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bereits zu Lebzeiten des Komponisten im Druck. Das heute erklingende Kon zert für Oboe, Streicher und Cembalo C-Dur (Nr. 6 der Werkgruppe VII im Verzeichnis Antonio Fannas) ist ein klar gegliedertes, virtuo ses Paradestück, das in seinen drei Sätzen dem Soloinstrument jede Möglichkeit zur Demonstration seiner Eigenschaften gibt. Reichlich Gebrauch wird von der Ornamentierung gemacht. Im langsamen Mittelsatz entfaltet sich das expressive Soloregister zu schöner Wirkung. Die schnellen Ecksätze formulieren heiter-kraft volle Affekte. Friedrich Schenker wurde im Jahre 1942 in Zeulenroda geboren. An der Hochschule für Musik „Hanns Eisler" in Berlin studierte er 1961—1964 die Fächer Posaune und Komposition (bei Günter Kochan). Seit 1964 wirkt er als Solo-Posaunist am Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig. Sein Kompositionsstu- dum setzte er an der Leipziger Musikhochschule bei Fritz Geißler fort und schloß es 1967 mit dem Staatsexamen ab. 1971 bis 1973 war er Meisterschüler Paul Dessaus an der Akademie der Künste der DDR. Friedrich Schenker konnte mit seinem eigenwilligen kompositorischen Schaffen, das Solokonzerte, Orchester- und Kammermusikwerke, Kantaten umfaßt, in den letzten Jahren wiederholt auf sich aufmerksam machen. Seine 1969/70 in memoriam Martin Luther King komponierte Sinfonie fand bekanntlich 1972 bei ihrer Uraufführung durch die Dresdner Philharmonie unter Kurt Masur eine leidenschaftlich umstrittene Auf nahme. 1975 gelangte - wiederum bei der Dresdner Philharmonie - Schenkers Fagottkonzert zur Uraufführung, für das der Komponist mit dem 2. Preis im Kompositionswettbewerb um den Carl-Maria-von-Weber-Preis der Stadt Dres den 1971 ausgezeichnet wurde (ein 1. Preis wurde nicht vergeben). 1976 erhielt Schenker den Hanns-Eisler-Preis von Radio DDR für das Stück „Landschaften" für großes Orchester. Die Urfassung seines für Burkhard Glaetzner geschriebenen Konzertes füi Oboe und Streichorchester schuf der Komponist bereits 1966. Da mals beabsichtigte er, einiges von der Leichtigkeit der 1. Wiener Schule (Haydn, Mozart, Beethoven, vornehmlich aber Haydn) mit den Konstruktionsprinzipien der Zwölftontechnik, also der 2. Wiener Schule (Schönberg, Berg, Webern), zu verbinden. Mit diesem Verfahren konnte der Komponist, wie er selbst eingesteht, der Gefahr des Stilbruches nicht immer entgehen. In einer überarbeiteten Fas sung, die Schenker 1976 im Auftrag der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwe rin herstellte, liegt das Werk nun vor. Die Haydn-Zitate, die vorher nur Collage- Charakter hatten, wurden stärker verschlüsselt, der Schlußsatz überhaupt neu komponiert. Es handelt sich um eine dreisätzige Komposition von spielerischer Gelöstheit, die im Inhaltlichen hintergründige Freundlichkeit, virtuose Unter haltung mit Expressivität und persiflierender Anspielung verbinden möchte. Der Gestus des Musizierens ist bei aller Neuartigkeit durchaus an der Wiener Klassik orientiert. Die übernommenen klassischen Formprinzipien wie Sonaten hauptsatz (1. Satz), A-B-A-Form (im langsamen, expressiven Mittelsatz) und Rondo mit Variationen (3. Satz) wurden natürlich mit neuen kompositorischen Mitteln höchst unkonventionell verschmolzen. Außergewöhnliche technische An forderungen werden an den Solisten gestellt, der neue Spieltechniken und Aus drucksmöglichkeiten seines Instrumentes zu erproben hat. Anton in Dvoraks 8. Sinfonie G-Dur op. 88, bei der Herausgabe unrichtigerweise als Dvoraks „Vierte" bezeichnet, da sie die vierte gedruckte Sin fonie des Komponisten darstellte, entstand im Sommer und zu Beginn des Herbstes 1889, kurz nach der Komposition des Klavierquintetts Es-Dur — knapp sechs Jahre nach dem Abschluß der vorangegangenen 7. Sinfonie. Die Urauffüh rung der G-Dur-Sinfonie fand am 2. Februar 1890 in Prag durch das Orchester des Nationaltheaters unter Dvoraks eigener Leitung statt, der das Werk bald darauf auch in London und etwas später in Frankfurt/Ma'n zur Aufführung brachte. Das „herrliche Werk", wie der bedeutende Dirigent Hans Richter die Sinfonie nach der Wiener Erstaufführung in einem Brief an den Komponisten begeistert nannte, wurde überall mit viel Wärme und Begeisterung aufgenom men. Einer Zeit beglückenden friedlichen Schaffens inmitten herrlicher Naiur auf Dvoraks Sommersitz in dem böhmischen Dorfe Vysokä entstammend, zeigt die 8. Sinfonie im Gegensatz zu der von leidenschaftlichem, trotzigen Ringen erfüllten vorangegangenen d-Moll-Sinfonie eine heitere und lichte, friedvoll-harmonische Grundhaltung. Innige Naturverbundenheit, Volkstümlichkeit und helle Lebensbe jahung sprechen aus diesem an unerschöpflichen Einfällen reichen, stimmungs- und gefühlsmäßig sehr einheitlichen Werk. Formal bildet es — trotz Beibehaltung der klassischen Sinfonieform — Dvoraks selbständigste sinfonische Schöpfung, die in manchen Einzelheiten von den übrigen Sinfonien abweicht und die musi kalischen Gedanken in neuartiger Weise verarbeitet. Mit einem choralartigen, feierlichen g-Moll-Thema der Celli und Bläser über ruhi gen Kontrabaß-Pizzikati beginnt der erste Satz (Allegro con brio). Dieses Thema bleibt für den motivischen Aufbau des Satzes ohne konstruktive Bedeutung, er scheint aber in gleicher klanglicher Gestalt nochmals vor Beginn der Durchfüh rung und vor der Reprise. Das eigentliche Hauptthema des Satzes in G-Dur, das zuerst von der Flöte angestimmt wird und dem später ein schlichtes, etwas schwermütiges Thema in h-Moll zur Seite gestellt wird, steht in scharfem Gegen satz zu dem Einleitungsthema. Heiter und lieblich einsetzend, unterzieht sich das Hauptthema im Verlaufe des Satzes mannigfachen Wandlungen in Gestalt und Charakter. In vielfältigen farbigen Bildern, die Gedanken, Gefühle und Stimmungen von lichter Freude und Heiterkeit, aber auch von tiefer, ernster Innigkeit widerspiegeln, entfaltet sich das sinfonische Geschehen. Das folgende Adagio in c-Moll, das eine nahe Verwandtschaft mit einem Stück aus Dvoraks Klavierzyklus „Poetische Stimmungsbilder" op. 85, „Auf der alten Burg", zeigt und gleichsam als dessen Weiterentwicklung zu deuten ist, ist von starkem poetischen Ausdrucksgehalt. Neben dem stolzen, etwas düsteren Haupt thema, das eine glanzvolle dramatische Steigerung mit feierlichen Trompeten klängen erfährt, wird im Mittelteil eine sehnsüchtig-weiche Melodie besonders bedeutsam. Träumerisch-friedvoll verklingt der reizvolle Satz. Ruhig bewegt entfaltet sich der frische dritte Satz (Allegretto graziöse). In den Violinen erklingt über Figuren der Holzbläser das kantable, leicht schwermütig angehauchte tänzerische Hauptthema des ersten Teiles, der nach einem G-Dur- Mittelteil notengetreu wiederholt wird. Im Mittelteil zitierte der Komponist übri gens eine Melodie aus einer fünfzehn Jahre früher entstandenen Oper (Lied des Tonik „Sie so frisch, jugendlich, gar so alt er" aus „Die Dickschädel"). Die kurze Coda bringt einen temperamentvoll-beschwingten Tanz im Zweivierteltakt, der den Satz originell und witzig beschließt. Besonders starke Beziehungen zur tschechischen Volksmusik weist das Finale (Allegro man non troppo) auf, in der auch das mitreißende, rhythmisch prägnante Hauptthema verwurzelt ist. Dieser meisterhaft gearbeitete, formal neben dem ersten Satz am kompliziertesten angelegte Satz — die klassische Sonatenform wird in Exposition und Reprise durch reiche Variationen des Hauptthemas erwei tert — beendet in elementarer Lebensfreude die Sinfonie, die eine der heitersten Schöpfungen der damaligen europäischen Musik darstellt. Dr. Dieter Härtwig Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1977/78 - Chefdirigent: Prof, Herbert Kegel Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 2.85 T. ItG 009/95/77 EVP —,25 M (•Inillnarnnomi^ -5r ZYKLUS-KO N Z E R TUND - 5. KONZERT IM A N R E C H T C 1 977/78 KONZERTANRECHT DER DRESDNER JUGEND