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19. Februar 1858. - Nr. 42. - Freitag. Leipzig. Dir Zeiluua «r schcint mit Ausnahme de« Sonntag« NigUch Nachmittag« für den folgende» Tag. Preis für da« Bierteljahr >'/, THIr. i jede einjeln« Nummer 2 Ngr. AMscht Mgmkiilk Kkümg. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Eesehl» All beziehen durch alle Post ämter de« In - und Auslände«, sowie durch die Ernedition i« Leipzig «Querstraße Nr. b>. Insertionsgebühr für den Raum einer A:Ur s Rgr. Deutschland. Preußen. Serlin, 16. Fcbr. Im Herrenhaus» haben heute die Debatten über einen Gegenstand begonnen, dessen tief einschneidende Be deutung erst durch die Verhandlungen klar hervorgetreten ist, und eS kann gesagt werden, daß seit der Wiederherstellung der gutsherrlichen Ortsobrig- keit und der GemeindeordnungSfrage kein Gegenstand der Innern Politik von solcher Tragweite zur öffentlichen Berathung gekommen ist. ES handelt sich zunächst darum, die Ansiedelung unvermögender und unsicherer Per sonen an unpassenden Stellen für den ganzen Bereich der sechs östlichen Provinzen zu verhindern. Wer das Platte Land in den sechs östlichen Pro vinzen kennt, wird, besonders mit Rücksicht auf die oft so große Entfernung der Dorfschaften voneinander, diese Tendenz im allgemeinen gewiß nur gerechtfertigt finden können. Aber die Negierung verbindet hiermit auch noch die Tendenz, der Zerstückelung der Bauergüter emgegenzutreten. Je nach dem Standpunkte, den man einnimmt, könnte sich nun auch dieser Tendenz noch das Wort reden lassen; aber die Vorschläge der Regierung greifen tief ein in das EigenthumS- und freie Verfügungsrecht, und das ist selbst auch solchen Männern, an deren urconservativer Gesinnung kein Zweifel erlaucht ist, denn doch zu viel. Nach den Vorschlägen der Regierung soll, wenn ein Grundstück, auf dem sich Wohngebäude befinden, von dem ebenfalls mit Wohngebäuden besetzten Hauptgute abgetrcnnt und nicht einem andern schon bewohnten Grundstücke zugeschlagen werden soll, dazu die vorgängige Ge nehmigung der Behörde erforderlich sein, und eS soll kein Richter und No tar einen solchen Vertrag eher aufnchmen dürfen, als bis ihm diese Ge nehmigung nachgewiescn ist. Hierzu hat die Commission die sehr wesentliche Abänderung beantragt, daß, wenn die Abtrennung fünf Jahre nach Er bauung der Wohngebäude geschieht, sowie im Falle der Vererbung oder Erbtheilung die betreffende Bestimmung keine Gültigkeit haben soll. Die Regierung bleibt indessen bei dem ursprünglichen Gesetzentwürfe stehen. Würde derselbe angenommen, so würde jede Verfügung über das persön liche ehrlich erworbene Eigenthum abhängig sein vom polizeilichen Ermessen, und wenn der Vater stirbt, so würde er nicht einmal darüber ruhig sein könnest, ob der Landrath sein Testament als gültig werde bestehen lassen. Daß bei solchen einschränkenden Bestimmungen auch der Werth der Bauer- güter sehr würde sinken müssen und daß in demselben Verhältniß ebenso der Credit des Besitzers geschmälert werden würde, liegt auf der Hand. Starke Worte sind über den Gesetzentwurf ausgesprochen worden, besonders von Seiten des konservativen Grafen Hoverden. Auch Graf v. Arnim-Boitzcn- burg sprach sich unter vielseitigem Beifall sehr entschieden gegen den Rc- gieruslgsentwurf auö. ^Herlin, 17. Febr. Die Regierung hat heute eine empfindliche Niederlage erlitten, durch die principielle Ablehnung des wichtigen Ansie- delungsgesctzcs von Seiten des Herrenhauses. Immer weiter ist im Verlaus der Debatte di« immense Tragweite dieses kleinen, aus vier Pa ragraphen bestehenden Gesetzentwurfs hervorgetreten. Unter dem Titel einer Novell« zu den bestehenden Bestimmungen über das AnsiedelungS- wesen hatte man in der Hauptsache etwas ganz anderes, eine umge staltende Principalfrage gegenüber einem der wesentlichsten Theile der gan zen bisherigen inner» Entwickelung Preußens im Auge. Hätte man daS gegenwärtige Gesetz angenommen, so würde das von der Regierung für später in Aussicht gestellte Dismembrationsgesetz so gut wie ganz überflüssig geworden sein; es wäre nämlich nebenbei jetzt mit eingeschmuggelt gewesen. Neben dem Verkauf eines Stück Landes mit Wohngebäuden, welches bisher zu einem andern Gute gehörte, wäre eine größere oder kleinere Zertheilung eincö Guts überhaupt unmöglich gewesen, indem nämlich alle die dahin zie lenden Verträge abhängig gewesen wären von der Genehmigung der zu ständigen Behörde, also des Schulzen , der Ortsobrigkeit, des Landraths re. Ja, der Landmann hätte über sein Vermögen nicht einmal als Testator be stimmt verfügen können, indem die Erfüllung scines-TestamentS nach seinem Tode abhängig gewesen wäre von der Zustimmung der Obrigkeit. Welche Con sequenzen das Gesetz, wenn man cs angenommen hätte, gehabt haben würde, ist gar nicht zu ermessen, und cs zeugt eben von diesem Charakter des Gesetzent wurfs mehr und sprechender, als durch spaltcnlange Auseinandersetzungen gesagt werden könnte, daß das Herrenhaus, welches doch aus so durch und durch csnservativen Elementen besteht, sich in seiner großen Mehrheit gedrungen fühlte, das angesonncne Gesetz in der allcrentschiedenstcn Weise abzulehnen. Es ist unsere feste Ucberzeugung, daß das Herrenhaus sich durch diese Hal tung um Land und -Volk wirtlich verdient gemacht hat. In der principicl- len Bedeutung des Gesetzentwurfs aber und in der principiellen Stellung, welche das Herrenhaus dem Gesetzentwürfe gegenüber einnahm, liegt zugleich auch die principielle Tiefe der Niederlage, welche die Regierung, zunächst der Minister des Innern und der Verweser des landwirthschaftlichen Mini steriums, bei dieser Gelegenheit erlitten. Unter andern Verhältnissen hätte diese Niederlage auch schon ihre Bedeutung; unter den gegenwärtigen Ver hältnissen aber dürfte diese Bedeutung leicht nach einem »och viel größern Maßstabe zu messen sein. — Die Herren Uhden und Graf v. Voß-Buch haben mit 20 andern Mit gliedern deS Herrenhauses demselben folgenden Antrag vorgclegt: „einen Antrag an die königliche Regierung dahin zu richten, daß die durch die al lerhöchste Verordnung vom 6. Jan. 1849 eingcführte allgemeine Wech- sclfähigkeit aufgehoben und beiden Häusern des Landtags ein Verord nungsentwurf vorgelegt werde, in welchem die Wcchselfähigkeit auf die Per sonen beschränkt werde, welche ihrer zu ihren Geschäften bedürfen." — Der »Zeit» wird aus Königsberg vom 16. Febr. über daS Duell zwischen dem Generallicntcnant v. Plehwe und dem Lieutenant im 3. Kü- rassierregiment Konrad Jachmann und dessen Veranlassung aus authenti scher Quelle noch folgende Mittheilung gemacht: „Infolge vorhergegangener Ereignisse, in Bezug auf welche hier nur bemerkt werden soll, daß der Sohn des Generals v. Plehwe bereits früher seinem Schwiegervater, dem Commerzienrath Jachmann, schriftlich eröffnet hatte, daß er die Beziehungen zu dessen Familie abbrcchcn wolle, hatte letztere sowie die Tochter des Jach- mann, Frau v. Plehwe, welche im Einvcrständniß mit ihrem Manne im Hause ihrer Aeltern eben ihre Wochen gehalten hatte, zunächst beschlossen, jede Berührung mit der Familie v. Plehwe zu vermeiden, um ferner« är gerlichen Austritten auszuweichen. Als daher am 11. Febr. der General v. Plehwe nach Trutenau kam und dort von dem Commerzienrath Jach mann nicht angenommen wurde, verlangte er den Lieutenant Jachmann zn sprechen, welcher darauf den General auf fein Zimmer führte und ihn dort zum Sitzen nöthigte. Hier richtete der General an denselben die Frage, ob er im Auftrage seiner Aeltern dem Sohn v. Plehwe den Eintritt in daS Haus verweigert habe, was Jachmann bejahte. Er fragte ferner, ob er die .Ansicht seiner Aeltern theile, die Beziehungen zur, Familie v. Plehwe ab zubrechen, worauf der Lieutenant Jachmann antwortete: seine Ansicht thue hier nichts zur Sache, indessen da der General ihn danach frage, so müsse er erklären, daß er mit den Maßregeln seiner Aeltern einverstanden sei. «Dann find Sie ein infamer Hundsfott und Sie müssen sich mit mir auf Tod und Leben schießen», antwortete der General und ging fort. Der Lieutenant Jachmann machte sofort von dem Vorfall und dem Gespräch mit dem General v. Plehwe dem Ehrenrath seines Regiments Anzeige, welcher sich vergeblich drei Tage lang bemühte, die Sache beizulegcn. 'Der General v. Plehwe erkannte die Anzeige und Darstellung Jachmann's als vollkom men richtig an, erklärte jedoch, daß er mit dem Ehrenrath sich nicht zu befassen und als Generallieutenant wisse, was er zu thun habe. Demnach fand nun am 15. Febr. hinter dem Kugelfange auf dem kleinen Erercier- platze zwischen den Betheiligten ein Pistvlenducll auf fünf Schritte Barriere statt, unter Beistand des Hauptnianns v. Schlichting als Sekundanten des Generals und des Premierlieutenants v. Lehwaldt als Sekundanten Jach mann's, und in Gegenwart des Ehrenraths, bestehend aus dem Rittmeister v. Gottbcrg und den Lieutenants v. Knoblauch und v. Zander l. sowie der Aerzte Professor Or. Burow und vr. Schickert. Ausgestellt auf ihrem Platze avancirte der General bis zwei Schritte gegen die Barriere und zielte; als er jedoch sah, daß Jachmann auf seinem Poste» stehen blieb, das Pistol vor der Brust mit der Mündung nach oben, rief er mit lauter Stimme: «Lieutenant Jachmann, was soll das heißen? Das lasse ich mir nicht ge fallen, Sie müssen auch schießen!» Jachmann schüttelte mit dem Kopf und blieb stehen. Plehwe sagte, indem er absctzte: «Meine Herren, ich bitte den Lieutenant Jachmann zu veranlassen, daß er schießt.» Darauf schüttelte Jachmann wieder mit dem Kopf und blieb fest stehen. Erst als dem Ge neral bedeutet worden, daß jeder schießen könne, wann er wolle, gab der General den ersten Schuß ab. Die Kugel drang in den Mund, verletzte den Unterkiefer und ging an der linken Seite des Halses hinaus. Nach momentanem Taumeln avancirte Jachmann einige Schritte und feuerte, worauf der General, durchs Herz getroffen, lautlos niedersank. Von allen, welche bei diesem traurigen Vorgang betheiligt gewesen und mit dessen Ver anlassung genau bekannt sind, wird das maßvolle und zur Versöhnung ge neigte Benehmen des Lieutenants Jachmann anerkannt." Die Königsberger Hartung'sche Zeitung sagt: „General v. Plehwe stiftete 1848 in Königsberg den Preußenverein und besaß seitdem dort ei nen festbegründeten Einfluß. Sein Sohn, der Lieutenant a. D. v. Plehwe, hatte die Güter seines Schwiegervaters, des Gutsbesitzers und Commcrzien- raths Jachmann auf Trutenau und Ncsselbeck, gepachtet und betrieb zugleich mit demselben sehr ausgedehnte Fabrikanlagen. Der gegen beide am 13. Jan. rcsp. 12. Febr. verhängte Concurs ist in den öffentlichen Blättern mitge- theilt. Nach mehrer» Berichten erlitten eine große Anzahl von Personen dadurch bedeutende Verluste oder wurden ebenfalls insolvent. Die Betroffenen behaupteten, großentheils in Hinblick auf die hervorragende Stellung deS Generals dem Lieutenant v. Plehwe Credit gewährt zu haben, und eS wurden viele Klagen laut. Der General sah sich dadurch veranlaßt, seinen Abschied