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1294 nach der Rheinprodinz zu kommen beabsichtigt und wahrscheinlich am 10. Aug. dort eintreffen wird." , Baiern. Würzburg, 1. Juli. Eine Frucht des Jubiläums und der Wallfahrten zeigte sich heute vormittags an einem achtzehnjährigen Mäd chen auS dem benachbarten HeidingSfeld, welches auf der Wallfahrt vom Wahnsinn ergriffen wurde und unter dem fortwährenden: „Ach, ich bin verdammt!" und mit grausigen Geberden unter großem Auflauf durch meh rere Straßen unserer Stadt geführt wurde. (Frkf. I.) — Wie der Neuen Münchener Zeitung aus Tegernsee vom 2. Juli berichtet wird, sind dort am genannten Tage der König von Preußen, dessen Gemahlin und die Prinzessin Alerandrine eingetroffen. Baden. Karlsruhe, 2. Juli. Der Großherzog hat den Befehl er- theilt, daß während deS Juli dringende Gesuche um Beurlaubung auf kürzere Zeit thunlichst Berücksichtigung finden sollen. Gewiß wird dadurch mancher armen Familie das Einbringen der Ernte erleichtert und überhaupt der landwirthschaftlichen Arbeit Vorschub geleistet werden. (KarlSr. Z.) Großherzogthum Hessen. Singen, 1. Juli. Heute wurde mit den üblichen Feierlichkeiten die Grundsteinlegung der hiesigen evangelischen Kirche in Gegenwart deS Prälaten Zimmermann vorgcnommen. Eine sehr große Anzahl evangelischer Geistlichen hatte sich aus der Nähe und Ferne bei diesem Feste eingefunden, das in sehr würdiger Weise begangen wurde. Die Kirche wird am westlichen Ende der Stadt an der Straße nach Mainz errichtet werden, sodaß sie vom Rhein aus in ihrer ganzen Ausdehnung gesehen werden kann. Thüringische Staaten. Eisenach, 1. Juli. Heute hatten wir den thüringischen Kirchentag in unserer Mitte. Gr hielt seine Sitzung in einer der hiesigen Kirchen und nahm nach kurzer Debatte' folgende The sen, die den Gymnastaldircctor Heiland in Weimar zu ihrem Verfasser hatten, an: I) Die christliche Kinderzucht muß auf das Evangelium gegründet werden. 2) Unsere Zeit hat diesen Grund vielfach verlassen; darum ist die Kinderzucht in Verfall. S) Der Verfall zeigt sich in Znpietät und Frühreife der Jugend sowie in Arbeitsscheu und Genußsucht, in Mangel an Wahrheitsliebe. 4) Der Verfall der Kinderzucht hängt innig zusammen mit dem Verfall der christlichen Sitte und Selbstzucht. 5) Insbesondere ist die christliche HauSzucht gesunken (Leichtfertigkeit in Schließung der Ehen, Mangel des rechten Geistes der Andacht und Gottesfurcht in den Häusern, Weichlichkeit und falsche Liebe der Aeltern, Aergerniß durch böses Wort und böses Beispiel). 6) Der dem Evangelium entfremdete Zeitgeist hat die von Gott gesetzten Autoritäten vielfach untergraben (Emancipation). 7) Zu der socialen Auflösung kommt die materialistische Richtung der Zeit (Abschwächung des historischen Sinnes, weltliche Lust und unsittliches Wesen). 8) Die Pädagogik wird nicht immer im Geiste dessen getrieben, der da spricht: „Lasset die Kindlein zu mir kommen!" 9) Die Schule hat gerade in neuerer Zeit ein Wissen von Vielerlei höher geachtet als Tüchtigkeit und sittliche religiöse Gesinnung. 10) Auch die Kirche ist ihres Berufs gegen die Unmündigen nicht immer in der. Weise eingedenk gewe sen (Sacräment der Laufe, Katechese, Seelsorge, Gebet). Auch faßte man einen mehr praktischen Beschluß, indem man die Ver mittelung der Kirchenbehörden bei den Staatsregierungen dahin in Anspruch nahm, daß der Vernachlässigung der christlichen Erziehung und Bildung der in den Fabriken beschäftigten Jugend durch entsprechende Einrichtungen (Fa brikschulen, Aluminate rc.) entgcgengewirkt werde. Auf die Tagesordnung für den Kirchentag des nächsten Jahres wird die Frage über Eingehung und Schließung der christlichen Ehe gesetzt und Salzungen zum Versamm lungsort gewählt. Äu« Thüringen, 29. Juni. Die Reise Uhlich's nach Thüringen glich einer Art Triumphzug; denn überall, in Halle, Weißenfels, Naum burg, Freiburg, Laucha, Suhl re., scharten sich seine Freunde um ihn und gaben aufs neue ihre Sympathien für ihn und für die Sache der Freien Gemeinden zu erkennen. In Suhl, wo noch ein« Freie Gemeinde eristirt, wär eine bedeutende Menschenmenge herbeigeströmt, um den verehrten Gast zu begrüßen. (Magd. Z.) Oesterreich. LI Wien, 4. Juli. Wenn man die Journale als den Ausdruck der öffentlichen Meinung betrachten darf, so ist hier die Stim mung gegen Frankreich eine sehr gereizte. Die Regierung hat mit richtigem Takt den Journalen bisher kein Hindcrniß in den Weg gelegt. ES muß ihr vorzugsweise daran gelegen sein, Kundgebungen des österrei chischen Bewußtseins hervorzurufen, und sie lernt in solchen Momenten den Werth einer auch nur theilweise unabhängigen Presse erst recht schätzen. Unsere Journale sind darum nicht so sehr der Refler der in den gouverne- mentalen Kreisen herrschenden Anschauungen als der treue Spiegel der in allen Schichten sich äußernden gereizten Stimmung gegen Frankreich. Man hat wol nirgends den Staatsstreich des 2. Dec. so schonend aufgefaßt als bei uns in Oesterreich. Man übersah die Form, in welcher die neue fran zösische Regierung entstanden, weil man in den Worten „das Kaiserreich ist der Friede" eine Bürgschaft für die friedlichen Absichten deS neuen fran zösischen Staatsoberhaupts zu sehen glaubte. Als nun später die Franzosen im Verein mit den Engländern den „kranken Mann" gegen die russischen Uebergriffe schützten, war der Kaiser Napoleon in Oesterreich nicht minder populär als in England. Sie sehen also, daß man bei uns in Oesterreich aufrichtig an die Ehrenhaftigkeit der französischen Politik glaubte, und darum auch nicht wenig enttäuscht ist, daß Frankreich nun den entgegenge setzten ÄVeg einfchlagen zu wollen scheint. Nachdem Frankreich selbst und daö übrige Europa sich bestrebt, die Türkei zu befestigen, nimmt man plötzlich in Paris Partei für den Fürsten Danilo und liebäugelt mit den slawischen Völkerschaften, in deren erhitzten Köpfen man Wünsche und Hoff nungen erweckt, die ohne Erschütterung des morschen türkischen StaatSge bäudes nicht durchzuführen sind. Daß Oesterreich die Auflösung der Türke nicht wünschen kann, liegt auf der Hand. Die Ueberflutung der slawischen Provinzen der Türkei mit russischen Agenten ist nicht bloS für die Pforte, sondern auch für Oesterreich, das keinen Gährungsstoff dieser Natur an seinen Grenzen dulden kann, höchst unbequem gewesen; allein solange Frank reich nicht Partei für die slawischen Bestrebungen Rußlands genommen, hat man diese Agitation unbeachtet gelassen. Nachdem nun jedoch französi sche Kriegsschiffe in den dalmatischen Gewässern erschienen, um den süd slawischen Völkerschaften Beweise der Sympathien der großen Nation zu geben, haben die Dinge eine ganz andere Wendung genommen, und wir begreifen, daß man österreichischerseitS diese Demonstration nicht ohne Be sorgniß sieht. Aber nicht bloS die Regierung, sondern auch der denkende Theil der Nation miöbilligt diese Winkelzüge der französischen Politik, und fürchtet man allgemein, daß hinter diesen Schwärmereien für den Fürsten Danilo und seine respectabeln Unterthancn weit mehr steckt, als man biS- jetzt der Welt vertrauen will. Nun ist Oesterreich jetzt vielleicht nicht in der Verfassung, einen Krieg zu führen; allein trotzdem würde man in Frank reich sehr irren, wenn man darauf hindrängcn wollte. Die österreichische Regierung kennt ihre schwachen und starken Seiten recht genau und ist auch vollkommen in der Lage, jede Störung der Ruhe zu unterdrücken. Ein wohlwollender Prinz, dessen ritterliches Wesen geeignet ist, die Italiener zu fesseln, bestrebt sich in Mailand die Italiener mit der österreichischen Herrschaft zu versöhnen. Sollte» seine Bemühungen nicht von Erfolg be gleitet sein und sollten die Italiener auS Groll gegen Oesterreich die Fran zosen mit allem, waS heutzutage drum und dran hängt, herbeiwünschen, so wird es gewiß nur bei dem frommen Wunsche bleiben, weil man sich in Paris wohlweislich hüten wird, die Gespenster einer früher» Periode heraufzubeschwörcn. Vivien, 3. Juli. Ein Bericht der Posener Zeitung-über die Vorgänge in Lemberg (Nr. 149) hat, abgesehen von gleich nachweisbaren, allerdings unbedeutenden Unrichtigkeiten im einzelnen, wie z. B. in den Namen, der Bezeichnung des Standes der Verhafteten rc., auch in der Hauptsache schon um deswillen gerechten Zweifel an der Genauigkeit der Thatsachen erregen müssen, weil die Untersuchung dieser Thatsachen selbst jetzt noch nicht ,voll ständig geführt ist. Soweit sie aber geführt ist, steht eS schon jetzt fest, daß auch von einer Anklage wegen Vergehen oder Uebcrtretung, von einer Anklage wegen Verbrechen überhaupt oder wetzen Hoch- und Landesverrath insbesondere gar nicht die Rede sein Wird. Inwiefern eS hiernach nöthig war, wie eS der Bericht der Posener Zeitung zwischen den Zeilen lesen läßt, die österreichische Monarchie gewissermaßen in Gefahr zu erklären, mag die ge nannte Zeitung selbst beurtheilen. — ES ist jetzt in der auswärtigen Presse viel von der Rückkehr des seit langen Jahren.auf seiner nassauischen Herrschaft Schaumburg residirenden Erzherzogs Stephan nach Oesterreich die Rede; der Erzherzog soll gewisse darauf abzielende Schritte gethan haben, der Erz herzog Johann soll mit feiner Badereise wesentlich den Zweck verbinden, diese Angelegenheit zu ordnen, und WaS ähnliche Mitthcilungen mehr sind. Man darf ohne weiteres behaupten, daß sich das Ganze nothwcndig der Oeffentlichkeit und dem großen Publikum entzieht. Es ist möglich, daß jene Rückkehr angebahnt wird, aber es ist gewiß, daß das ob, wann und wie lediglich dort, wohin eS gehört, im innern Kreise der Familie erwogen und verhandelt werden wird.— Der Wanderer ist heute mit Beschlag belegt worden. — Der Schlesischen Zeitung schreibt man auS Wien vom 2. Juli: „Heute ist ein Theil der ersten Ausgabe der «Presse» polizeilich mit Beschlag belegt worden. Hat sic vielleicht etwas gegen den Staat oder die Kirche enthalten? Nein, sie hat einfach einen Erlaß deS Fürsterzbifchofs Cardi nals Rauscher an den Klerus mitgetheilt, worin demselben aufgctragen wird, für die bevorstehende glückliche Entbindung der Kaiserin zu beten. Weiter nichts. Ist das ein Vergehen? In Oesterreich ja; denn die hie sigen Journale dürfen keine Hofnachrichten bringen, bevor diese nicht in der k. k. Wiener Zeitung publicirt waren." Italien. Sardinien. Turin, 29. Juni. Die Opinione bringt folgende, vom 23. Juni datirte Korrespondenz von Neapel: „Das Oberprisengericht hatte sich heute neuerdings versammelt, um sein Urthcil in Sachen deS Cagliari abzugeben. Der Advocat Starace behauptete in; Namen der neapolitani schen Marine die Gesetzlichkeit der Wegnahme; daö Gleiche that der Gene- ralprocurator Rocco, fortwährend von der Voraussetzung ausgehend, daß sowol der Kapitän als die Mannschaft mit den Rebellen einverstanden wa ren. Der Gerichtshof zog sich in den Berathungssaal zurück und sprach sich nach langer Berathung im Sinne der Civilpartei und des' Staatsanwalts auS. Das Urtheil bestimmt: 1) die Competenz des Gerichtshofs; 2) die Un abhängigkeit des Urtheils des Prisengerichts vom Urtheil des Criminalge- richtShofs von Salerno; 3) die Gesetzlichkeit der Wegnahme; 4) Verurthei- lung der Schiffseigner und des Kapitäns in die Spesen." Die Wichtigkeit dieses Urtheils ist in die Augen leuchtend nicht allein in politischer und di plomatischer Beziehung, indem die bisherigen diplomatischen Vorgänge hier durch erst ihre rechte Färbung bekommen, sondern besonders in materieller Beziehung. Ist nämlich die neapolitanische Regierung entschlossen, dem Ur theil ihres Gerichtshofs Geltung zu verschaffen, so wird weder der Cagliari noch ein anderes Schiff der Gesellschaft Rubattino in einen Hafen des Kö nigreichs beider Sicilien einlaufen können, ohne sich der Gefahr auszusetzen, von neuem genommen und sequestrirt zu werden. Freilich ist die Frage factisch gelöst und der Spruch deS OberprisengerichtS nur der nothwendige