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1668 Union aufhebt, und um dieses Kunststück auszuführen, hat man die Pro vinzen während einer, nach der Ansicht großer Diplomaten wahrscheinlich sehr geringen Frist von anderthalb Jahre» in einem Zustand jammervoller Unruhe stecken lassen." Der gelehrte Thebaner, der den Globe in pariser Korrespondenzen mit Notizen aus allen Ecken und Enden Europas versieht, äußert sich wieder einmal über Schleswig-Holstein: „Ich habe das Thema der deutschen Einmischung in die Unabhängigkeit Dänemarks und den sogenannten teuto nischen Theil seines Gebiets lebhaft besprochen. Ein Publicist in Kopen hagen leugnet cS geradezu, daß Schleswig oder Holstein ursprünglich je zu Deutschland gehört habe. Das Land ist die Wiege der angelsächsischen Rasse und die Mundart des Volks ist ein Gemisch von Dänisch und Scan- dinavisch mit Worten, die man noch im Englischen findet. Das Christen thum ist dort auf deutschen Wegen cingcdrungen und Luthers Bibel trug später dazu bei,-neue Elemente der Phraseologie einzuführens?). Aber die große Masse des Volks ist noch immer englisch und nicht deutsch. Feudale Ritter traten das Land nieder und die Herzoge von Glückstadt und Gottorp brachten in ihrem Gefolge eine Schar von Trabanten mit, ohne jedoch der wesentlich englischen Statur dts Volks Eintrag zu thun, welches mit dem Bauernstamm von Norfolk, Suffolk und Lincoln identisch ist. Es wäre wünschenswerth,- daß ein britischer Minister, während er von kaukasischer Rasse und asiatischen Mysterien faselt, nicht unsere anglodänischen Verwandt schaften übersehen möchte." Der pariser Times-Korrespondent hat in den letzten Tagen ebenfalls sein Licht über Schleswig-Holstein leuchten lassen. Er zeichnet sich weniger durch ethnologisch-philologische Forschungen als diplomatische Wahrheitsliebe aus, und wiederkäuet beharrlich die alte dänische Behauptung, daß Deutschland eS auf eine Annerirung Dänemarks ab gesehen habe. Folgender Brief ist im Namen Lord Malmesburys an einen Hrn. I. Wilson gerichtet worden, in Antwort auf eine Anfrage in Betreff der Oc- cupation der Insel Perim durch englische Truppen: Potsdam, 18. Aug. Mein Herr! Zch bin vom Grafen Malmesbury beauf tragt, Sie zu benachrichtigen, daß er Ihren Brief vom 15. Aug. empfangen hat, und Ihnen zur Antwort zu geben, daß der Graf nichts von einer Occupation der 'Insel Perim durch großbritannische Truppen weiß, noch von irgendeinem Brief wechsel mit der Türkei über diesen Gegenstand. Nach Graf Malmesbury's Mei nung würde es für alle seefahrenden Nationen vorthcilhast sein, wenn an dieser Stelle ein Leuchthurm errichtet würde. Ich bin, mein Herr, Zhr ergebener John Bidwell. Diese Erklärung Lord Malmesbury's stellt es übrigens nicht in Ab rede, daß Agenten der Osiindischen Compagnie von der unbewohnten Insel durch Aufziehen einer englischen Flagge Besitz ergriffen haben. Darauf beschränkte sich die Nachricht, welche Europa ursprünglich von dem Ereig- niß erhielt. Türkei. In Triest sind am 25. Aug. Nachrichten aus Ragusa eingegangen, denen zufolge die Grenzregulirungscommission am 24. Aug., früh 4 Uhr, auf dem Kriegsdampfer Vulkan von Antivari daselbst eingetrof- fen ist. Königreich Sachsen. Zur Reise Sr. Maj. des Königs ist weiter zu berichten, daß der selbe am 24. Aug. vormittags von Schwarzenberg aus in Grünhain etn- traf. Von hier begab sich derselbe nach Elterlein, Scheibenberg, Schlettau Und Buchholz und traf um 6 Uhr abends in Annaberg ein, in alle» ge nannten Ortschaften feierlich und herzlich begrüßt. — Der sächsische evangelisch-lutherische Hauptmissionsver ein beging am 25. Aug. in Dresden seine 39. Jahresfeier in der Frauen kirche. Die Jahrcseinnahme betrug 8700 Thlr. Fünf Sendboten, welche nach. Indien abgegangen, sind am 12. Jan. d. I. dort angelangt und seit dem thätig. In das leipziger Missionshaus werden zu Michaelis drei neue Zöglinge eintreten. -s-Leipzig, 27. Aug. Auch den gestrigen dritten Tag begann die Ge neralversammlung des Gustav-Adolf-Vereins mit Gottesdienst, der, da die Berathung sich ihm sogleich anschließen sollte, diesmal in der hierzu bereits vorgcrichtetcn Nikolaikirche gehalten wurde. Die Predigt hielt Pro fessor vc. Brückner, der von dem Tert Matth. 17, 8 ausging und mit der Verklärung, in der die Jünger Jesum gesehen, die Verklärung verglich, in der Christus vor und an uns erscheine. Ebenso gab der Ausdruck, daß sie nach der Verklärung Jesum allein gesehen, dem Redner Anlaß zu dem Ver gleich, daß auck die evangelische Kirche ihn allein sehe, und daher Papst- thum, Krummstab, besondern Priesterstand, Tradition rc. als ebenso viel von ihm abziehende Dinge verwerfe. Da das Vcrhältniß zum Herrn auf das zu seiner Kirche führte, so ging der Redner auf die verlorenen, aber noch zu rettenden Glieder derselben über und bezeichnete die Arbeit des Vereins als eine große, bet der aber Gott das Beste thue. Der Verein wurde so dann, da der Segen feiner Thätigkeit ein rückwirkender sei, als das Auge und Gewissen der Kirche bezeichnet, die Noth der zerstreuten Gemeinden, mit Anspielung auf die jüngsten Ereignisse, mit einer Wasserflut, der Ver ein aber mit dem rettenden Nachen verglichen, eine Vereinigung von Martha- und Maria-Sinn für seine Aufgabe erkannt und alle seine Mitglieder zu kräf tiger That und rettender Liebe, die mehr Raum und Zeit als Dampf und Telegraph überspringe, aufgefordert. Die hierauf durch den Vorsitzenden eröffnete Verhandlung war anfangs nur eine Fortsetzung der vorigen Tages ordnung, indem noch einige Schilderungen zerstreuter Gemeinden erfolgten. Go sprach Professor Vt7 Tholuck aus Halle über die schon vor zwei Jah ren durch Pastor Dürr vertretenen, meist deutschen Protestanten aus Alge rien, die auS ihren Concubinaten mit Mohammedanerinnen entspringenden sittlichen Gefahren und ihr Bedürfniß einer Seelsorge, um Gesicchc für die Gemeinden zu Duera und Bona, einst Sitz Augustin'», daranzuknüpfen. Pastor Kitt ans Bergamo lenkte die Aufmerksamkeit auf die auS eingewan- derten Fremden bestehenden Gemeinden einiger Städte Italiens, gestand zu, daß dieselben meist wohlhabend seien und nur einzelnen entfcrntern Prote stanten geistlicher Zuspruch fehle, wollte jedoch das Institut der Reisepredi ger für sie nicht anempfehlen und hielt eine Reformation unter den Italie nern selbst nur, wenn sie sich innerlich entwickele, nicht aber, wenn sie von außen gebracht werde, für möglich. Noch gedachte Prediger JonaS auS Ber lin der dortigen zwei Fraucnvereine und der goldenen Kette, die, von ei ner Frau zum Verkauf und zum Besten zweier armen Gemeinden in Böh men und Schlesien bestimmt, Veranlassung zu reichen Geschenken und einer einträglichen Lotterie geworden sei; Dircctor Schubert auS Oberschützen in Ungarn erinnerte an das dortige Seminar, welches eine kurze Zeit noch der Hülfe bedürfen werde; Superintendent Stronsky auS Prcsburg gab dem Entzücken der Gemeinde zu Laaz über ihr schönes Gotteshaus Aus druck; Superintendent Großmann aus Grimma endlich überreichte ein von zwei Confirmandinncn zu Kloppenburg in Oldenburg geflicktes und für jene Gemeinde bestimmtes Altartuch. Zu dem beschließenden Theile der Verhandlung übergehend, nahm man zuvörderst den Antrag deS Prälaten Zimmermann aus Darmstadt, dem Stadtrath und den Stadtverordneten Leipzigs für die den Festbesuchern ge- währte, freundliche Aufnahme den Dank der Versammlung sowol mündlich durch zwei Deputirte als auch durch eine Erklärung im Tageblatt auszu drücken, allgemein an, unterwarf sodann die Rechnung für 1856 — 57 der Prüfung des Geh.- Revistonsraths Jonas aus Münster, der dieselbe nach geschehener Durchsicht für richtig befand, und schritt darauf zur Wahl acht neuer Mitglieder des Centralyorstandcs, die auf Pastor Howard und Gc- heimrath v. Wächter als leipziger Mitglieder und auf Kircheyrath Grün eisen in Stuttgart, Pastor Voigdt in Königsberg, Pastor Ebert in Kassel, Propst Schmeidcl in Breslau, Pastor Thiele in Koblenz und Oberprästdent v. Puttkammer in Posen fiel. Es galt nun, eine arme Gemeinde für das seit acht Jahren übliche sogenannte Liebeswerk zu ernennen, zu welchem diesmal eine aus den Beiträgen aller Hauptvereine und einer Spende des Centralvereins (letztere 1500 Thlr.) erwachsene Summe von ungefähr 4450 Thlrn. verwendet werden konnte. Hauptpastor Geffcken aus Ham burg schilderte die nähern Verhältnisse der drei hierzu in Vorschlag ge brachten Gemeinden: Schwarzwald (Czernowina) unweit Ostrows in Posen mit seinen 1600 zerstreuten größtentheils polnischen Protestanten, Thening bei Linz, durch Auspfarrung der Gemeinde letzterer Stadt verkleinert, doch noch immer mit 2182 Mitgliedern, und das durch seine Lage an der Grenze Böhmens und seinen Einfluß auch auf die dortigen Protestanten wichtige Waldsassen in der Oberpfalz. Rachdem die letztere Gemeinde noch beson ders durch Dekan Elsperger aus Erlangen, der schon Tags zuvor für sie gesprochen, Thening durch Pastor Geyer daselbst und Schwarzwald durch Divistonsprediger Bork aus Posen empfohlen worden war, fiel die Mehr zahl der Stimmen, darunter die des Centralvorstandes selbst, auf Schwarz wald, hauptsächlich wol, weil 14 Fünfzehntel der Gemeinde der gewöhnlich für ganz katholisch angesehenen polnischen Nationalität angehören. Nach dem noch verschiedene Anträge, die für die Generalversammlung zu wäh lende Jahreszeit, die Auswahl der Prediger dazu und die Erhaltung des Gustav-Adolf-Denkmals bei Lützen betreffend, erledigt worden waren, be stimmte man Ulm zum Orte der nächsten Zusammenkunft; doch entsendete man auch nach Hannover, welches nebst Stettin und Elberfeld gleichfalls in Vorschlag gekommen war, um so größern Dank für sein freundliches Anerbieten, als seine Einladung zum Theil von König Georg selbst aus- gegangcn war. Ein freudiger Segenswunsch deH Vorsitzenden, Kirchenrath Hoffmann, ein Gebet des hiesigen Superintendenten Lechler und ein kurzer Gesang schloffen gegen 1 Uhr die Versammlung. Wennschon der geschäftliche Theil der dreitägigen Versammlung in allen Theilnehmern reiche und mannichfaltige Eindrücke hinterlassen wird, so wurden dieselben durch die in der Stadtbibltothek veranstaltete Ausstel lung zahlreicher Autographen aus der Zeit der Reformation und des Drei ßigjährigen Krieges aus der Sammlung deö Buchhändlers T. O. Weigel und vieler durch Oberbibliothekar Naumann zur Verfügung gestellter Schrif ten und Urkunden, sowie durch die Austheilung verschiedener auf Angele genheiten des Vereins bezüglicher Broschüren und Pläne („Der Gustav- Adolfs-Bote für die Provinz Preußen", „Verhandlungen der Provinzial versammlung des Posener Hauptvereins", „Bericht über den Zustand der evangelischen Gemeinde und deS Gymnasiums zu Losoncz in Ungarn", „Vierzehnter Bericht über die evangelische Mission unter der deutschen Be völkerung in Paris", „Der Betsaal der evangelischen Gemeinde in Geisa vor und nach dem Brande", „Plan des Schullehrerscminars zu Oeden- burg" re.) nicht unbedeutend erhöht. Nicht minder Ivird daS am 25. Aug. gehaltene Festmahl im Schützenhause den Theilnehmern, an der Zahl über 500, lange unvergessen sein, weshalb wir nochmals kurz darauf zurückkom men. Mit großem Interesse haben wol alle den Becher betrachtet, den Luther durch König Gustav Wasa von Schweden zum Geschenk erhielt, Joachim ll von Brandenburg mit einer Randinschrift versehen ließ und Luther'S Enkel dem Rache zu Leipzig verkaufte, der ihn nur bei außerordentlichen Ge legenheiten benutzt. Vicebürgermeister Berger trank auS demselben auf das Wohl der Gustav-Adolf-Stiftung. Bald ernst, bald heiter anregend wirk-