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MICHAIL GLINKA Ouvertüre zu »Erinnerungen an eine Sommernacht in Ncadrid« Michail Iwanowitsch Glinka wurde am 20. Mai (1. Juni) 1804 im Dorf Nowospasskoje bei Je- lenja im Gouvernement Smolensk geboren. Dort lernte er die rus sische Volksmusik kennen, die ihm zu nie versiegendem Quell seines Schaffens wurde. Mit drei zehn Jahren kam er in ein Peters burger Pensionat, wo er eine viel seitige Bildung erhielt. Nebenher studierte er Violine, Klavier und Musiktheorie und trat schon früh mit Kompositionen hervor. Sei nen Beruf - er war Sekretär in der Kanzlei der Verkehrs Verwal tung Eg gab er sehr bald auf und widmete sich ganz der Musik. Zur Stärkung seiner Gesundheit, aber auch in dem Bestreben, seine Kenntnisse zu vervollständigen, machte Glinka mehrere Aus landsreisen. Von entscheidender Bedeutung für ihn als Musiker wurde es, daß er in Berlin de^ ausgezeichneten Theoretiker Siegfried Dehn kennenlernte. Bei ihm erlernte er die Beherrschung des kompositorischen Hand werks. Im Ausland, wo ihn heftiges Heimweh befallen hatte, er wachte in ihm der Wunsch, sei nem Volke eine nationale Oper zu schenken. So entstand, nicht zuletzt unter dem Eindruck, den Webers »Freischütz« auf ihn ge macht hatte, die Oper »Iwan Sus sanin«, ein Markstein in der Ge schichte der russischen Musik. Die Oper, 1836 im Petersburger Großen Theater uraufgeführt, wurde vom Adel mit Spott über häuft, aber vom fortschrittlichen demokratischen Publikum begÄ stert auf genommen. 1842 be<^P dete Glinka seine zweite Oper, »Ruslan und Ludmila« nach der gleichnamigen Dichtung von Puschkin. Mit seinem musikali schen Reichtum und seiner küh nen Harmonik stößt dieses Werk weit in die Zukunft vor. Die für das russische Kunstleben damals verantwortlichen Kreise aber hat ten kein Verständnis für die zu tiefst nationale Schöpfung. Wie der triumphierte die italienische Oper, so daß sich Glinka ganz vom Theater zurückzog. Aber er wurde nicht schaffensmüde. Eine große Anzahl von Romanzen zeigt uns Glinka auch auf diesem Gebiete als Meister. Aeine letzte Auslandsreise führte Pin 1856 noch einmal nach Ber lin, wo er wieder bei Dehn studie ren wollte, um »die gesetzliche eheliche Verbindung zwischen der westeuropäischen Fuge und dem russischen Volkslied zu errei chen«. In einem von Giacomo Meyerbeer geleiteten Hofkonzert am 21. Januar 1857 wurde das Terzett aus dem 5. Akt von »Iwan Sussanin« aufgeführt. Der Komponist wurde lebhaft ge feiert. Auf dem Nachhausewege erkältete er sich, am 3. (15.) Februar ereilte ihn der Tod. Die Beisetzung fand auf dem russisch orthodoxen Friedhof in Berlin- Tegel statt; im Mai wurde der Leichnam Glinkas nach Peters burg überführt und dort auf dem Friedhof des Alexander-Newski- Klosters in der heimatlichen Erde begraben. Der Realismus und die Volksver bundenheit, die für Glinkas Opern charakteristisch sind, fin den sich auch in seinen sinfoni schen Werken. Seine Musik wurde die erste international be deutende Leistung russischer Tonkunst im 19. Jahrhundert. Der Komponist eröffnet die Reihe der großen Persönlichkei ten, denen das Entstehen einer nationalen russischen Musik im 19. Jahrhundert zu danken ist. Auf seiner zwei Jahre währenden Reise durch Spanien, 1845-1847, studierte Glinka sorgfältig die spanischen Lieder und Tänze. Unter dem Eindruck spanischer Volksmusik schrieb er u. a. zwei Ouvertüren, »Jota aragonesa« und die »Erinnerung an eine Sommernacht in Madrid«, die am 14. April 1852 in Petersburg uraufgeführt wurde. Das Stück basiert auf echten Volksmelodien. »Zu mir kam ein gewisser Zagal, ein Maultiertreiber bei der Post«, schreibt Glinka in seinen »Auf zeichnungen«, »und sang Volks lieder, die aufzufangen und in Noten festzuhalten ich mich be mühte. Zwei Seguidillas manche- gas gefielen mir besonders und dienten mir in der Folge für die zweite spanische Ouvertüre.« Sie enthält eine Reihe einzelner Episoden, die gewissermaßen ver schiedene Bilder des Volksle bens und der Natur malen. Die Ouvertüre ist auf vier Themen aufgebaut, von denen das erste eine echte, elegante Jota ist. Ihr folgt eine Episode, die auf einer mehr fließenden und zurückhal tenden Melodie beruht. Lebens-