem Preußischen Wochenblatt verfochtenen politischen Richtung und wurde schon vor Errichtung des neuen Ministeriums als einer von den Männern genannt, denen Portefeuilles zufallcn sollten. Von dem Minister Flottwell hieß es von Anfang an, daß er daS Ministerium nur auf kurze Zeit übernommen habe und daß später Hr. Mathis an seine Stelle treten werde. Der Umstand, daß diesem geistig hochbegabten Manne, der sich in hohem Grade des Vertrauens des Prjnzen von Preußen erfreut, bisjetzt noch kein hohes Amt übertragen ist, spricht dafür, daß ihyi für die Zukunft ein solches Vorbehalten ist. Anfangs hieß es, er werde als Unterstaatssccretär in das Ministerium des Innern eintreten, um später das Ministerium selbst zu übernehmen. Andere hatten ihm die Stelle im Kultusministerium zuge dacht, in Bezug auf welche man später mit dem Oberconsistorialrath v. Mühler in Unterhandlung trat, eine Unterhandlung, welche schließlich zu keinem Ziele führte, da Hr. v. Mühler eS vorzog, in seiner gegenwärtigen Stel lung zu verbleiben. Dieses Resultat ist hier etwas aufgefallen» zumal da in den officicllew Blättern der Ton darauf gelegt ist, daß Hr.. v. Mühler selbst die Verhandlungen abgebrochen habe. , - - ; , , — Die Preußische Zeitung schreibt untcrm 8. Dec.: „Der Prinz von Wales wird, wie schon gemeldet, nur noch wenige Tage am hiesigen Hofe verweilen. Derselbe will sich dann zunächst an den herzoglichen Hof von Sachsen-Koburg-Goth« zu einem kurzen Besuch begeben. Von dort setzt der Prinz die Rückreise nach London fort, wird mit. seinen Aeltern und Geschwistern daselbst daS Weihnachtsfest feiern und Anfang Januar die Reise nach Rom «»treten, wo derselbe einen mehrwöchentlichen Aufenthalt zu neh men gedenkt." — Wie der StaatS-Anzeiger mitthcilt, ist der bisherige Director der po litischen Abtheilung im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Wirkl. Geh. Legationsrath Balan, zum außerordentlichen Gesandten und bevoll mächtigten Minister am würtembergischen Hofe ernannt worden. — Wie die Neue Preußische Zeitung hört, liegt eS in der Absicht der Staatsregierung, die vielbezweifelte Befugniß der Verwaltung zur Conces- sionsentziehung auf legislativem Wege festzustellen. — Die Voß'sche Zeitung zieht heute gegen die in den verflossenen Jahren geübte Polizciwillkür bei Ertheilung von Paßkarten zu Felde. Sie sagt: „Wir verlangen die äußerste Strenge, wo es sich um verbrecherische Vor-- fälle handelt; das Gesetz muß unerschütterlich aufrecht erhalten werden zum Schutz und zur Kräftigung des gemeinsamen Staatslebens, zur Sicherstellung gegen Unbill für hoch und niedrig, für arm und reich; aber je fester hieran gehalten wird, desto mehr kann auch eine Regierung mit gutem Ge wissen eine Art der Vormundschaft eingchen lassen, durch die sie niemals günstige ErzichungSergebnisse gewonnen, hat und gewinnen würde. DaS Neujahr naht, die Negierung kann allen Staatsbürgern keine angenehmere und bessere Visitenkarte zustellen lassen als die Paßkarte." — Dem bisher in den Preußischen Staaten verbotenen, in London erschei nenden Blatt Demokrata Polski ist, wie die Posener Zeitung meldet, der Postdebit für den Umfang deS StaatS wieder gestattet worden. — Der Professor I)r. Merle d^Aubigne in Genf hat der Evangelical Alliance in England nunmehr die Anzeige gemacht, daß die nässte, sich an die berliner von 1857 anschließende große Versammlung deS Evangeli schen Bunde.S und seiner Freunde im September 1861 zu Genf startfin den werde. *) „Die Aufgaben deutscher Politik. Oesterreich und Prcrßcn" (Frankfurt a. M., Bronner).