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SERGEJ RACHMANINOW Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 44 Sergej Rachmaninow war Schü ler Silotis, Arenskis und Tane- jews am Moskauer Konserva torium. Bereits seine Abschluß arbeit, die auch von Tschai kowski gelobte Oper »Aleko« nach Puschkin, wurde ein beacht licher Erfolg. Danach entstanden viele gewichtige Werke, so u. a. zum Tode des von ihm hochge schätzten Tschaikowski das »Ele gische Trio«. Lange Jahre wirkte Rachmaninow als angesehener Operndirigent in Moskau. Wäh rend dieser Tätigkeit schloß er Freundschaft mit dem berühmten Sänger Fjodor Schaljapin. 1901 vollendete er eines seiner be rühmtesten Werke, das 2. Kla vierkonzert, 1904 die Opern »Der geizige Ritter« und »Fran cesca da Rimini«. 1917 begab Rachmaninow ins Ausland, ohne bis zu seinem Lebensende wieder in seine Heimat zurückzukehren. Als gefeierter, glänzend begabter Pianist erwarb er internationalen Ruhm in den Konzertsälen Euro pas und Amerikas. Nach mehr jährigem Aufenthalt in Deutsd^ land und Frankreich wanderte^P nach Amerika aus. Doch immer litt er schmerzvoll unter der Tren nung von seiner Heimat. »Als ich aus Rußland fortging«, bekannte er, »verlor ich den Wunsch zu schaffen. Als ich die Heimat, ver ließ, verlor ich mich selbst.« Von Heimweh verzehrt, starb Rach maninow 1943 in Kalifornien. Die 1936 abgeschlossene 3. Sin fonie a-Moll, op. 44 wurde im gleichen Jahr in Philadelphia unter Leopold Stokowski urauf geführt. Rund zwanzig Jahre nach Beendigung der 2. Sinfonie gelang Rachmaninow hier ein gül tiger Beitrag zu diesem Genre. »Die Musik eines Komponisten«, erklärte der Künstler kurz v* seinem Tode, »soll den Geist cW Landes, in dem er geboren ist, ausdrücken, seine Liebe, seinen Glauben . . . Sie soll Produkt der ganzen Summe seiner Lebenser fahrung sein . . . Ich bin ein rus sischer Komponist, die Heimat hat mein Temperament und mein Weltempfinden bestimmt.« So be gegnet uns russische Intonation auch in der 3. Sinfonie als inhalt lich bestimmend. Ihr wird jedoch eine Haltung der Menschen- und Lebensfeindlichkeit entgegenge stellt - Ergebnis der »Lebenser fahrung« des Künstlers in der modernen Welt des Kapitalis mus. Der Gegensatz zwischen Gefühlswärme und Gefühlskälte, ^hischen Ausgewogenheit und Verzerrung tritt hier nun an die Stelle der zuvor von den russi schen Klassikern übernommenen Dialektik vom Lyrischen und Dramatischen. Die beiden Wel ten sind schon im Prolog des ersten Satzes enthalten. Ein lako nischer Vorspruch im Geiste alt russischer Gesangsweisen reprä sentiert die heimatverbundene, dem Menschen zugewandte Hal tung und wird zugleich Leitmo tiv der ganzen Sinfonie. Der un vermittelt folgende dissonante Einsatz des Orchesters deutet auf jene Kräfte hin, die im wei teren Verlauf des Werkes das Menschliche, Schöne zu zersetzen suchen. Alle wesentlichen The- |Bn der Sinfonie verharren aber in der lebensbejahenden Sphäre, die zwar immer neu in Frage ge stellt wird, sich aber letztlich stets behauptet. An den dramaturgi schen Höhepunkten der Sinfonie treten meist Abwandlungen des archaischen Leitmotivs auf — Symbol der Festigkeit und der Geborgenheit. Das übliche Scherzo reduziert Rachmaninow auf die Mittelepi sode des zweien Satzes. Ihr gro tesker, skurriler Ausdruck (als Symbol des Menschenfeindlichen, Negativen, das er unter anderem mit Jazzelementen gestaltet) steht im betonten Kontrast zu den langsamen Außenteilen und be sonders zum Zauber jener unmit telbar auf das eröffnende Leitmo tiv folgenden Kantilene, welche die »unendliche Weite« des rus sischen Landes malt. Das Finale gibt sich betont fest lich und optimistisch. Daran kann auch das drohende Zitat des »Dies irae«, jenes der katho lischen Liturgie entlehnten Sym bols für Tod und Vergänglich keit, nichts ändern. Quellenangabe: Übernahme der Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Prof. Dr. habil. Die ter Hartwig Die Texte über Glinka und die 3. Sinfonie von Rachmaninow wurden den Konzertbüchern II und III, Leipzig 1973/84, entnommen.