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ren ersetzt, am komischsten zum Schluß mit der Verspottung eines Versuches, eine Fuge zu schreiben. Das Thema wird zu früh beendet, die Einsätze kom men sinnlos nebeneinandergesetzt" (H. Engel). Im Frühjahr 1729 übernahm Johann Sebastian Bach die Leitung des studentischen Collegium musicum, das 1702 von dem damaligen Studen ten Georg Philipp Telemann ins Leben gerufen worden war und sich inzwischen zu einem bedeutungsvollen Faktor des Leipziger Musiklebens entwickelt hatte. Für Bach ergab sich jetzt die günstige Möglichkeit, über die Grenzen der schu lisch-kirchlichen Amtsverpflichtungen in die breite Öffentlichkeit zu wirken. Nachdem die ersten Leipziger Jahre dem Aufbau eines riesigen Kirchenkanta tenrepertoires gewidmet waren, begann jetzt eine Periode ausgeprägt weltli chen Schaffens. Auch unsere „Kaffeekantate" gehört dieser Periode an. Im 3. Teil der „Ernst-Schertzhafften und Satyrischen Gedichte“, Leipzig 1732, hat Bachs Hausdichter Christian Friedrich Henrici, genannt Picander, das Li bretto veröffentlicht. Auch Bachs Komposition darf man um diese Zeit ansetzen. Es ist ein vergnügliches Stück, das das Modelaster des Kaffeetrinkens zum Ziel eines gutmütig getönten Spottes nimmt. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts war der Kaffeegenuß in Europa aufgekommen und aus den vornehmen Schichten allmählich auch in die bürgerlichen Kreise der Bevölkerung vorgedrungen. In allen größeren Städten, und besonders auch in Leipzig, blühten die „Coffee- Schenken“ empor und bildeten die Sensation des bürgerlichen Alltagslebens. Zahlreiche Scherzgedichte der Zeit befassen sich mit der Kaffeesucht, der vor allem das weibliche Geschlecht verfallen war. In unserer Kantate frönt das halbwüchsige Töchterlein Lieschen zum Entsetzen des Vaters Schlendrian den Kaffeegelüsten und läßt sich von keiner seiner Drohungen einschüchtern. Erst das Verweigern eines Ehemanns vermag sie zum Einlenken zu bewegen. Mit der heiratsfreudigen Arie „Heute noch, lieber Vater, tut es doch!" schließt Pi- canders Dichtung, während sich in Bachs Komposition noch ein Rezitativ und ein Terzett anschließen, in denen wir erfahren, wie der strenge Vater doch noch von der schlauen Tochter überlistet wird, die durch Einfügen einer Kaf fee-Erlaubnisklausel in ihren Ehekontrakt sich beide Genüsse zu sichern weiß. Man geht wohl nicht fehl, diese humorvolle Wendung des Geschehens und das versöhnliche Schlußterzett von den Jungfern, die das Kaffeetrinken ebenso we nig lassen wie die Katzen das Mausen, auf das Konto Bachs zu setzen, der gewiß auch im eigenen Familienkreise genügend Beobachtungsmaterial zur Kaffeesatire sammeln konnte. Bachs Komposition ist ein Dreipersonenstück. Zu den beiden Hauptgestalten, dem gutmütig brummbärigen Schlendrian (Baß) und der schelmischen Tochter Lieschen (Sopran), gesellt sich ein Erzähler (Tenor), der uns in dem Einfüh rungs-Rezitativ mit der Situation vertraut macht, sonst aber nirgends mehr auf tritt. Vielleicht ist gerade diese dramatische Unzulänglichkeit für Bach zum An laß der erwähnten Erweiterung geworden, die das musikalische Gleichgewicht durch ein abrundendes Erzählerrezitativ und die Einbeziehung der Tenorstimme in das Schlußterzett herzustellen sucht. Bewundernswert ist Bachs Charakterisie rungskunst, wie überhaupt das ganze mit musikalischen Schönheiten reich aus gestattete Werk zu Bachs reifsten Leistungen auf dem Gebiete weltlicher Ge legenheitsmusik zählt. Die plastische Zeichnung der beiden gegensätzlichen Hauptfiguren gelingt Bach mit originell-drastischen Mitteln, die indes nie die Grenzen des ästhetisch Vornehmen überschreiten. In organischem Wechsel zwi schen kurzweiligem Dialog und ausladendem Ariengesang zieht das span nungsreiche Werk wie eine kleine Buffooper, der nur die szenische Darstellung fehlt, an unserem Ohr vorüber. Bachs musikalischer Humor zeigt sich ebenso in dem polternden und eifernden Ton der Schlendrian-Gesänge wie in dem liebenswürdig-kecken Charakter der Lieschen-Arien. Das tanzartige Kehraus stück der drei Vokalstimmen, von Flötenfiguren lustig umspielt, erhält durch die stereotype Dreitaktperiodik einen überaus originellen Zug. Schon ihrem Inhalt nach weist die Kaffeekantate auf die Möglichkeit einer Aufführung in einem Leipziger Kaffeehaus. Da Bachs Collegium musicum all wöchentlich in Zimmermanns Kaffeehaus auf der Katharinenstraße öffentlich musizierte, wird die Kaffeekantate wahrscheinlich hier ihre Erstaufführung er lebt haben. Aber auch im Kantorenhause wird sie ihren beziehungsreichen Humor vor Familienmitgliedern und Freunden des Hauses des öfteren entfaltet haben. Rolf Lukowsky „Plisch und Text: Wilhelm Busch Eine Pfeife in dem Munde, unterm Arm zwei junge Hunde trug der alte Kaspar Schlich. — Rauchen kann er fürchterlich. Doch, obschon die Pfeife glüht, oh, wie kalt ist sein Gemüt! „Wozu" — lauten seine Worte — „wozu nützt mir diese Sorte? Macht sie mir vielleicht Plaisier? Einfach nein! erwidr’ ich mir. Wenn mir aber was nicht lieb, weg damit! ist mein Prinzip.“ An dem Teiche steht er still, weil er sie ertränken will. Ängstlich strampeln beide kleinen Quadrupeden mit den Beinen; denn die innre Stimme spricht: Der Geschichte trau ich nicht! Hubs! fliegt einer schon im Boger Plisch! da glitt er in die Wogen. Hubs! der zweite hinterher. Papa Fittig, treu und friedlich, Mama Fittig, sehr gemütlich sitzen. Arm in Arm geschmiegt, sorgenlos und still vergnügt kurz vor ihrem Abendschmause noch ein wenig vor dem Hause, denn der Tag war ein gelinder, und erwarten ihre Kinder. Seht, da kommen alle zwei, Plisch und Plum sind auch dabei. Dies scheint aber nichts für Fittig. Heftig ruft er: „Na, da bitt ich!" Doch Mama mit sanften Mienen Plum", 1. Kapitel Plum! damit verschwindet er. „Abgemacht!" rief Kaspar Schlich, dampfte und entfernte sich. Aber hier wie überhaupt, kommt es anders, als man glaubt. Paul und Peter, welche grade sich entblößt zu einem Bade, gaben still verborgen acht, was der böse Schlich gemacht. Hurtig und den Fröschen gleich hupfen beide in den Teich. Jeder bringt in einer Hand einen kleinen Hund an Land. „Plisch" — rief Paul — „so nenn ich meinen!" Plum — so nannte Peter seinen. Und so tragen Paul und Peter ihre beiden kleinen Köter eilig, doch mit aller Schonung hin zur elterlichen Wohnung. 2. Kapitel „Fittig", bat sie, „gönn es ihnen!" Angerichtet stand die frische Abendmilch schon auf dem Tische. Freudig eilen sie ins Haus; Plisch und Plum geschwind voraus. Ach, da stehn sie ohne Scham mitten in dem süßen Rahm und bekunden ihr Behagen durch ein lautes Zungenschlagen. Schlich, der durch das Fenster sah, ruft verwundert: „Ei, sieh da! Das ist freilich ärgerlich. Hehe! aber nicht für mich!"