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Sonnabend. — Nr 254. — 30. October 1858. Leipzig. Dic Zeitusg -r scheint mit Lxiiiahme de« Sonntag« ttglich nachmittag« für d«l> folgenden Tag. Preis für da« Vierteljahr l Thlr. i jede einzelne Ütummer 2 Ngr i DMsthr Atzkmciilk Kkitiiilg. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Post ämter de« In; und Auslände«, sowie durch die Ärpedition in Leipzig (Querstraße Sir. 8». Insertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. LI Frankfurt a. M., 28. Oct. Die deutsch-dänische Angelegen heit ist wiederum in ein Stadium getreten. ES geht den vereinigten Aus schußmitgliedern nämlich wie dem Gewerbeverein. Das dänische osficielle und vertrauliche Mittheilungsmaterial fängt ihnen nachgerade an „überwäl tigend" zu werden, sodaß sie nicht allein immer wieder von neuem zu be- rathen, zu schreiben und zu drucken genöthigt sind, sondern sogar beschlos sen haben, dem Beispiele des dänischen Gesandten zu folgen und in der nächsten Bundestagssitzusig, die nach der Rückkehr dcS Hrn. v. Bismark aus Berlin stattfinden wird, um Instructionen anzufragen, wie sie weiter zu be- rathen haben. Da nun, wie verlautet, Hr. v. Bismark während seiner An wesenheit in Berlin nicht allein zu wiederholten malen längere Besprechun gen mit dem Prinz-Regenten gepflogen hat, sondern auch fortwährend ein lebhafter Depeschenwechsel in der deutsch - dänischen Angelegenheit zwischen Berlin und Wien unterhalten wird, so glaubt man, daß die preußische Re gierung jetzt .nach geregelter Regentschaftsfrage wieder thätiger in der Sache auftreten werde.,Damit ist aber vorderhand nichts weiter gefördert, als daß die Erledigung der Angelegenheit, die noch immer infolge der Beeinflussungen und BearbeitungetzMon feiten der nichtdeutschcn Großmächte in Gefahr schwebt, vor daS Forum deGMropäischen Kongresses und zwar zu Gunsten Däne marks befördert , wahrscheinlicherweise von einem ganz neuen Standpunkte auS in NDW^Axnommen werden wird, und man ist daher wenigstens zu der Hoffnung berechtigt, daß sie 1859 etwas weiter vorge schritten sein wird, als wo sie jetzt steht. Preußen. ^Serbin, 28. Oct. Wir haben die glückliche Erledi gung der Regentschaftsangelegenheit absichtlich abwarten und vorübergehen lassen wollen, bevor wir an das nothwendige Werk einer Beleuchtung ge wisser Parteiregungen gingen. Wir meinen damit zunächst die Ver dächtigungen, welche gegen die Minister in die Welt geschleudert worden find. Wir fürchten nicht, dabei für „officiöS" gehalten zu werden. Um eine Vertheidigung der Minister ist eS unS nicht zu thun und noch , viel weni ger um eine Vertheidigung ihrer Politik; nach dieser Seite hin haben wir noch ganz dieselben Anschauungen, welche wir mehr als einmal in diesen Blättern klar und unumwunden genug ausgesprochen haben. Das aber hin dert uns nicht, die Verdächtigung, von welcher wir zunächst reden wollen, für durchaus verwerflich halten zu müssen, und wir glauben, daß alle Be sonnenen uns recht geben werden, wenn wir jenen hämischen Insinuationen gegenüber zur Vorsicht und Mäßigung ermahnen und eS aussprechen, daß diese Art der Verdächtigung schwerlich geeignet sein dürfte, die neue Aera, die bei uns angebrochen ist, für unsere Institutionen und den Fortschritt des Landes überhaupt in der rechten Weise nutzbar und fruchtbringend zu machen. Die Verdächtigungen, von welchen wir reden, sind bekannt; sie sind auSgegangen von der Berliner Revue, der Filiale der Kreuzzeitung, und sie gehen darauf hinaus, daß die Minister ihre amtliche Stellung benutzt hät ten, um sich zu bereichern. So deutlich hat man dies freilich nicht ausge sprochen, daß ein gerichtliches Verfahren dagegen hätte eingeleitet werden können, aber dennoch wieder deutlich genug, daß es für jedes Kind klar ist, waS man hat sagen wollen. Und das ist nun eben der Umstand, durch wel chen das Verwerfliche der Insinuation erst recht in seiner ganzen anwidern- dcn Größe erscheint. Schon im gewöhnlichen Privatleben ist die Ehre eines ManneS keine Kleinigkeit, um wie viel weniger ist sie es Sei dem höchsten Beamten des StaatS oder vielmehr bei dem ganzen Staatsministerium ei ner epropäischen Macht. Hier handelt eS sich nicht mehr um die bloße Ehre eines Mannes oder der höchsten Beamtensphäre des Landes, sondern um einen Umstand handelt es sich, der mit dem Wohl und dem Wehe des Lan des geradezu als identisch betrachtet werden muß. Wir würden darnm auch durchaus nichts dagegen haben, wenn man eS im Besitz irgendeines Be weises klar und bestimmt ausspräche, dessen man die Minister hier in ver deckter Weise beschuldigt. Wo solche Minister, die sich dergleichen zwSchulden kommen ließen, an der Spitze des Staats ständen, da wäre die Enthüllung ja die erste und heiligste patriotische Pflicht. Aber, wohlverstanden, die größte Bestimmtheit, der Beweis in der Hand ist dazu erforderlich; die gewöhn liche Art, wie eine bekannte Sorte von frommen Leuten zu verleumden pflegt, indem man mit einem Blick zum Himmel alles und wieder auch nichts sagt und sich, indem man das Gift mischt, vor der Justiz zu salvi- ren weiß, diese Art reicht bei einer solchen Gelegenheit nicht aus, und sie ist, je. höher der Gegenstand ist, um den es sich handelt, nur um so unpatriotischer, verwerflicher, verdammlicher. Hat man einen Beweis, so trete man vor, ge^e zum Staatsanwalt und bringe die Klage an; es sind Gesetze da, und auch ohne Mini- sterverantwortlichkeitsgesetz würde der Schuldige schon zu finden und zu fas sen sein; solange man aber nur halbe Worte sagt und die vergifteten Pfeile solcher schmachvollen Verdächtigung aus dem sichern Versteck der Ano nymität abschießt, so lange wird das preußische Volk, und mit ihm auch wol die ganze Welt, ohne Zweifel der Meinung sein, daß für Ehrlichkeit und Ehrenhaftigkeit die Minister deS Preußischen Staats denn doch wyl schon a priori eine größere Gewähr geben Dürften als dieser oder jener eine Wortführer der bekannten, durch die Entlassung des vorigen Mi nisters deS Innern doppelt miövergnügtcn „patriotischen" Partei. Und WaS, so fragen wir, wird der Prinz-Regent zu all diesem nun wol sagen? Wir müßten unS sehr irren, wenn sein gerader Sinn sich nicht in ähnli cher Weise aussprechen sollte, wie wir es vorhin gethan haben. ES erscheint uns der Gedanke darum auch geradezu als lächerlich, daß wegen der von einem anonymen MiSvergnügten einer bekannten Partei in der genannten Filiale der Kreuzzeitung ausgesprochenen Verdächtigung eine weitere Mini sterveränderung bei uns eintreten könnte, und ebenso wenig vermögen wir an eine solche Eventualität infolge der in dem letzten, confiscirten, Hefte der Preußischen Jahrbücher enthaltenen Phrase zu glauben: wie die Ratten ein Schiff verließen, wenn sich dasselbe mit Wasser fülle, so hätten die Mi nister den alten Boden verlassen, nachdem derselbe unhaltbar geworden, um sich auf den Boden der Gesetzlichkeit zu begeben, resp. zu retten. Allerdings ist in Preußen unter der Amtsführung deS entlassenen Ministers deS In nern viel Betrübendes geschehen, und wenn es sich ferner um die Erwä gung des Umstandes handelt, daß das Geschehene doch unmöglich hätte ge schehen können, im großen und ganzen genommen wenigstens, wenn die übrigen, resp. jetzt im Amte gebliebenen Minister nicht ihre Zustimmung dazu gegeben hätten, so sind wir wahrlich die letzten, die sich dieser Erwä gung etwa verschließen wollen. Wir behalten eS uns, im Gegenthcil, aus drücklich vor, auf diesen Punkt, sowie auf dic ganze von dem Cabinct Manteuffel befolgte Politik überhaupt, eingehend zurückzukommen. Daß die Minister aber ihre ganze Beihülfe dazu geliehen haben, daß wir aus dem vorigen Systrm heraus und wieder auf den Boden der reinen Gesetz lichkeit gekommen sind und eine so verfassungsmäßige Erledigung der Re gentschaftsfrage erlangt haben, wie sie eben vorliegt, das wahrlich ist doch das letzte, was wir ihnen als einen Vorwurf anrechnen könnten. Wir sind im Gegentheil der Meinung, daß die Minister sich hier ein Verdienst um das Land erworben haben, und zwar um so mehr erworben haben, als eS sich hier, wie ja allbekannt ist, um einen harten Kampf handelte und der Einfluß der Gegner eben nicht klein war. Wie wir daher jene Verleum dung verwerfen, so erklären wir uns auch gegen diese doctrinäre Princi- pienreiterei, welche, obgleich sic ganz zufricdcn ist mit dem, waS die Mi nister in ner Negentschaftsfrage gethan haben, sie dennoch, wegen des Wi derspruchs mit dem frühern System, darnm persönlich tadeln und angrcifen will. Ueberhaupt erscheint unS jede starre Principienrciterei, im praktischen Staatsleben, als vom Uebel, und was Preußen insbesondere betrifft, so sind wir der Meinung, daß es hier schließlich nicht sowol auf die Minister onkommt, als vielmehr auf den Willen und die Energie dessen, der da ge bietet und herrscht. Dieser Wille und diese Energie, sie sind es, die M- die beste Garantie geben für die Zukunft Preußens; diesem Willen und die ser Energie, die sich nach keiner Seite hsn beirren läßt, dürfen wir ver trauen; Drängen und Streiten im Sinne der Ueberstürzung, von welcher Seite cS auch komme, kann nicht fördersam sein für die wohlerwogenen In teressen des Vaterlandes und des gesunden vernünftigen Fortschritts. Prak tische Besonnenheit verlangen wir, wenn das Samenkorn, welches von her Hand unsers erlauchten Prinz-Regenten jetzt gelegt wird, emporschießen und gedeihliche Früchte tragen soll für Preußen wie für Deutschland. Diese praktische Besonnenheit, verbunden mit Festigkeit und allseitiger Gewissen haftigkeit, sie haben einen größern Werth für uns als die Auswüchse dieser Partei und jener Doctrin. Was da kommen soll, eS wird doch kommen. N Serbin, 28. Oct. Wenngleich die Berufungen der HH. Camphau sen und Möller in das demnächstige Ministerium vorderhand nichts al- Gerüchte sind, da ich aus guter Quelle mittheilen kann, daß höhern OrtA Entscheidungen noch nicht getroffen sind, so scheint doch so viel festzustehcn, daß die Wahl des Prinz-Regenten auf Männer solcher Richtung fallen wird, wozu sich dann das Land nur gratuliren kann. Denn gab es auch eine Zeit in Preußen, wo Camphausen und Genossen unmöglich waren, so er freuen sie sich doch noch einer großen Popularität, schon weil mit ihnen und durch sie Preußen sich seiner bewußt zu werden anstng. Der Gegner, die dann das Ministerium des Prinz-Regenten finden wird, werden nicht wenige sein; denn wennschon die Anhänger des alten Regime moralisch ver nichtet sind, so steht ihnen doch, und besonders in den Provinzen auf dem Lande, eine beträchtliche materielle Gewalt zu Gebote. Was sie überhaupt noch zu leisten vermögen, wird sich in ihrem Einfluß auf das Landvolk bei den nächsten Wahlen deutlich Herausstellen, wogegen, was nicht zu bezwei feln steht, die städtische Bevölkerung liberalen Leuten ihre Stimme geben wird. — Die Confiscation der „Preußischen Jahrbücher" ist freilich Thatsache, jedoch wie sich alle dergleichen polizeiliche Maßregeln durch Halb heit auszeichnen — ich habe sie in öffentliche» Lokalen zerlesen vorgefunden,