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884 Stahl und Eisen. Der Einftul-i des Glühens und Abschreckens u. s. w. 22. Jahrg. Nr. 16. diese Aussaigerung bei 700° statt; für 1 °/o und 0,25 °/o Kohlenstoff jedoch schon bei 800 °, für kohlenstoffreichere als 1 °/o und ärmere als 0,25 % bei noch höheren Temperaturen. Hier zu kommt noch, dafs das Carbid erst in einer 40 0 über seinem Bildungspunkt liegenden Tempe ratur wieder zerfällt, man kann daher nur in Ausnahmefällen darauf rechnen, dafs das Carbid bei 750 0 wirklich in Härtungskohle umgewandelt wird. Die Brinellschen Untersuchungen zeigen, dafs dieser Fall nicht, oder wenigstens nur in geringem Mafse, eingetreten ist. Eine weitere Ursache hierfür dürfte die Abkühlung der Proben während des Herausnehmens aus dem Glühofen gewesen sein, welche vielleicht eine beginnende Carbidausscheidung veranlafste und dadurch die Härtungswirkung abschwächte. Die Verände rungen, welche die meisten Proben durch diese Behandlung erlitten haben, dürften demnach haupt sächlich physicalischer Natur sein und scheinen durch eine Wiedererwärmung bis auf nur 350 0 C. beseitigt zu werden. Diese Auffassung wird gewissermafsen durch den Umstand bestätigt, dafs die kohlenstoffärmeren Proben mehr als die kohlenstoffreicheren an Dehnung verloren haben. Die Verhältnifszahlen zeigen z. B. nach dem Abschrecken bei 750 0 ohne nachfolgendes Anlassen: Für die Gruppe I eine Zunahme der Dehnung von 15 % „ „ „ II „ Abnahme „ „ „ 14 „ ITT 33 27 7) 1 1 — » 7) » 7 » °° 7 Charge Nr. 3138 „ » „ „ „ 40 » Wenn die Veränderung der Festigkeitseigen schaften von der Umwandlung der Kohlenstoff formen abhängig wäre, so müfsten sich diese bei den kohlenstoffreicheren Sorten stärker geltend machen als bei den kohlenstoffärmeren. Die oben angeführten Zahlen zeigen gerade das entgegengesetzte Verhältnifs. Eine hinreichende Erklärung für die gesteigerte Dehnbarkeit des Stahles mit einem mittleren Kohlenstoff gehalt von 0,84 °/o hat der Verfasser nicht gefunden. Alle Chargen dieser Gruppe (I) zeigten eine Steigerung der Dehnbarkeit mit Ausnahme von Charge Nr. 4885, bei welcher ein sehr geringfügiger Kückgang von 6,7 auf 6,2 0 /° eingetreten ist. Dieser Umstand kann also nicht einem Zufall zugeschrieben werden. Die Veränderung eines Stahls durch Ab schrecken bei 750 °C., ohne nachfolgendes An lassen, dürfte gewissermafsen mit einer Kaltbe arbeitung zu vergleichen sein, deren Einflufs auf die Abnahme der Zähigkeit sich stärker bei weicherem als bei härterem Material geltend macht. Die Wirkung des Abschreckens scheint indessen in der Weise von der der Kaltbearbeitung abzuweichen, dafs die letztere die Proportionalitäts grenze erhöht und erstere sie erniedrigt; für die Gruppen I, II, III und Charge Nr. 3138 beträgt die Abnahme dieser Werthe bezw. 25, 20, 33 und 7 °/o. Dagegen wird im Durch schnitt sowohl die Streck- wie die Bruchgrenze durch das Abschrecken erhöht, besonders für das weichste Material, bei welchem die Steigerung derselben 77 bezw. 72 % beträgt. Durch das Anlassen bis auf 350 0 wird nicht nur der beim Abschrecken verlorene Grad von Dehnbarkeit wieder gewonnen, sondern dieselbe sogar bis über das ursprüngliche Mals gesteigert. Die Einbufse an Proportionalitätsgrenze dagegen wird erst durch Erhitzen bis auf 550 0 C. wieder eingebracht. Das Anlassen von, bei 750° C. abgeschreckten, Proben bis auf 550° und 650° C. scheint dieselbe Wirkung wie das Glühen nicht gehärteter Proben zu haben. Aus den ge wonnenen Ergebnissen läfst sich folgern, dafs ein Abschrecken bei einer so niedrigen Temperatur wie 750, weder mit noch ohne nachfolgendes Anlassen zu empfehlen ist. b) Ablöschen bei 850° C. Die Zugproben der kohlenstoffreicheren Stahlsorten, welche nur bis 350 0 oder gar nicht angelassen wurden, haben keine Ergebnisse geliefert. Die Ursache war, dafs die Probestäbe sich beim Abschrecken trotz der getroffenen Vor sich tsmafsregeln etwas geworfen hatten. Bei den folgenden Zugversuchen rissen daher die Stäbe infolge der aufgetretenen Bie gungsspannungen vorzeitig an den Köpfen ab, obwohl sie nach dem Abschrecken gerade ge schliffen und justirt waren. Ferner zeigte sich, dafs die Veränderungen der Festigkeitseigen schaften durch die Umwandlung der Kohlen stoffformen bedingt sind, wie zum Beispiel die Abnahme der Dehnbarkeit bei den nicht ange lassenen Proben beweist. Diese Abnahme be trägt für die Gruppe II, III und Charge Nr. 3138 bezw. 96, 69 und 39 °/o. In diesem Falle haben daher die kohlenstoffreichsten Sorten die gröfste Einbufse an Dehnbarkeit erlitten, während sicli beim Abschrecken auf 750° die entgegengesetzte Erscheinung zeigte. Bemerkenswerth ist auch das starke Sinken der Elasticitätsgrenze, welches bei sämmtlichen Proben dieser Gattung stattge funden hat. Erst ein Anlassen auf 550° steigert die Proportionalitätsgrenze wieder, aber auf Kosten der Streck- und Bruchgrenze. Durch ein Anlassen bis auf 550° wird die Proportio nalitätsgrenze für die Gruppen I, II, III und für Charge Nr. 3138 um bezw. 148, 143, 63 und 47 °/° gesteigert. Der Verlust an Dehnung wird demnach durch das nachfolgende Anlassen in hohem Mafse, wenn auch nicht voll ständig, wieder eingebracht. Eine Ausnahme hiervon macht Charge Nr. 3138. Das Material derselben hat durch das Ablöschen bei 850° und nachfolgendes Anlassen bis auf 550° in jeder Beziehung eine wesentliche Verbesserung erfahren; die Werthe für Proportionalitäts-, Streck- und Bruchgrenze sind nämlich um bezw. 47, 22, 9 und 18 °/o gestiegen.