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Mittwoch. Leimig. '«X' Zeipin, er. schein« mit 8u«aahtne ve« Sonntag« «»glich Nachmittag« für «en folgenden Tag Preis für da« Vierteljahr l>/, Thlr-i jede einjelne !>lummer 2 Ngr.' — Rr. 4. - Mutscht MWckt ZMilg. «Wahrheit und Necht, Freiheit und Gesetz!» 6. Januar 1858. Zu bejiehe» durch alle Post ämter de» Zn - und iluttande«, sowie durch die Erpedition in tlipNg «Querstraße Nr. d). Lnsertionsgcbühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Rückblicke, i Die allgemeine» Staatenverhäbtnisse. Die Frage der Donau fürstenthümer und deS Schwarzen Meeres. -----Leipzig, 5. Jan. Die Signatur des vergangenen Jahres war in Bezug auf die allgemeinen Staatenverhältnisse eine entschieden friedliche. Die noch übrigen Anstände wegen Ausführung des Pariser Friedens wur den durch Festigkeit von der einen und — wahrscheinlich in Folge dessen Nachgiebigkeit von der andern Seite vollends hinweggeräumt. Nur eine der damals offen gelassenen oder wenigstens in Betreff ihrer speciellen Rege lung vertagten Fragen — die Frage der Organisation der Donaufürsten thümer — blieb während dieses ganzen Jahres ein Gegenstand fortwäh render diplomatischer Sorgen und mannichfaltigster Manöver und Gegen manöver, theils in den genannten Ländern selbst, theilS in Konstantinopel, theils zwischen den Cabincten der fünf Großmächte. Einmal sogar war eö nahe daran, daß infolge dieser Frage der Mentschikow'sche Vorgang vom Jahre 1852 sich wiederholte und die Türkei in «inen offenen Conflict, dies mal gleich mit mehren der Großmächte, gerieth. Und zwar war es Frank reich, der damalige Verbündete der Pforte, welches jetzt zu einem Collectiv- schritt dreier Mächte (nächst ihm noch Rußland und Preußen, denen sich Sardinien zugescllte) daS Signal gab, zu einem Schritte, der, wenn er auch — Dank der Besonnenheit des andern Theils — ohne weitere Folgen für den europäischen Frieden blieb, doch ein bedenkliches Präeedenz für die Behandlung derartiger Fragen und ein flagranter Beweis dafür Ivar, daß es mit der im Pariser Frieden so feierlich proclamirtcii Hineinziehung der Türkei in das europäische Staatenspstem im einzelnen gegebenen Falle noch immer sehr mislich aussieht. Man suchte die Pforte durch Drohungen, die bis zum Abbruch der diplomatischen Verhandlungen gingen, zur Annulli- rung der moldauischen Wahlen (angeblich wegen dabei vorgegangener Un regelmäßigkeiten, in Wahrheit aber wegen ihres dem französisch-russischen Unionsproject entschieden ungünstigen Ausfalls) zu nöthigen, und dieser Versuch gelang auch wirklich, da Oesterreich und England, obgleich beide treu zur Pforte haltend, cs doch in einer bloßen'Formfrage nicht zum Aeu- ßersten kommen lassen mochten. Die Pforte gab also insoweit nach, daß sie neue Wahlen ausschricb, welche denn auch, da nunmehr der unionisti- sche Einfluß auf die rückhaltloseste Weise, besonders seitens der Agenten Frankreichs, geltend gemacht wurde, im durchaus entgegengesetzten Sinne gegen die frühern ausstelen. Gleichzeitig jedoch beharrte die Pforte, darin kräftig unterstützt von ihren bejden Verbündeten, bei der Erklärung, daß, wie immer das Ergebnifi der Verhandlungen beider Divans über die Unions frage ausfallen möge, sic sich, als die oberste Sonveränin jener Länder, die letzte Entscheidung darüber Vorbehalte und solche niemals ausgeben werde. Inzwischen nahm die NnionSfragc im Rathe der Mächte selbst eine andere Wendung. Während Oesterreich unmittelbar an dem Getrenntblci- ben der beiden Fürstenthümer festhielt und England keineswegs, wie einmal vorübergehend verbreitet ward, sich zu Frankreich hinübcrneigte, vielmehr in der persönlichen Besprechung Lord Palmerston's mit dem Kaiser Napo leon zu Osborne den Entschluß des Letzter», unter allen Umständen auf der Union zu beharren, wankend gemacht zu haben scheint, zog sich Preu ßen (in der nachträglich veröffentlichten Circulariwte vom Mai v. I.) osten sibel aus der Stellung eines grundsätzlichen Vertheidigers deS Unionspro- >jects, die es bis dahin eingenommen oder wenigstens «inzunehmen geschie nen hatte, in eine zuwartende und neutrale zurück, sei es, weil die Rück sichten, welche in einem frühern Stadium der Frage dem berliner Cabinet eine Annäherung an Frankreich hatten Vortheilhaft erscheinen lassen, in der Zwischenzeit Weagefallcn waren und dafür andere, aus dein bundesgenossen schaftlichen Verhältniß zu Oesterreich und aus der Haltung der einer Spal tung der beiden deutschen Großmächte entschieden abholden öffentlichen Mei nung Deutschlands hervorgehende stärker in den Vordergrund traten, sei es, daß der Geist der im Schoose der unionistischen Divans begonnenen Verhandlungen (welche nicht ohne einen gewissen Beigeschmack der „consti- tuirettden Versammlungen" des Jahres 1848 waren) das Ministerium Manteuffel über eine Agitation bedenklich machte, deren Consequenzen sich nicht übersehen ließen. So blieb neben dem halb und halb schon schwankend gewordenen Frankreich -nur Rußland noch als Stütze der Union übrig. Aber Rußland hatte vom Anfang an in dieser Sache eine mehr rescrvirte Stellung eingenommen und schien weder geneigt, um des doch immer nur precäVen Vorthells willen, den ihn» eine Combination versprach, deren Gc wicht möglicherweise auch ganz anders wohin fallen konnte, sich in einen neuen Conflict mit den übrigen Großmächten, insbesondere mit England, einzulassen, am allerwenigsten aber den weitergreifenden Planen, welche, wie nicht ohne -Grund vermuthet wird, die Napoleonische Hauspolitik an jenes Project knüpfte, zur Verwirklichung zu verhelfen. So fand sich denn Frankreich in dieser Sache nahezu isolirt und »ruß, wohl oder übel, auf einen Rückzug denken, der ihm wenigstens das unangenehme Aufsehen einer di plomatischen Niederlage — die es in der That erlitten hat — erspart. In diesem Stadium befindet stch die Sache noch gegenwärtig, und Alles läßt vermuthen, daß der bevorstehende Wiederzusammentritt der Pariser Conferenz zur definitiven Regelung der Frage die Union als ein bereits gescheitertes und selbst von ihren ehemals wärmsten Verfechtern ausgegebenes Proje t vorfinden wird. Eine zweite Frage, die möglicherweise hei den neuen Conferenzbera thungen zur Sprache kommen könnte, ist die unerwartete Auslegung des die Freiheit des Schwarzen MeereS betreffenden Artikels des Pariser Friedens, wie sie in gewissen neuesten Maßregeln Rußlands zu Tage tritt. Niemand glaubte anders, als daß nach jenem Artikel und nach dem ganzen Geiste deS genannten Vertrags den Handelsschiffen aller Nationen freistehen müsse, alle Häfen des Schwarzen Meeres anzulaufe» und daselbst zu verkehren. Die russische Regierung aber scheint mit nicht«» so zu denken. Durch eine Bekanntmachung verfügte sie, daß fremde Schiffe zur Zeit nur in drei nam Haft gemachten Häfen an der Ostküfte des Schwarzen Meeres einlaufen und daselbst Hanhel treiben dürften. Als Grund dieser' Beschränkung wurde angegeben, daß nur in diesen Häfen die erforderlichen Douanenmaßregelu beständen. Die öffentliche Meinung, vor allem in England, erhob sich gegen eine Beschränkung, welche die Absichten des Pariser Friedens illusorisch zu mache» schien; auffallenderweise antwortete jedoch der englische Premier auf eine diessallsige Interpellation im Parlament! die englische Regierung finde in dem Verfahren Rußlands nichts Anstößiges und keine Veranlassung zu weitern Schritten. Eine ähnliche Erklärung veröffentlichte einige Zeit nach her das amtliche Blatt Frankreichs, der Moniteur. Schwerlich wird vie öf fentliche Meinung sich mit diesen Erklärungen allein ab- und zur Ruhe verweise» lassen. Die Sache bedarf jedenfalls weiterer Aufklärung; es steh! zu erwarten, daß neue Anfragen im englischen Parlament die dortige Re gierung nöthigen werden, weitere Ausschlüsse zu geben, beziehentlich von Rußland zu verlangen, und daß, wenn diese nicht genügend ausfallen, die Regierung am Ende doch sich veranlaßt sehen wird, die Angelegenheit auf der Pariser Conferenz anzuregen. Deutschland. Preußen. ^Serkin, 4. Jan. Der von der Bundesversammlung für die holsteinische Angelegenheit niedergesetzte besondere Ausschuß hat feine Arbeiten, insofern dies zur ersten Berichterstattung an die Bun desversammlnng nöthig war, noch im alten Jahre erledigt, und wird der Vortrag in der nächsten Sitzung der Bundesversammlung, am 7. Jan., er folgen. Mit dem Vortrage wird zugleich auch der entsprechende Antrag ver bunden sein. Wir glauben annehmen zu dürfen, daß zwischen der Antrag stellung und der Beschlußfassung von Seiten der Bundesversammlung ein langer Zwischenraum nicht liegen werde, wofür durch zeitige JnstructionS ertheilung bereits Vorsorge getroffen worden ist. Wir knüpfen hieran noch einige weitere, auf die holsteinische Angelegenheit bezügliche Bemerkungen, welche sich in den letzten Tagen zusammengedrängt haben und welche wir der Orientirung wegen nicht übergehen dürfen. Die Hannoversche Zeitung hat die bekannte Korrespondenz des Constitutionnel aus Braunschweig über Aeußerungen, welche der hannoversche Minister des Auswärtigen dem rus sischen Gesandten gegenüber gcthan haben sollte, für eine reine Erfindung erklärt. (Nr. 304). Hierdurch ist Das bestätigt, was wir seiner Zeit über diesen Punkt gesagt haben. Es lag überhaupt auf der Hand, daß dein nicht anders sein konnte. Seinerseits hat sich der Constitutionnel gegen den Vorwurf der absichtlichen Tendenz verwahrt und versichert, daß ihm die betreffende Kor respondenz, die allerdings Unrichtigkeiten habe enthalten können, aus Braun schweig wirklich zugegangen und also nicht in Paris fabricirt worden sei. Da wir uns nicht entsinnen, die betreffende Behauptung von einer andern Seite in so bestimmter Weise ausgesprochen gefunden zu haben, wie dies von uns geschehen ist, so bemerken wir dem Constitutionnel klar und bün dig noch einmal, daß die betreffende Korrespondenz allerdings in Paris fa bricirt worden ist und daß mit derselben einer Anschauung hat Vorschub geleistet werden sollen, die man mehr oder weniger heimlich in Paris hegt, die aber glücklicherweise über die Bedeutung eines Wunsches nie wird hin- ausgeheu können. Man hat in Paris, auf dem RcdactionSbureau des Con stitutionnel nämlich, sehr viel «Sprit, das wissen wir; man wird indessen von deutschen Dingen noch etwas mehr lernen müssen, bis man über die selben ohne Blöße mitreden kann. Der officiöse Constitutionnel hat im Laufe der Zeit so viele Erfahrungen gemacht, daß er doch etwas vorsichtiger hätte werden sollen, und wenn er es dennoch nicht geworden ist, so zeigt das eben, daß er nichts gelernt und nichts vergessen hat und daß er eben nach wie vor Deutschland gegenüber daS alte Steckenpferd reitet. Da man die