Volltext Seite (XML)
1844 leicht schon morgen Abend, wo nicht aber mit Bestimmtheit im Lauf dieser Woche zu erwarten." — Die Kölnische Zeitung sagt in einem Leitartikel über politische Amnestie: „ES gibt einen schwer wiegenden Grund, weshalb, wenn nicht der Staat, so doch die Menschen im Staat die politischen Verbrechen der Vergangenheit leichter in Anschlag bringen. Gefährlichkeit ist Ingredienz einer jeden strafbaren Handlung, und größere oder geringere Tragweite der Gefahr ein entscheidender Maßstab bei der StrafauSmeffung. Nun wird aber durch den ruhigen Fortbestand der' angegriffenen Staatsordnung mit jedem Jahre sozusagen die Gefährlichkeit des verbrecherischen Angriffs ge mindert. Das UnanSreichendc, vielleicht Kindische des damaligen Attentat-, die Widerstandsfähigkeit und Lebenskraft der bedrohten Institutionen offen baren sich von Tag zu Tag mehr und mehr, und der Staat folgt nur ei nem natürlichen Gefühle seiner Staatsbürger, wenn er die so bewiesen« Ohnmacht deS Verbrechens, daS in den Kerker führte, auf die Strafe Mit wirken' läßt, indem er sie abkürzt. Wann in einem einzelnen Staate der Moment eingetreten ist, wo diese Gesichtspunkte nicht ohne Unrecht, auf je den Fall nicht ohne Unheil abgewiesen werden können, daS muß die allge meine politische Lage im Staat entscheiden; aber wir müßten uns sehr täu schen, wenn irgendein deutscher Staat den Sünden und Irrungen von 1848 gegenüber jenes Ziel nicht schon erreicht hätte, und auf jeden Fall wäre daS Land zu bedauern, welches von dem letzten Decennium keine bessern Früchte gezogen. Unsere Gründe für eine Amnestie, ein Vergessen, da, wo man biS- jetzt noch strafend eingedenk ist, beruhen nicht auf einer sentimentalen Be- mitleidung politischer Märtyrer und Opfer. Um cs ganz grob zu sägen: wer mit kegeln will, muß auch mit aufsetzen; aber wie gegen jedcü, so soll auch gegen den politischen Verurtheilten nach seiner eigenthümlichen Natur verfahren werden. Anspruch auf Billigkeit, jene glückliche Mischung deS zu strengen Rechts imd der zu schwachen Gnade hat auch der Politische Wider sacher, und zwar soll der Staat dem nachkommen, mag der Anspruch er hoben werden oder nicht. Wir sind einmal der Meinung, daß die Frage, ob jemand begnadigt werden solle, nicht davon abhängig gemacht werde, ob er die Gnade auch annehtnen wolle. In Norwegen allein ist es unserS Wissens Rechtens, daß der Verbrecher sich der Gnadenannähme weigern kann und z. B. nach dem osr toi S8t mon plsisir geköpft werden muß. Der Staat begnadigt um des Staats und der Gesammtheit willen, wenigstens in den Fällen, wovon wir hier redest. Aber wenn man so auch den Wi derstrebenden der Freiheit wiedergibt, sollte auf der andern Seite ein Nach- suchen der Gnade, ein reumüthiges Abbitten rc. nicht verlangt oder abge wartet werden. Was soll dem mächtigen stärkest Staate, der in der Frei lassung seine Stärke und sein Vertrauest zu sich selbst bethätigt, die klein liche Genugthnung, den ohnmächtigen einzelnen zu einer DemüthigUng, vielleicht nicht selten zu einer Heuchelei gezwungen zu haben?" Halle, 16. Sept. Die in Bezug auf den am 11. Sept, bti Lieskau verübten Mord (Nr. 218) ausgesprochene Vermuthung, daß dieses Ver brechen nicht dem Sohne des Schullehrers Harnisch, sondern einem andern Opfer gegolten habe, bestätigt sich. Am Tage nach der That wurde der Handarbeiter Friedrich Christian Albert Rose und einen Tag später der Holz händler Rosahl als des Verbrechens verdächtig gefänglich eingezogen. Nach dem letzterer gestern den Rose als Thäter bezeichnet, hat dieser sein Ver brechen heute auch vollständig cingeräumt. Aus dem abgelegten Gestäüdniß des Rose geht Folgendes hervor: Der Holzhändler Rosahl äüS Schiepzig, welcher mit dem Zimmermann Schliebe in Geschäftsverbindung geständen hatte, glaubte durch den Tod deS letzter» in pecuüiärer Hinsicht Vortheilt zu erlangen und scheint außerdem aus bisjetzt noch unbekannten Ursachen auf denselben einen tödtlichen Haß geworfen zu haben, weshalb er dsn in seinem Dienste stehenden Handarbeiter Rose, indem er ihm 300 Thlr. baar und für die übrige Lebenszeit wöchentlich 1 Thlr. versprach, überredete, den Schliebe zu ermorden. Die Vollendung dieses Verbrechens geschah am 11. Sept, abends gegen 8 Uhr. Rose hatte sich auf dem Communicalionswege zwischen Schiepzig und Lieskau unweit einer Brücke im Graben versteckt und den Schliebe, welcher am genannten Abend um diese Zeit den Weg Passi ven mußte, erwartet. Zufälligerweise kam der frühere Gymnasiast, Ernst Harnisch aus Lieskau, welcher mit dem Schliebe Eine Größe hat, um ge nannte Zeit diesen Weg; in der Meinung, cs sei Schliebe, brachte Rose dcm Ankommenden mit einem Gewehr und Doppelterzerol drei Schüsse bei und zerschmetterte, als der Getroffene niederste! und noch einige wimmernde Töne von sich gab, dem Unglücklichen mit dem Kolben des Gewehrs die Hirnschale. Hierauf ergriff er eiligst die Flucht, warf Gewehr und Terze- rol in die Saale und begab sich dann zu Rosahl, welchem er erzählte, daß er den Schliebe „um die Ecke gebracht". Erst am andern Morgen erfuhren beide, daß Rose nicht den Schliebe, sondern den Sohn des Schullehrers Harnisch aus Lieskau ermordet habe. (Hall. Z.) ^-ÄUS Vor Provinz Sachsen, 20. Sept. Unser neuer General- superintendcnt 0r. Lehnerdt zu Magdeburg hat bereits einen gro ßen Theil seines Kirchensprengels durch eigene Anschauung kennen gelernt und bei seinen Visitationen eine so gründliche theologische und allgemeine Bildung und eine solche christliche Milde an den Tag gelegt, daß nicht nur die Geistlichen, sondern auch alle dem kirchlichen Leben noch nicht abgestor benen Laien sich freuen, für unsere Provinz eine so vorzügliche Erwerbung in seiner Person gemacht zu haben. Bekannt ist, wie sehr derselbe der Union zug'eihan. Dasselbe ist auch von dcm Consistorialrath FrcbeniuS in ncuerer Zeit geglaubt. Desto mehr wird cS auffallcn, daß dieser noch vor einigen Jahren als Reaktionär verschriene Geistliche aus dem bekannten Unionsvereint zu Halle, der hauptsächlich sein Werk ist, nächstens wieder auSschciden wird. Wie man sagt, so sollen ihn die Angriffe unserer Alt lutheraner und UnionSfeinde, die ihn nur den „Vorahncr" nennen, zu diesem Entschlusse bestimmt haben. Baiern. N München, 20. Sept. DaS neueste Heft der Zeitschrift für Gesetzgebung-- und VerwaltungSreform in Baiern enthält eine lesenS- werthe Besprechung der Aufgabe des bevorstehenden Landtags, soweit solche durch die mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Regierungsvorlagen bedingt ist. Wir entnehmen derselben einige Betrachtungen zu dem angekündtgten Preßgesetzentwurf. Dem Landtage von 1852 waren zwei Gesctzent- ,würfe vorgelegt worden, worin eine Reihe ncucr Preßübertretungen aus gestellt, die Einführung der Zeilungscautionen vorgeschlagcn, die Berück sichtigung der „mildernden Umstände" bei Preßstrafsachen (auf welche nach dem geltenden Gesetz in jedem einzelnen Falle eine Frage an die Geschwo renen gerichtet werden muß) und die crceptionclle Zuständigkeit des Schwur gerichts zur Aburtheilung solcher Straffälle beseitigt war. Beide Entwürfe wurden von der StaatSregierung selbst zurückgezogen, nachdem der Aus schuß der Abgeordnetenkammer einstimmig deren Ablehnung begutachtet und die Kammer fincn aufschiebenden Antrag angenommen hatte. Auf jene Entwürfe sowie auf die gleichfalls abgelchnten Vorlagen eines Staatsdicner- diSciplinargcsctzes und eines Entwurfs über die Aburtheilung der Staats verbrechen ohne Zuziehung von Geschworenen bezogen sich die Schlußworte des Landtagsabschieds vom 28. Mai 1852, worin die Erwartung ausge sprochen wurde, daß ein künftiger Landtag die landeSväterlichcn Absichten in Betreff dieser Entwürfe, die bestimmt waren, die unveränderlichen Grund lagen jeder staatlichen Ordnung und das monarchische Grundprincip der Verfassungsurkunde gegen die zerstörende Einwirkung verderblicher Grund sätze zu sichern, erfüllen werde. Der damalige Vorbehalt scheint sich nun, was die Preßverhältnisse anbelangt, durch Vorlage eines Preßgesetzentwurfs verwirklichen zu wollen. Ob mit Erfolg, bleibt vorläufig dahingestellt. In der Kammer der Abgeordneten hat sich wenigstens schon am vorigen Land tage die Ansicht geltend gemacht, daß der Zustand der Presse in Baiern, vor allem der trostlose Zustand der Zeitungspreffe, keine weitern erschwe renden Maßregeln vertrage, daß er im Gegcntheil zu erleichternden gesetz lichen Anordnungen dringend ausfordere. Wenn also von legislativen Be dürfnissen auf diesem Gebiet bie Rede sein soll, so wird die große Mehr heit der Kammer, wenn nicht alle Anzeichen trügen, weit eher ein Gesetz zur Sicherung der Preßfreiheit, als neue einschränkende Maßregeln für nöthig erachten. Darüber herrscht bei allen Betheiligten kein Zweifel, daß die Wiederherstellung der Censur einer Verbindung der im Entwürfe be absichtigten Maßregeln — hohe Cautionen, Entziehung der Druckerei- und Verlagsconcession auf administrativem Wege — mit den HülfSnutteln, in deren Besitz die bairische Preßpolizei infolge der preßpolizeilichen und preß gerichtlichen Praxis seit 1850 sich befindet, unbedingt vorzuziehen sei. Baden. Manheim, 5. Sept. Vor uns liegt das neue Kirchen buch (Agende) der evangelisch-protestantischen Kirche im Großhcr- zogthum Baden, über das biSjetzt eine nähere Kritik noch nicht erschienen ist. Geht nun schon aus seinem Titelblatt ein bedauerliches Zeichen der Zer rissenheit auch deö Protestantismus in Deutschland hervor, so gewährt doch ein Blick in dieses Kirchenbuch einen noch viel bedauerlichern Anblick eines bunten Gemisches von Katholicismus und Pietismus. Daß also hier von einem Fortschritt keine Rede sein kann, versteht sich von selbst; dagegen fin det sich darin der auffallendste Rückschritt des Protestantismus, und wenn ein Buch geeignet ist, den letzter» dem Katholicismus zuzuführen, so ist es dieses. Schon in der Einleitung wird der Gebrauch des Kniens als ge stattet, aber nicht qls gehoten bezeichnet und dieser Grundsatz beim Abend mahl wiederholt und dahin erweitert , daß beim Unser Vater die ganze Ge meinde niedcrknien kann, während bei der Beichte das Ntederknien geradezu eiNpfvhlen wird, welches durch Kniebänke möglich gemacht werden soll. Wenn wir -üch nicht verkennen wollen, daß bei dem protestantischen Gottesdienst eine größere Thätigkeit und Mitwirkung der Gemeinde zu wünschen wäre, so scheint uns dieser Zweck in der vorgeschlagencn einfachen Form mehr als erreicht, während die erweiterte Form allzu beladen mit Gesängen und Re- sponforien darum zur Anwendung nicht zu empfehlen (eS ist diese Anwen dung blos von der Gemeindebehörde gestattet) ist. Die Respoitsorien treten wirklich störend ein und erinnern z»m Theil sehr an den KatholiciSmuS, z. B, in den Worten: Geistlicher: „Der Herr sei mit euch!" und die Ge meinde: „Und mit seinem Geiste." Geistlicher: „Lasset uns beten." Ebenso ist das Sündenbekenntniß (S. 42) in den Worten: „Wir arme sündige Men schen bekennen vor dir, unserm Schöpfer und Erlöser, daß wir gesündigt haben in allen unsern Gedanken, Worten und Werken ic.", fast wörtlich dem katholischen Sündenbekenntniß im Beichtstuhl entnommen. Und S. 49 und 93 finden sich Lktancicn vor, die man glauben sollte, fle seien wört lich aus einem veralteten katholischen Gebetbuche entliehen. Die darin ent haltenen Lieder lassen an Rhythmus und Geschmack alles zu wünschen übrig. Dabei ist die Sprache, welche in den Gebeten, nicht blos eine durchaus ver altete, sondern auch der jetzigen natürlichen Weltanschauung durchaus wi dersprechende ; z. B. in dem Gebet um Regen oder Dürre, wo die Gottheit geradezu gebeten wird, die Thür des Himmels zu verschließen oder zu öff nen. Daß in diesem Kirchenbuche der pietistische Grundsatz geltend gemacht wird, daß wir ohne Verdienst gerecht werden aus Christi Gnade, darf uns nicht wundern. Dies daS neue Werk, gegen dessen Annahme sich die ge gründetsten Bedenken erheben lassen. (Frkf. I.) Großherzogthum Hessen. Morms, 15. Sept. DaS vierte Ver- zeichntß der Beiträge zum Luther-Denkmal seit Erstattung des sechsten