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Montag, den 27. März 1978, 19.30 Uhr, im Festsaal des Kulturpalastes Dresden Konzert der Qresdner Philharmonie Helena Cervenkovä, CSSR, Zymbal SoIistI/]' Gontscho Gon »v .,—Drosdon / VR BulgoAee Violine- Dirigent: Herbert Kegel PROGRAMM Boris Blacher Concertante Musik für Orch. op.10 -Feh« -Mendelssohn Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 6<l. ■ Bartholdy Allegro moUe-e-ppoosionoto •4 809-"IM? Andante— Ivo Jirasek ) Leofe Janacek) ■Allegro molto uivnre Zymbal-Soli PAUSE Rodion Schtschedrin geb. 1932 Orchesterscherze Allegro ossai Epilog (quasi improvisazione), Tempo precedente Zoltän Kodäly 1882-1967 Häry-Jänos-Suite Vorspiel: Das Märchen beginnt Wiener Spielwerk Lied Schlacht und Niederlage Napoleons Intermezzo Einzug des kaiserlichen Hofes Gantscho Ganev wurde 1942 in Samokow (Bulgarien) geboren. Bereits als 5jährigef erhielt er erste Ausbildung im Violinspiel bei Christo Erasti in Plovdiv, später an der Musikschule in Plovdiv bei Elena Dojkowa. 1962—1966 studierte er an der Hochschule für Musik in Sofia bei Prof. W. Awramow und vervoll kommnete sein Können in den Internationalen Musikseminaren in Weimar (1966 bei M. Waimann, 1970 bei A. Gertler). 1966—1970 wirkte er in der Plovdiver Philharmonie, 1971—1976 im Kammerorchester Sofia, seitdem ist er als 1. Kon zertmeister der Dresdner Philharmonie tätig. ZUR EINFÜHRUNG Eines der bekanntesten und meistgespielten Violinkonzerte überhaupt ist neben den berühmten Konzerten von Beethoven, Brahms und Tschaikowski das Konzert für Violine und Orchester e-Moll, op. 64 von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Das Werk — übrigens wie die Schöpfungen der eben genannten Meister auch Men delssohns einziger Beitrag zu dieser Gattung — entstand in seiner endgültigen Gestalt im Sommer 1844 in Bad Soden, wo der Komponist im Kreise seiner Fa milie heitere, ungetrübte Ferientage verlebte; erste Entwürfe dazu stammen jedoch bereits aus dem Jahre 1838. Am 13. März 1845 wurde das Violinkonzert im Leipziger Gewandhaus unter der Leitung des dänischen Komponisten Niels W. Gade durch den Geiger Ferdinand David uraufgeführt, für den es geschrie ben worden war. Nach der erfolgreichen Uraufführung schrieb David an den ihm befreundeten Komponisten einen begeisterten Brief, in dem es unter an derem über das Werk hieß: „Es erfüllt aber auch alle Ansprüche, die an ein Konzertstück zu machen sind, im höchsten Grade, und die Violinspieler können Dir nicht dankbar genug sein für diese Gabe". Bis heute hat sich dieses Urteil nicht geändert; vereinigt das unverblaßt gebliebene Konzert, das sich vor allem durch seine harmonische Verbindung von Virtuosität und Kantabilität auszeich net, doch auch wirklich in schönster Weise alle Vorzüge der Schaffensnatur seines Schöpfers: formale Ausgewogenheit, gedankliche Anmut und jugend liche Frische. Ohne Einleitungstutti beginnt der schwungvolle erste Satz mit dem vom Solisten vorgetragenen gesanglichen Hauptthema von echt violinmäßiger Prägung. Ne ben diesem Thema werden im Verlaufe des von blühender romantischer Poesie erfüllten Satzes noch ein ebenfalls sehr kantabler Seitengedanke und ein lied haftes, ruhiges zweites Thema bedeutsam, das zuerst durch die Bläser über einen Orgelpunkt des Soloinstrumentes erklingt und dann von diesem aufge griffen und weitergeführt wird. Wie eines der Mendelssohnschen „Lieder ohne Worte" mutet der durch einen liegenbleibenden Ton des Fagotts angeschlossene dreiteilige Mittelsatz an, ein Andante in wiegendem 6/8-Takt. Echt romantischer Elfenzauber wird schließlich im geistsprühenden, prickelnden Finale, das in sei nem Charakter der kurz vorher vollendeten „Sommernachtstraum"-Musik des Komponisten nahesteht, in überaus poetischer, stimmungsvoller Weise herauf beschworen. In festlichem Glanz beendet dieser besonders virtuose, dabei musi kalisch ebenfalls substanzreiche Satz das Werk. Rodion Schtschedrin (Jahrgang 1932) beendete 1955 das Moskauer Konserva torium in den Fächern Komposition bei J. Schaporin und Klavier bei J. Flijer. Er ist einer der profiliertesten Vertreter der mittleren sowjetischen Komponisten- Generation und ein ausgezeichneter Pianist. Zu seinen bedeutendsten Werken gehören u. a. die Ballette „Das bucklige Pferdchen", „Carmen-Suite" und „Anna Karenina", die Oper „Nicht nur Liebe" sowie zwei Sinfonien und drei Klavierkonzerte. 1972 wurde ihm der Staatspreis der UdSSR verliehen. Die Folklore hat einen nachhaltigen Einfluß auf sein Schaffen. „Zu den Arten von Musik, die mir besonders nahesteht, gehört das Volkslied", sagte er in einem Interview, „ich liebe es, vor allem dann, wenn ich es nicht ganz aus der Nähe höre, sondern wenn es z. B. von weit her zu mir herüberklingt. Dazu kommt die Atmosphäre von Wald, Luft, Wiese, und das gibt dieser Musik den Hauch von Natürlichkeit, den ich so liebe. Man kann dabei eine merkwürdige Erscheinung feststellen, daß nämlich ein und dasselbe Lied, von verschiedenen Orten aus aufgefangen, ganz unterschiedliche Eigenschaften aufweist. Man kann das etwa mit bestimmten kontrapunktischen Schichtungen oder auch mit dem Prinzip der Aleatorik vergleichen." Immer wieder begegnen wir in den Werken Schtschedrins den Tschastuschki, das sind weiverbreitete russische Scherzlieder und -tänze, die gesungen und gespielt werden, etwa vergleichbar unseren Schnadahüpfeln. Wir finden sie im Finale des 1. Klavierkonzertes, als mehr lyrisch betontes Liedthema im Varia tionssatz der 1. Sinfonie, als Gesangsnummer in der Oper „Nicht nur Liebe" und und als selbständiges Orchesterstück „Osornye tschastuschki", wörtlich: aus gelassene, freche Tschastuschki, frei übersetzt: „Orchesterscherze". Das meisterhaft instrumentierte, knapp geformte, virtuose Werk besteht eigent lich nur aus einem Hauptabschnitt, Allegro assai, in dem in. bunter Folge Tanz melodien auftauchen und wieder verschwinden. Angehängt ist ein Epilog, Tempo precendente — „quasi improvisazione" ist in der Partitur vermerkt. Im frei improvisierten Spiel des Orchesters werden volkstümliche Musizierpraktiken lebendig. Zündenden Abschluß des heutigen Konzerts bildet die längst volkstümlich ge wordene Suite aus dem Singspiel „Hary Jänos" des ungarischen Meisters Zoltän Kodäly, die auch als Schallplattenproduktion der Dresdner Philharmonie unter Leitung Carl von Garagulys bei Eterna vorliegt. Kodälys erstes Singspiel entstand 1925/26 und wurde am 16. Oktober 1926 in Budapest uraufgeführt, über den Helden dieses Bühnenwerkes, Hary Jänos, eine historische Figur aus