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I5V Neuere Nachrichten. * London, 22. Zan. (Telegraphische Depesche.) Eine ofsictelle De pesche aus Alerandrien vom 17. Zan. meldet aus Kalkutta vom 25. Dec., daß Oberst Seaton, von Delhi kommend, die Meuterer am 1t. und 15. Dec. in der Nähe jenes Platzes ge schlagen habe. Die Rebellen verloren 750 Mann, ihr Lager und 11 Kanonen. Der Verlust der Engländer war nur ge ring. Die Communication zwischen Bombay und Kalkutta ist wieder hergestellt. — AuS Hongkong wird vom 16. Nov. ge meldet, daß Lord Elgin dem Gouverneur Veh ein Ultima tum zugestellt habe. Dasselbe war indessen unbeachtet ge blieben. , , * London, 22. Jan. (Telegraphische Depesche.) Bei der Hestern stattgefundenen Revue in Woolwich waren der Prinz von Preußen nebst den übrigen hohen Gästen anwesend. Die Frau Prinzessin von Preußen und die Königin waren nicht zugegen. Zn der gestrigen Oper wurde der Hof bei seinem Eintritte auf daS lebhafteste begrüßt. — Der Dampfer Arago ist mit 460,000 Doll, an Contanten und Nachrichten aus Neuyork bis zum 9. Jan. eingetroffen. Fonds und Eisenbahnactien waren animirt, Baumwolle '/z D. höher. Der Atlantic war aus Europa cingetroffen. Eine Botschaft des Präsidenten rügt, aber entschuldigt das Verhalten des Commodore Paul ding in der Walkcr'schen Angelegenheit. F e u i l -f-f Dresden, 21. Jan. Eine musikalische Novität, die soeben ein nicht gewöhn liches Interesse erregt hat, ist die vor wenigen Tagen hier zum ersten male in Scene gegangene große Oper „Agnes" von Karl Krebs, dem jünger» unserer beiden Kapellmeister am Hofthcater. Das Werk ist bereits vor einer ansehnlichen Reihe von Jahren geschaffen und damals in Hamburg sowie in Stuttgart zur Auf führung gelangt. In neuerer Zeit hat es der Componist'überarbeitet oder viel mehr wesentlich umgestaltet, und so ist es ein Product, an welchem einerseits die schwärmerische Begeisterung der Jugend, andererseits die Besonnenheit und tech nische Praxis des gereiften Mannes Antheil hat. Man kann sich denken, daß dies der Oper zugute gekommen, denn Krebs gehört nicht allein zu den tüchtigsten Mu sikern, sondern auch zu denen, welche sich die natürlichen Bedingungen ihrer Pro- ductionskraft nicht verbergen. Die scinigc hat zwar nicht Fülle und Macht genug, um neue Bahnen zu brechen, aber sie ist von einem klaren Bewußtsein geleitet, unterstützt und gehoben. Um Werke von echt künstlerischer Bedeutung hervorzu- bringcn, kann auch selbst das Genie dieses mäßigenden Regulators nicht entbehren, während das beschränktere Maß der Gestaltungskraft durch denselben erweitert und erhöht wird. Krebs versteht es, sein Talent nach bestem Wissen und Gewissen zu benutzen. Davon legt auch seine Oper ein ihn ehrendes Zeugniß ab, und des halb hat sie auch vorzugsweise eine so günstige Aufnahme gefunden, sowol bei der Kritik, welche ihr ein nicht blos durch die Person begründetes, sondern durch die Sache selbst gebotenes Wohlwollen gewidmet, als beim Publicum, das während der ersten Vorstellung den Componistcn drei mal hervorrief. Der Gegenstand der Handlung ist der bekannten Geschichte der unglücklichen Agnes Bernauer!» ent lehnt, aber ihren» Ausgange nach verändert, dessen Tragik der im Ganzen mehr weich als leidenschaftlich empfindende Tondichter nicht übers Herz gebracht. Damit ist indessen nicht gesagt, er empfinde undramatisch; sein Werk hat vielmehr den Ausdruck des Handelnden in einem dem Sujet entsprechenden Grade, und ein paar Längen werden leicht zu beseitigen sein, weil sic keine organischen Fehler sind. In Betreff des Stils seiner Musik steht Krebs auf dem Boden der Restaurationsepoche und folgt dem von Weber vorgczeichneten Wege, auf dem ihm Marschner nachge- wandclt, und auf welchem auch der jüngere Nachfolger hinlänglichen Spielraum hat, um seine eigene Individualität außzusprcchen. Dies thut er in musikalisch gewandter, charakteristischer und melodischer Weise, sodaß das zuhörendc Publicum wohlthucnd angeregt, erwärmt und gefesselt wird, und die Musikkenner werden die bemerkenSwcrthen Vorzüge, z. B. der Instrumentation und der Härmonieführung, nicht ungewürdigt lassen Jnscenirung und Ausführung der Oper, die bereits wie derholt ist, und die ich soeben für morgen wieder angekündigt lese, waren reich und in hohem Grädc vorzüglich. Man braucht nur zu bemerken, daß die Haupt- particn von Frau Bürde-Ney, -Herren Lichatschcck und Mitterwurzer vertreten sind, und man kann sich jedes weitern Lobes übcrheben; sie gaben Leistungen ersten Ranges, für welche das Publicum ihnen seine Anerkennung durch oft wiederholte Auszeichnungen bekundete, ohne die treffliche Mitwirkung der andern Repräsentan ten, der Herren Weiß, Bohrer und Dettmer, sowie der Frau Kriete zu verkennen. x München, 20. Jan. Nachdem das hiesige Hof- und Nationaltheatec durch Grippe und andere Krankheiten Monate lang in seiner winterlichen Kraftentfaltung gelähmt war, hat cS gestern durch Aufführung der historischen Tragödie „Karl der Kühne" von Melchior Mehr zum ersten male wieder eine größere Novität ge bracht. Das Stück wurde, trotzdem daß die Darstellung in Folge einer nicht ganz regelmäßigen Besetzung gar manches zu wünschen übrig ließ, von dein gut besetzten Hause mit lebhafter Thcilnahme und Anerkennung ausgenommen und der Dichter am Schluß deS dritten und fünften Acts gerufen. Die Dichtung macht in Hand lung, Charakteristik und Sprache durchweg den Eindruck einer Tragödie höher» Stils und ist bis auf den nicht drastisch genug gehaltenen Eingang der Exposition l e t o u. und bis auf die den Mansiel der Darstellungsmittel allzu fühlbar »lachenden und allzu viel Raum für sich in Anspruch nehmenden Schlachtsccnen des vierten und fünften ActS von guter Bühnenwirkung. Die dramatisch cffectvollsten Partien sind der Conflict zwischen Karl und Philippa im ersten, die Audienz und Kriegserklä rung der Schweizer im dritten und die Erscheinung Ludwig'« Xl. im fünften Act. Schade ist, daß der Dichter diese interessante Charakterfigur nicht schon früher ein geführt und dadurch die Wirkung der heroisch gehaltenen Hauptpersonen noch er höht hat. Unter den Darstellern zeichneten sich besonders die Herren Dahn als Herzog Karl, Tost als König Ludwig und Richter als Graf v. Croy aus. — Es werde» nun demnächst die Prcisstücke, und zwar zuerst „Der Raub der Sabi nerinnen" zur Aufführung kommen. * Leipzig, 23. Jan. Professor Johann Eduard Erdmann in Halle hat kürzlich seine „Vorlesungen über akademisches Studium und Leben" im Verlage von Karl Geibel in Leipzig (1858) erscheinen lassen. DaS interessante und instructivc Buch ist aus Vorträgen hervorgcgangen, welche Professor Erdmann seit Decennien vor einem studentischen Publicum, das letzte mal im vergangenen Winter, zu Halle gehalten hat. Wir müssen an dieser Stelle auf eine ausführlichere Besprechung des Buchs verzichten und wollen nur hcrvorhcben, daß darin die wichtigsten Gegenstände, welche auf akade misches Leben und Studium Bczusi haben, in anregender, oft pikanter Darstellungswcise zur Sprache kommen: das Verhaltniß der Studirendcn zur bürgerlichen Gesellschaft, zum Staat, zur Kirche, zu den Professoren, zu den Mitstudircnden, zum Object des Studiums, die „Idee des Studenten", des Studircnden physische, psychische und sittliche Ausbildung, die bedeutungsvollen Fragen: „Was wird studirt?" und „Wozu wird studirt?" ic. Diese kurzen Andeutungen werden ohne Zweifel hinreichen, um die Aufmerksamkeit des akademischen Publicum« auf diese inhaltreichen Vorlesun gen hinzuleiten. * Der Frankfurter Postzeitung ist bei der Wiedergabe der ersten telegraphischen Mittheilung über daS Attentat auf den Kaiser Napoleon ein hübsches Quipro- q uo passirt. In der ihr zugcgangenen Depesche hieß cs wörtlich : „roczuot iogäromenl bloss« nuquo". DaS erste Wort war klein geschrieben und bedeutet in dieser Ortho graphie Mop«, oder Schooshund. Sie hatte demnach übersetz»: „Das Schooshünd- chen der Kaisern» wurde leicht im Nacken verwundet" (statt: General Roguet) Uebri- gcns hat dieser Fall von neuem gezeigt, welches weite Gewissen manche Zeitungs- rcdactionen in der Benutzung der Nachrichten anderer ohne Quellenangabe haben. Die Frankfurter Postzeitung fügt nämlich hinzu: „Wir glaubte» in diese Deutung um so weniger Zweifel legen zu müssen, al« un« in der Depesche durch diese Stelle die Nähe der Gefahr, welcher das kaiserliche Paar ausgesetzt war, angedeutet schien. Diesem unschuldigen Jrrthum verdanken wir wenigstens den Beweis, daß die soge nannten Originaldepeschcn der-Zeitungen benachbarter Städte au« der Frankfurter Postzeitung und dem Frankfurter Journal ohne Quellenangabe entnommen sind, denn die Nassauische Zeitung und das Mainzer Journal bringe»» unsere Version mit den» Schooshündchen, und die Mittelrheinische Zeitung die Version des Frank furter Journal, welche« den obigen Passus al« eine Verwundung des Kaiser« in» Nacken durch Ricochettircn einer Kugel auslcgte." * Der bekannte Schriftsteller Arnold Schlocnbach hat zu Koburg eine Kna- benerziehungSanstalt begründet, die bereits ins Leben getreten ist. „Sittliche, wis senschaftliche und ästhetische Bildung bei praktischer und natürlicher Lcbensrichtung und gesunder Körperlichkeit zu entwickeln, zu erweitern und zu befestigen", ist der Grundsatz seiner Anstalt, die durch die günstige Wahl de« Ort«, durch den vortreff lichen Zustand der koburger Schulen wesentliche Förderung finden wird. Handel und Industrie. Frankfurt a. M., 18, Jan. Ueber die schon erwähnte Versammlung deut scher Industriellen, welche gestern hier zahlreich getagt hat, entnehmen wir der Frankfurter Handelszeitung: Gemäß dein Beschlusse vom 6. Dec. v. I. fand gestern eine zweite Versammlung der Industriellen Deutschland« zum Zwecke ge meinschaftlicher Besprechung über den französischen sogenannten gegenseitigen Schuh vertrag des literarischen, artistischen und industriellen Eigcnthum« statt. Industrie zweige au« allen Fächern und namhafte Handelsfirmen waren durch das persönliche Auftreten ihrer Chefs rcpräsentirt. Die Verhandlungen boten reiches Material dar, denn Männer von Fach und Sachkenntniß verbreiteten sich über die Nachtheilc, mit welchen jener beabsichtigte Vertrag, wen»» nicht die ganze deutsche Industrie doch sehr beträchtliche Theile derselben bedrohe. Haben auch die Fabriken von Seidenstoffen, Putzwaaren, Hüten, Bijouteriewaaren, Tapeten, Papeterien, mous- sirenden Weinen, kur; alle Fabrikate, welche mit Auszeichnungen (Desseins, Eti ketten, Marken) versehen find, die Concurrenz französischer Artikel nicht M scheuen, so sind sie doch auf ihren Absatzwegen den leider schon lange herrschenden Vorur- thcilen Und Launen der Mode, welche man die Richtung des Geschmacks nennt, unterworfen, sodaß z. B im Quincailleric- und Kurzwaarengeschäft alle deutsche Erzeugnisse bis auf Knöpfe und Nadeln herab üblicher Weise englische oder fran zösische Auszeichnungen tragen. In Bezug auf den Scparatabschluß Badens mit Frankreich *) waren schon in der ersten Versammlung Zweifel geäußert worden, *) Der in Rede stehende Vertrag zum Schutze der Fabrikstempel und Fabrik zeichen wurde am 2. Juli 1857 abgeschlossen und bildet eine Ergänzung zu dem jenigen, welcher den Schutz de« literarischen und artistischen Eigenthums feststellt: ob denn wol Bade» al« Mitglied des Zollvereins für sich allein neue Zoll- und Handelsverträge abschließcn könne. Heute machte sich die bestimmte Ansicht und Erwartung geltend, daß Baden, weil es durch den Separatvertrag sein Gebiet einem Theile der Fabrikate des Zollverein« verschließe, nun auch unmöglich in Zukunft in gleicher Weise wie bisher an den Einkünften des Zollvereins Theil Haber» werde (k). Ohne Zweifel würden irr diesem Sinne Beschwerden und Vorstellungen an den Zoll verein und die Zollconfcrcnzcn einlaufen, wie ebenso zu erwarten stehe, daß andere Handels- und Gewerbekammern das Beispiel der Handelskammer von Mainz nach ahmen und Vorstellungen und Bitten gegen den Abschluß an ihre betreffende»» Regierungen absenden werden. Man war einig darüber, daß der in Rede stehende Vertrag kein gegenseitiger Schutzvertrag sei, sondern eigentlich ein einseitiges nach-, theiliges Verbot für deutsche Jndustrieartikel und deren übliche Bezeichnungen auS- sprcche; denn der dem französischen Handel gewährte Schutz würde mit der Hem mung und Lähmung einer Menge blühender deutscher Geschäftszweige erkauft wer den. Wo Gegenseitigkeit der Interessen fehlt, kann kein gegenseitiger Vertrag er richtet werden. Aus mehren an die Versammlung gerichtete»» Briefe» war die er freuliche Mittheilung zu entnehmen, daß einzelne deutsche Regierungen ihren Fabri kanten schon die beruhigende Zusicherung gegeben haben, es würde das französische Anerbieten abgclehnt werden. Schließlich ward da« bisherige provisorische Comite definitiv ernannt und als nächster Sitzungstag der 21. Fcbr. festgesetzt. Fälschungen im einen wie im andern werden fortan in den beiderseitigen Länder» als Nachdruck bestraft, sobald die im Artikel 2 aufgestelllen Bedingungen wcgci» Deponirung der echten Stempel und Marken erfüllt sind. Der Beitritt anderer Staaten ist vorbehalten.