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das päpstliche Departement des Aeußern wendete, und um dlc Bedeutung der von Frankreich ergriffene» militärischen Maßregeln anfragte. Bisher ist zwar noch keine Erwiderung deS päpstlichen Staatssekretärs deS Aeußern, Cardinals Antonelli, eingelangt; man verhehlt eS .sich indessen nicht, baß die eventuelle Antwort Cardinal Antonelli s aus dem Grunde kaum hier be friedigen dürfte, weil er selbst über die Bedeutung und den Zweck der neue sten militärischen Dispositionen Frankreichs von seiten des Tuileriencabinets kaum die wahren und aufrichtigen Aufschlüsse erhalten haben dürfte. — Nebst dein Statthalter der Lombardei, Varon Burger, weilt nun auch der Generalfeldzeugmeister Graf Gyulay, welcher aus Mailand eigens berufen wurde, hier, und eS erscheint die Anwesenheit dieser beiden Persönlichkeiten mit ganz besonder» Vorgänge», welche sich aufdasLombardisch-Venetia- nische Königreich und die Stellung deS Gcneralgouverneurs Erzherzogs Ferdinand Mar beziehen, im Zusammenhänge zu stehen. Die bereits wieder länger andauernde Abwesenheit deS Erzherzogs vom Sitze des Generalgou- vcrneurs ist gleichfalls diesen Vorgängen nicht fremd, welche über kurz oder lang an das Licht der Oeffentlichkeit treten müssen. Allem Anscheine nach handelt es sich hier nm gewaltige Jntriguen, welche gegen den kaiserlichen Prinzen und dessen liberales Administrationssystem gespielt werden, und wel chen voraussichtlich bald ein Ende gemacht sein wird. — Der «Zeit» schreibt man auS Wien vom 16. Oct.: „Man hat es ver sucht, in deutschen Blättern dem Erlasse, welcher die Abhaltung von wis senschaftlichen Wandcrversammlungen in Oesterreich verbietet, die Spitze abzubrechen, indem man diese Maßregel als rein finanziell darstellt. Nicht die Abhaltung solcher Versammlungen, sondern lediglich ihre kostspielige Be- wirthung auf Kosten des Staats sei verboten wordeü. Wenn der Staat in Oesterreich nur diese Restriktion gemacht hätte, so müßte man bei der Freigebigkeit, die er in ander» Beziehungen zur Schau trägt, seine Oeko- nomie immer schon als eine rücksichtslose Demonstration betrachten; aber nicht die Bewirthung auf Staatskosten, sondern die Abhaltung von gelehr ten Congresse» auf österreichischem Gebiete überhaupt ist verboten worden. Diese Maßregel wurde verfügt trotz des Unterrichtsministers Thun, gegen den eine gewisse Partei bei dieser Gelegenheit einen Trumpf ausspielte. Graf Thun hat sich in seiner Rede an den Philologcncongreß als ein zu wackerer Freund und Kenner der deutsche» Wissenschaft gezeigt, als daß ihm eine Mitschuld an der erwähnten Maßregel zugeschoben werden könnte. — Ich bin in der Lage, Ihnen zu melden, daß der Ncichsrath daS ihm zur definitiven Begutachtung vorgclegte Gemeindcgesetz dem Ministerium des. Innern nun zum vierten male zurückgeschickt hat, waö einer Vertagung der Lösung dieser Lebensfrage für die ganze Monarchie all Valencias graeeas ziemlich gleichkommt. Dem Reichrath ist das Gemeindegesetz des Frhrn. v. Bach zu freifinnig, und er verweigert einem Gesetze die Bestätigung, welches den großen Grundbesitz mit dein kleinen unter gleiche Normen stellt. Der ReichSrath will das Gemcindegesetz dazu benutzen, um die durch die Bodenentlastung und die provisorische Gemeindeordnung aufgehobenen guts- herrlichen Vorrechte wenigstens theilweise wiederherznstcllen, und deshalb verwirft er. die Vorlagen des Ministers deS Innern ungeachtet aller darin dem großen Grundbesitze gemachten Zugeständnisse. Er nennt das vom Mi nister projectirte Gemeindegesetz ein «HauS ohne festen Grund», und schickt eS ihm zvr weiter» Abänderung zurück. Im Ministerium dcö Innern be ginnt man bereits zu ermatten und scheint man nicht gesonnen, die betref fende neue Vorlage dem Reichsrathe bald wieder zugehen zu lassen. Das Laud befindet sich inzwischen in Bezug auf seine Gemeindezustände in einer- trostlosen Lage. Der durch die provisorische Gemeindeordnung aufgestellte Rechtsboden ist durch eine Unzahl von «Nachträgen» und «ergänzenden» Verordnungen völlig durchlöchert; die Bezirksämter haben bereits jeden le galen Halt verloren, die Gemeindevorstände sind alles Ansehens entkleidet, und allerorten herrscht Unsicherheit und Rathlosigkeit. Abhülfe thut drin gend noch trotz der Gleichgültigkeit, mit welcher der ReichSrath ein uner träglich gewordenes Provisorium fortwuchern läßt. Sollte er in seinem bis herigen Widerstande beharren, so werden die Klagen des Landes empor- dringcn bis zum Ohre des Monarchen, und ein kaiserlicher Machtspruch wird gesetzgeberisch entscheiden." Italien. Sardinien. Man meldet der Ocstcrreichischen Korrespondenz auS Turin vom 16. Oct.: „Der Kammerpräsident Cadorna soll das Porte feuille deS öffentlichen Unterrichts angenommen haben, Lanza Finanzmi nister bleiben, Graf Cavour Minister des Innern. — Der Gesandte zu Paris, Hr. v. Villamarina, und der zu London, Marquis d'Azeglio, be finden sich hier und conferiren mit dem Grafen Cavour. — Das Appella- lionSgericht in Saffari hat einen englischen Schiffskapitän, welcher einen königlichen Zollbrigadicr eine Nacht hindurch am Bord festhiclt, zu einjährigem Kerker verurthcilt." Kirchenstaat. Dem Univers wird, ganz im Sinne dieses ultramon- tanen Blatts par excvllvnev, auS Rom geschrieben: „Der kleine Mor tara ist in Rom im Hause der Katechumenen, wo er auf Kosten der Kirche erzogen werden soll, bis sein Verstand genug entwickelt ist, um die Größe der empfangenen Wohlthat zu erkennen und den Einflüsterungen der Feinde des wahre» Glaubens zu widerstehen. Der Heilige Vater hat ge wollt, daß der Vater des Kindes von seinem jetzigen Aufenthalt in Kennt- niß gesetzt werde, und hat ihm gestattet, seinen Sohn zu besuchen, unter der Bedingung, ihn nicht zu mishandeln und nichts gegen seine aufkeimen- dcn Uebcrzeugungen zu unternehmen. Der Lärm, welcher von der jüdischen, ketzerische» und ungläubigen Presse über diese Angelegenheit gemacht wor ¬ den ist, wundert unS nicht. Wir begreifen, daß Schriftsteller, welche kaum an Gott glaube» und den ganze» Haushalt des Christenihumö leugnen, sich gegen das heilige Recht der Kirche auslehnen, gegen die Achtung und den Schutz, womit sie cs als ihre Pflicht ansieht, denjenigen zu umgeben, der in Jesu Christo getauft ist und darum Jesum Christum angezoge» hat. Ihre Deklamationen sind ein Beweis für ihre gänzliche Unwissenheit in reli giösen Sachen und die Dicke der Finsterniß, welche ihren Verstand umgibt. Sic lieben die Finsterniß; der Tag macht ihnen Furcht. Die Kirche küm mert sich nicht um den Lärm; das Schimpfen der Blätter rührt sic nicht, und sie würde sclbst dem Drängen der Negierungen widerstehen. llebrigcnS hat sic nichts zu befürchten. Keine derselben wird vom Papste verlangen, die seit undenklicher Zeit in seinen Staaten bestehenden Gesetze zu verändern, weil einige Juden, Ketzer und Philosophen es verlangen. Die katholischen Negierungen wisse», daß daS Haupt der Kirche und nicht der Journalis mus von Gott das Recht erhalten hat, über die Gerechtigkeit oder Unge rechtigkeit der menschlichen Gesetze zu entscheide», und die nichtkatholischen Negierungen wissen sehr wohl, daß sie nichts an den Gesetzen eines freien und unabhängigen StaatS zu ändern haben. Komme» wir aus den junge» Mortara zurück; er befindet sich äußerst wohl, wird mit viel Sanftmuth und Sorgfalt behandelt und betet inbrünstig für die Bekehrung seiner Ael- tern. Gewiß, wir sind fern davon, unsere Sympathie einem Vater zu versagen, welchem daS gerechte und unverletzliche Gesetz der heiligen Kirche für den Augenblick seines SohneS beraubt; er hat aber mit eigenen Augen die Ueberzeugung vom Wohlergehen desselben erlangen können. Die Kirche wird ihm sein Kind als guten Christen, als zärtlichen, rechtschaffenen und unterrichteten Sohn zurückgcben. Wenn Hr. Mortara in einem Lande ge lebt hätte, wo die Militärpslichtigkeit besteht, so würde man ihm seinen Sohn ei» wenig später, im Augenblick, wo er ihm nützlich werden konnte, genommen und vielleicht nicht wicdergcgeben haben." Portugal. Aus Lissabon wird der Schluß der Kammern gemeldet. Das Jour nal Opiniao meldet, daß sich die Gerichte mit der Angelegenheit hinsichtlich der Beschlagnahme des Charles Georges beschäftigen werden. — Aus Paris vom 16. Oct. wird der «Zeit» geschrieben: „DaS Tagcö- creigniß ist das Eintreffen zweier englischen Schiffe im Tajo, des Li nienschiffs Victor» von 101 und der Korvette Racooii von 22 Kanonen. Die neuesten londoner Blätter, der Mormng Advertiser mzd Daily News, sprechen sich mit großer Entrüstung über die Passivität des britischen Ca- binets aus und machen cs für einen etwaigen Sieg des französischen Kaisers verantwortlich; selbst in dem Fall, daß die Differenz durch eine Vermitte lung beigelegt werden sollte, befürchten sie einen Triumph deS Sklaverei- princips, durch welchen daS europäische StaatSrecht untergraben würde. Jetzt liegen ein paar britische Kriegsschiffe angesichts der Hauptstaot eines Landes, wo England bisher jeden andern Einfluß niedergehalten hatte und wo es als der erste und zuverlässigste Alliirte galt." Frankreich. Paris, 17 Oct, Die Entrüstung, welche das Benehmen Frankreichs Portugal gegenüber in Europa hervorgerufen, und einige Bemerkungen der Vertreter fremder Mächte, welche mit wahrscheinlich absichtlicher Unvor sichtigkeit ausgesprochen wurden und sehr hoch emporgedrungen sein sollen, machen die französische Negierung, wie mir von glaubwürdiger Seite versichert wird, über den Eifer und über die Hast, mit welchen sie gegen die be freundete Kleinmacht Portugal vorgegauge», ein wenig stutzen: man fängt an ciuzusehcn, daß man sich übereilt hat und daß man in einer Anwande- lung von Heftigkeit ganz aus der Nolle des Nationalitätenmessias gefallen sei, und daß die vielgerühmte Protcctionspolitik arg bloßgestellt wurde. Man hört in hohen Sphären versichern, daß der Kaiser, beschäftigt mit Einübung der Truppen zu ChalonS, nur oberflächliche Kenntniß von dcn Vorfällen erlangte, die sich während seiner Abwesenheit ereignet. Graf Walewski hatte dem Monarchen nur unvollständige Andeutungen über das Beschlossene und Augeordnetc gegeben und auf eigene Faust die Kriegsschiffe Austerlitz und Donauwörth unter dem Kommando des Con- treadmirals Laroud in den Tajo, scharfe Noten und scharfe Erklärungen nach Lissabon geschickt. Der Kaiser, sagt man ferner, misbittige diese ebenso unnütze als zur Unzeit angewendele Heftigkeit und Energie gegen ein Volk, das nichts weniger als unpopulär in Frankreich ist. Es wird hinzugcsctzi, daß infolge unzweideutiger Aeußcrungcn dcs Kaisers eine versöhnlichere Stimmung gegen die Negierung Dom Pedro'S vorwaltend und die friedliche Ausgleichung dcö Charles Georges-Streits um so wahrscheinlicher geworden sei. Bei so bewandten Umständen ist es erklärlich, daß man diese Verwicke lung als eine gelöste ansieht, und daß man aufhört, derselben eine beson dere Wichtigkeit beizulegen. — Die Angelegenheit Mortara fährt fort die öffentliche Meinung zu beschäftigen, wozu der Univerö und Konsorten weit mehr beitragen als die Organe dcs Rechts und der Gesetzlichkeit, welche die Verfügung der Aeltern über ihre unmündigen Kinder und folglich eine Sache vertreten, die jeder Bürger unserS Jahrhunderts ganz natürlich findet. Der Univers verthcidigt aber nicht nur dcn Kinderraub durch die päpstliche Behörde, sondern macht Ausfälle gegen die Gegner der Ausführung des kanonischen Gesetzes, verletzt und erbittert das gerade unbefangene Urtheil und reizt den gesunden Menschenverstand zum Fanatismus. DaS pariser Dürgerthum zeigt sich empört über die MiSachtung der Familie und fast noch mehr über die Vertheidiger derselben. — AuS Paris vom 16. Ocr. wird der National-Zcitung geschrieben: „ES ist nicht richtig, daß in den letzten Tagen die französische Regierung eine