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670 Würtembcrg. Stuttgart, 7. April. Einiges Aufsehen macht hier die Thatsache, daß der kölner Dombauarchitekt Schmidt, der Sohn eines würtembergischen Pfarrers, der als Professor der Baukunst nach Mailand berufen worden, vor seiner Abreise dorthin zum KatholicismuS übcrge- treten ist. (Zeit.) Baden, üartsrnhk, 5. April. Beim Wiederbeginn der Verhand lungen der Kammern wird die Erhöhung der Besteuerung deS Rüben zuckers zur Sprache kommeu. Obgleich die beiden in Baden bestehenden Fabriken (in Waghäusel und Offenburg) in mehreren Eingaben an die Kammern auszuführen suchten, daß die beantragte Erhöhnng der Nüben- steuer gegen frühere Zusicherungen verstoße und die jetzt blühende Industrie gefährden werde, so hat doch die Mehrheit der Commission der II. Kammer sich für die Regierungsvorlage erklärt. (S. M.) Großherzogthum Hessen. Darmstadt, 5. April. Heute früh war die Polizei damit beschäftigt, ein in großer Anzahl in den Stra ßen «»geheftetes Plakat abzunehmen, welches mit stark gedruckter Schrift an daS Publikum die Einladung richtete: „am dritten Feiertage, morgens 9 Uhr, auf dem Erercirplatze einem von zwei vagircnden Theologen vorzunehmen den großen Tcufelaustreibcn beizuwohncn." Dieses Plakat soll sichern! Vernehmen nach durch die Stadtpost auch an verschiedene Geistliche und son stige Bewohner hiesiger Stadt versandt worden sein. (Zeit.) Oesterreich. A lvicn, 8. April. Noch immer scheint sich die po litische Welt von dem Eindruck des famosen Artikels der Patrie über die englische Besetzung der Insel Perim nicht erholen zu können, wicwol es bereits an zahlreichen Nachzüglern in der officiösen französischen Presse nicht fehlt, welche den Zweck haben, die stürmischen Nachwirkungen jener martialischen Auslassung zu paralysiren. Es ist sicher, daß die Perimfrage in letzter Zeit Gegenstand einer confidentiellen diplomatischen Korrespondenz der Cabinete von Paris und Petersburg gewesen ist, nachdem vorher die vereinten Bemühungen Frankreichs und Rußlands, die Pforte zu einer Klage und bestimmten Forderung auf Herausgabe der Insel Perim zu be wegen, fruchtlos geblieben sind. In Konstantinopel ist das diplomatische Vorspiel wegen Perim bereits seit einigen Wochen in Scene gesetzt nnd im lebhaftesten Gange. Ungeachtet aller Anstrengungen jedoch, zu welchen die Herren v. Thouvenel und Butenicw sich bequemten, ist ihr Plan in der türkischen Metropole selbst sehr wenig gediehen, indem die Pforte nichts davon wissen wollte, bei England auf Herausgabe der Insel Perim in der Weise zu dringen, in welcher es Frankreich und Rußland gern gesehen hätten. Die Pforte weiß recht wohl, daß die englische Occupation der Insel Perim nicht nur kein Schade für ihre eigenen, durch das Suczprojcct schwer- bedrohten Jlltcressen, sondern vielmehr eine äußerst kräftige und ausgiebige Schutzwehr sei, welche sie in diesem Augenblick fallen zu machen am aller wenigsten geneigt ist. Die Pforte hat daher auch nicht einen Augenblick lang in London wegen Perim reclamiren lassen, wicwol dies einzig und allein in den Wünschen Frankreichs und Rußlands gelegen wäre. Da die Cabinete von Paris und Petersburg die Erfahrung gemacht haben, daß mit der Pforte in dieser Richtung kein Bund zu flechten sei, haben dieselben untereinander die bezügliche Frage in den Kreis ihrer vertraulichen Ver handlungen gezogen. Jener famose Artikel der inspirirten pariser Patrie jedoch war ein sogenanntes Aufdenzahnfühlen der öffentlichen Meinung, um zn sehen, welchen Eindruck ein geharnischtes Auftreten gegen England we gen der Insel Perim zu gewärtigen habe. — Die Wiener Zeitung vom 8. Avril enthält folgende Verordnung des Ministeriums für Cultus und Unterricht vom 26. März, betreffend die Be handlung der zum Vorschein gekommenen Sekte „Ncu-Jern salcm, Neu-Salemiten, Johannesbrüder, Bekenner der reinen christlichen Lehre": Nach den GrunLzügen der Glaubcnslchrsätzc, zu denen sich die Anhänger der unter den Namen „Neu-Jerusalem, Ncu-Salemiten, Johannesbrüder, Bekenner der reinen christlichen Lehre" in neuerer Zeit zum Borschein gekommenen Sekte beken nen, leugnen dieselben die Nothwcndigkeit der öffentlichen Gottcsvcrehrung, gleich wie sie dem, zu dem Bestände jeder Gesellschaft unerläßlichen Verhältnisse zwischen Vorgesetzten und Untergebenen die Anerkennung versagen und eine kirchliche Auto rität nicht zulassen, weshalb ihnen die Elemente einer Rcligionsgcnosscnschaft ab gehen. Bei diesem Sachverhalte kann die erwähnte Sekte im Sinne des kaiserlichen Patents vom 31. Dec. 1851 nicht als Kirche oder Religionsgcsellschaft anerkannt werden, und sind die Anhänger derselben als Glieder jener Religionßgescllschaften anzusehcn und zu behandeln, denen sie nach Ausweis des Taufactes oder eines in gesetzlicher Weise erfolgten Uebertritts angchörcn. Demnach wird im Einverneh men mit den Ministerien des Innern und der Justiz und mit der obersten Polizei behörde verordnet, daß gegen jene, welche die genannte Sekte befördern oder an derselben thcilnehmcn, auch wenn damit eine andere strafbare Handlung nicht ver bunden sein sollte, nach §.304 des Strafgesetzbuchs, und wo diese gesetzliche Be stimmung nicht anwendbar erscheint, nach Maßgabe der Ministcrialverordnungen vom 3. April 1855 und dom 30. Sept. 1857 vorzugchen ist. — Der Magdeburger Zeitung schreibt man aus Thüringen vom 1. April: „In welchem Umfange die österreichische Regierung die Bestimmung deS Concordats, wonach in den Schulen nur Lehrer katholischer Religion unterrichten dürfen, anzuwendcn gestattet, davon haben wir unlängst ein Beispiel an einem jungen Mann aus dem Weimarischen gehabt, der an einer Forstschule Böhmens angestcllt war und infolge dessen diese Stelle aufgcben mußte." — Die Breslauer Zeitung erhielt aus Venedig vom 27. März fol genden Bericht über die neulich erwähnte Demonstration im dortigen Fcnice-Thcater: „Die Gräfin Strozzi, eine durch ihre imposante Erschei nung ansfallende Dame, hatte bei reichbesetzter Tafel die Auszeichnung ge feiert, die ihrem Vater, dem Marschall Nugent, durch Verleihung des Vließordens zu Theil wurde, und besuchte unmittelbar darauf, ganz in die ! kaiserlichen Farben gekleidet, daS Fenic,-Theater. Ihrer Parterreloge gegen über befand sich gleichfalls in einer Loge Graf Schaffgotsch, Oberst deS 1. Husarenregiments. Nachdem die Gräfin mit ihrem Gegenüber eine län gere Zeit hindnrch ein lebhaftes Geberdenspiel unterhalten hatte, bei dem sie nicht unterließ, auf die Farben ihres KleideS zu zeigen, erwiderte der Graf diese Demonstration, indem er ihr seinen schwarzgelbcn Federbusch gegenübcrhiclt. Das Publikum wandte seine Aufmerksamkeit von der Bühne ab und dem Schauspiel in den beiden Logen zu. Bald darauf erschien Graf Schaffgotsch in der Loge der Gräfin Strozzi, sichtbar zu dem Zweck, sic zu diScrctcrer Haltung zu bewegen; statt dcsscn wurde sie lauter, nahm den Federbusch vom Tschako dcö Obersten und befestigte denselben als Kopf putz in ihrem Haar. Das Publikum lachte. Die Gräfin wurde in ihrer Unterhaltung noch lebendiger, und als die Herren ans den» Parterre sie zischend zur Ruhe verwiesen, donnerte sie ihnen ein «lauolv v»i» (Ruhig) entgegen. Das wurde das Signal zu einer größern Unruhe. Der Polizei- commissar deS Theaters erschien in der Loge der Gräfin und veranlaßte sie sich zu entfernen. Die Gräfin brach auf, von einer Gruppe Offiziere geleitet; im Kor ridor ward sie von einem Hanfen junger Leute höhnisch mit Pfeifen empfangen, was einem ihrer chcvalcresken Begleiter, dem Rittmeister Grafen Grünnc, Anlaß bot, einen der Katzenmusikantcn zu fassen und durch die Polizei festhaltcn zu lassen. Die Menge verhielt sich ruhig dabei, die Gräfin stieg in die Gondel, der Gefan gene wurde sogleich wieder freigelassen. Der Vorfall wurde sogleich dem in Venedig gerade anwesenden Erzherzog Ferdinand Mar gemeldet, aus dessen Befehl Rittmeister Graf Grünne fort Urlaub erhielt, der Gräfin aber durch die Polizei der ernstliche Nath ertheilt wurde, eine Reise anzutrctcn. Gräfin Strozzi blieb, woraus ihr ein achttägiger Zimmerarrest gegeben und so gleich in Vollzug gesetzt wurde. Der Vater der Jnculpatin erschien beim Gouverneur, um für die milde Strafe seiner Tochter zu danken. DaS Pu blikum vernahm die Maßregel mit Befriedigung, und als der Erzherzog- Gouverneur am Tage darauf in demselben Theater erschien, das der Schau platz der erzählte» Scene gewesen war, wurde er mit sehr lebhaften Zu rufen empfangen. Der Adel Venedigs aber veranstaltet für heute Abend ein 1'lwülre parö, bei dem die Damen im größten Schmuck sehr zahlreich erscheinen werden, um vor den Augen des Erzherzogs daS Betragen der Gräfin Strozzi zu desavöuiren. Sic können selbst beurtheilen, welches Auf sehen diese an sich unbedeutende Geschichte doch in Italien macht. Wäre die Stimmung hier nicht überhaupt eine durch das milde Regiment des Erz herzogs Mar beruhigte gewesen, so hätte es wol schon in der ersten Auf wallung blutige Köpfe gegeben." — In einem Schreiben auS Venedig vom 4. April in ver Ocsterreichi- schcn Zeitung wird der an diesem Tage vorgenommene feierliche Kir chengang des erzherzoglichen Hofes geschildert, der eine höhere, sozusa gen historische Bedeutung dadurch erhalten habe, daß ihm der Dogcnpalast als Ausgangspunkt diente, der nach einer Pause von 60 Jahren aufs neue berufen sei, im öffentlichen Leben des vcnetianischen Volkes die Rolle des wichtigsten Staatsgebäudeö zu übernehmen. Nach einer länger» Beschrei bung des mit allem Pomp auSgcstatteten Zugs heißt es: „Infolge aus drücklicher hoher Anordnung war trotz deö voraussichtlichen Mcnschen- andranges jede Aufstellung von Militär- oder Polizeimannschaften gänz lich unterblieben, und trotzdem ist nicht die mindeste Störung zu beklagen. Und "dies Vertrauen in den guten Geist und das Anstandsgefühl der Be völkerung wird nicht nur dankbar von dieser anerkannt, sondern trägt auch segensreiche Früchte." Schweiz. Der Bischof von Basel hat über die Verkündigung gemischter Ehen an sie Regierung von Aarau ein Schreiben gerichtet, worin er über Ge wissenszwang klagt, welchen die Regierungsverordnung den Geistlichen da durch auflege, daß sie jeden Geistlichen, welcher die Verkündigung gemischter Ehen verweigere, mit 50 Fr. bestrafe. Er sieht hierin eine bedenkliche Stö rung des confessionctten Friedens. Aus einer Reklamation in der Neuen Züricher Zeitung ersieht man, daß der Bischof von Basel die gemischten Ehen nicht als „ungültig", sondern nur (!) als „unerlaubt" und „sünd haft" erklärt. — Pater Theodosius wollte seinem Heiligenkreuzspital in Chur eine klösterliche Einrichtung geben nnd damit ein Erziehungsinstitut und eine Schule verbinden, die dann der staatlichen Aufsicht nicht unterworfcn"scin sollten. Der Stadtrath von Chur hat Einsprache erhoben; eine Untersuchung ist cingcleitet. Pater Theodosius hat das schriftliche Versprechen gegeben, seine Barmherzigen Schwestern binnen 14 Tagen von Chur nach Jngenbohl bei Schwyz zu versetzen. Italien. Die vom Journal deS Debats gegebene Analyse deS Memorandums der piemontesischcn Regierung an ihre Repräsentanten im Aus lande über die Cagliariangelegcnheit, zur Mittheilung an die auswärtigen Mächte abgeschickt, lautet: „Hr. v. Cavour fängt damit an, an die Wich- rtgkcit dieser Frage zu erinnern; es sei eine internationale Frage, welche die Sicherheit des Seehandels aller Nationen betreffe; denn es handle sich um die offenbare Verletzung eines allen Nationen gemeinsamen Gesetzes, welchem sich kein Staat entziehen kann, ohne Gefahr zu laufen, alle Kon sequenzen zu tragen, welche eine absichtliche Abweichung von den Principien deö Völkerrechts mit sich bringt. Da die zwischen den Cabineten von Nea pel und Turin bisher ausgewcchscltcn Erplicationen noch zu keinem Resul tate geführt haben, so stehe ein ernster Konflikt bevor; denn die sardinische Regierung habe ein Recht auf Gcnugthuung, und sie sei entschlossen, durch