Volltext Seite (XML)
15. September 1902. Die Fortschritte in den deutschen Stahl- und Walzwerken seit 1880. Stahl und Eisen. 985 Jahre 1878 erzielte Lösung der Aufgabe der Herstellung einer dauerhaften basischen Zu stellung der Converter ausgeübt, weil der Be sitz Deutschlands an phosphorreichen Erzen die Ausnutzung dieser Erfindung in höherem Mafse gestattete, als in den übrigen eisenerzeugenden Ländern. Wenige Jahre später gelang es nach vielen Versuchen, an welchen die deutschen Werke sich lebhaft betheiligten, auch die Herd öfen mit einer haltbaren basischen Auskleidung zu versehen, und zeigt folgende Zusammenstellung den Gang der Entwicklung beider Verfahren: Deutschland und Luxemburg Saure Converter Basische Converter Saure S.-M.-Oefen Basische S.-M.-Oefen Anzahl Fassungs raum in t Anzahl Fassungs raum in t Anzahl Fassungs raum in t Anzahl Fassungs raum in t 1880 1900 46 26 3 bis 8 6 bis 8 4 91 3 bis 6 6 bis 21 12 23 3 bis 10 3 bis 18 0 219 0 4 bis 30 Der Betrieb mit saurer Zustellung der Con verter besteht jetzt nur noch auf einzelnen deutschen Werken, welche auch im übrigen ihre Einrichtungen nicht modernisirt haben, während diejenigen mit basischem Betriebe mit allen wichtigen Neuerungen versehen sind, näm lich Ueberführung des flüssigen Roheisens aus dem Hochofen zum Converter, deren Fassung bis zu 201 vergröfsert worden ist, während durch die Einführung des Roheisenmischers die erforderliche Unabhängigkeit der beiden Betriebe Hochofen und Stahlwerk voneinander und in folgedessen die hohe Chargenzahl von 72 in 24 Stunden erreicht werden konnte. Die gleich zeitige Anwendung des Mischers zur Ent schwefelung ist zuerst in Hörde vorgenommen worden und bildet einen weiteren Vortheil des selben, so dafs die geringen Betriebskosten reich lich gedeckt werden, und nur in dem unvermeid lichen Wärmeverlust durch Abkühlung ein Nach theil zu erblicken ist. Der basische Converterbetrieb hat bekanntlich in Deutschland die gröfste Erzeugung an Flufs- eisen und wird diese Stellung voraussichtlich auch noch lange behalten, weil derselbe der Qualität der meistens zur Verfügung stehenden Erze sowohl als auch allen Anforderungen ent spricht, welche seitens der Kundschaft an die Qualität der verschiedenen Fertigfabricate gestellt werden und welche bekanntlich nicht gering sind. In einzelnen Districten beginnt die Beschaffung des nöthigen Gehaltes des Roheisens an Phosphor von etwa 2 °/o an schwierig zu werden, so dafs dort die vielfach hervorgetretenen Bestrebungen, ein Verfahren zu entdecken, welches mit weniger auskommt, wohl berechtigt erscheinen. Da bei diesem Gehalt, welcher selten überschritten werden kann, kein erheblicher Ueberschufs an Wärme im Converter entsteht, so ist das Einschmelzen der Abfälle in demselben nur in viel geringerem Mafse möglich, als beim sauren Betriebe, und sind infolgedessen zu deren Umschmelzung ent sprechend mehr Herdöfen erforderlich. Dieselben werden meistens basisch, mit Dolomitmasse zu gestellt und mit einer Fassung von 15 bis 20 t ausgeführt, nur selten werden 30 t überschritten, und sind nur wenige Oefen von 50 t vorhanden. Im westlichen Deutschland wird vorwiegend ein Einsatz von 25 °/o Roheisen und 75 °/o Schrott verschmolzen, wobei ein Ofen von 15 t sechs Chargen und ein solcher von 25 t nicht viel mehr als vier in 24 Stunden erzielt, woraus hervorgeht, dafs in der Leistung kein erheb licher Grund zur Anlage von grofsen Oefen liegt, wenn nicht die Erzeugung von sehr grofsen und schweren Einzelblöcken oder Gufsstücken in Betracht kommt. Die Anlagekosten einer gröfseren Zahl von kleineren Oefen sind geringer als diejenigen einer kleineren Zahl von grofsen Oefen, und der Kohlenverbrauch der ersteren von 270 kg per Tonne Stahl wird bei letzteren ebensowenig unterschritten, wie die Instand haltungskosten. Andererseits vermindert sich die Chargenzahl im Tage bis auf etwa 21/2 mit der Vermehrung des Roheisens im Einsätze auf 80 °/o, welcher im Osten Deutschlands nicht selten zur Anwendung gelangt, und kommen dann auch die grofsen Oefen mehr in Betracht und damit auch die Einrichtung des Kippens, welche in Deutschland bis jetzt noch nicht ausgeführt worden ist. Es ist dagegen kaum zu erwarten, dafs diejenigen Werke, welche ihre Siemens-Martin-Oefen vorwiegend zum Um schmelzen von Schrott verwenden, in nächster Zeit zu einer wesentlichen Aenderung des Ofen systems übergehen werden, und da diese die Mehrzahl bilden und der Schrott meistens billiger ist als Roheisen, so erklärt sich daraus auch der Umstand, dafs die mehrfachen Bemühungen, die Verarbeitung von flüssigem Roheisen im Herdofen zu beschleunigen und zu vermehren, in Deutschland keinen günstigen Boden finden. Weitere Gründe hierfür, welche auch gegen Ein führung aller Neuerungen zur Geltung kommen, welche eine Vergröfserung der Leistungsfähigkeit der Stahlwerke bezwecken, ohne eine erhebliche Ersparnifs der Selbstkosten zu sichern, liegen in der bedeutenden allgemeinen Erweiterung der bestehenden und in der Errichtung einer Reihe von neuen grofsen Stahlwerken, die in den letzten Jahren im Westen Deutschlands und in Luxem burg ausgeführt worden ist, während gleichzeitig eine momentane Abnahme des Bedarfs an Massen artikeln von Eisen und Stahl eingetreten ist.