Volltext Seite (XML)
15. Juli 1902. Eisenindustrie und Schiffbau in Deutschland. Stahl und Eisen. 763 Die Fabrication der Verbundplatten war eine recht umständliche und stellte grofse An forderungen an die Geschicklichkeit, des Personals und die Zuverlässigkeit der Materialien. Nicht nurdasSchweifsen dergrofsen Eisenplatten, welche bis zu 40 t Gewicht erreichten, sondern auch das Aufgiefsen des flüssigen Stahles auf die weifs- glühende Schweifseisenplatte waren Kunststücke der damaligen Hüttentechnik. Was die Verbindung des Stahles mit dem Schweifseisen anbelangt, so waren die in Dillingen hergestellten Platten durch eine sehr innige, zuverlässige Verbindung stets ausgezeichnet. Als zu Ende der 80er Jahre die deutsche Marine in gröfserem Umfange an Schiffsneubauten herantrat, wurde die Firma Krupp veranlafst, sich gleichfalls der Panzerplattenerzeugung zu zuwenden. Dieselbe hat vor dem Jahre 1891 Panzerplatten nur in geringem Mafse für eigene Versuche, in der Regel zur Erprobung der Ge- schofswirkung, angefertigt. Im genannten Jahre wurde zur Erzeugung von Schiffspanzerplatten ein neu gebautes Walzwerk in Betrieb gesetzt. Dieses Walzwerk war zunächst für die Anfertigung von Verbundpanzerplatten eingerichtet, indessen war die Möglichkeit gegeben, ohne Schwierigkeiten in die Fabrication von Stahlplatten einzutreten, deren Anfertigung von vornherein in der Absicht der Firma Krupp gelegen hatte. Bei der deutschen Marine, die als hauptsächliche Abnehmerin der Firma Krupp für den Anfang in Betracht kam, waren, wie erwähnt, Verbundpanzerplatten nach Wilsons Patent eingeführt, und das alleinige Recht zur Benutzung dieses Patentes für Deutschland der Actiengesellschaft der Dillinger Hüttenwerke übertragen. Mit dieser traf nun die Firma Krupp ein Uebereinkommen zur gemeinsamen Anfertigung dieser Panzerplatten. Nach diesem patentirten Verfahren fertigte die Firma Krupp noch etwa 2000 t Panzerplatten an, die im wesentlichen für das Panzerschiff „Wörth“ und zum kleinen Theile für das Panzerschiff „Kurfürst Friedrich Wilhelm“ Verwendung fanden. Fast gleichzeitig mit der Anfertigung dieser Platten nahm die Firma Krupp Versuche zur Herstellung von Nickelstahlpanzer platten auf, für welche Vorversuche in kleinerem Mafsstabe schon vor Fertigstellung des grofsen Panzere alzwerks gemacht waren. Diese von gutem Erfolg begleiteten Versuche wurden im weiteren Verlaufe gemeinsam mit den Dillinger Hüttenwerken fortgesetzt. Schon im Jahre 1892 wurde auf Grund gewonnener Versuchsresultate die Anfertigung der Verbundpanzerplatten ver lassen und Platten aus nicht gehärtetem Nickel stahl an die Stelle gesetzt. Dieses neue Material charakterisirte sich durch eine aufserordentlich grofse Zähigkeit bei recht befriedigender Wider standsfähigkeit, welche die der Verbundplatten erheblich übertraf. Man kann annehmen, dafs, während eine Verbundplatte die Widerstands fähigkeit einer l,4mal so dicken Eisenplatte hatte, diese neu eingeführten Nickelstahlplatten die 1,6 fache Widerstandsfähigkeit erreichten. Mit Platten dieser Art ist von Krupp das Panzer schiff „Kurfürst Friedrich Wilhelm“, von Dillingen das Panzerschiff „ Weifsenburg" der Hauptsache nach versehen worden. Im Jahre 1893 wurde auf Grund der von den beiden Werken gemeinsam fortgeführten Versuche eine neue Qualität von Panzerplatten eingeführt, welche aus mittelhartem Nickelstahl bestand, der einer Oelhärtung unter zogen war. Diese Panzerplatten charakterisirten sich bei fast gleicher Zähigkeit durch eine gegen die vorerwähnte vermehrte Widerstandsfähigkeit, welche etwa der einer 1,72mal so dicken Eisen platte gleichkam. Mit derartigen Platten sind die Küstenvertheidigungsschiffe „Heimdall“, „Hildebrand“, „Odin“, „Aegir“ u. s. w. ge panzert. Nach Erledigung dieser Aufträge trat auf beiden Werken eine Pause in der Fabrication von Panzerplatten ein, welche von diesen benutzt wurde, um neue Fortschritte in der Erzeugung von Panzerplatten, und zwar unabhängig von einander arbeitend, anzubahnen. Zu jener Zeit wurden bereits Platten her gestellt, welche nach Harveys Verfahren gehärtet waren. Die Dillinger Hüttenwerke trafen ein Uebereinkommen mit der Harvey - Gesellschaft, auf Grund dessen auf diesem Hüttenwerke einige Probeplatten nach Harveys Verfahren hergestellt und der deutschen Marine zur Erprobung vor geführt wurden. Die erzielten Resultate konnten aber die deutsche Marine nicht veranlassen, dieses System für ihre Schiffspanzerungen einzuführen. Die Firma Krupp verfolgte beider Verbesserung der Panzerplatten ihre eigenen Wege und gelangte im Jahre 1893 zu einer auf der Vorderseite gehärteten Nickelstahlplatte, welche auf der Weltausstellung in Chicago gezeigt wurde und welche die nach Harveys System gefertigten Platten wesentlich an Zähigkeit und Widerstands fähigkeit übertraf. Gleichzeitig verbesserte sie die Qualität der ungehärteten Panzerplatten und konnte im Verlaufe des Jahres 1894 für das spanische Panzerschiff „Emperador Carlos V.“ eine Qualität liefern, welche rund der einer doppelt so dicken Schmiedeisenplatte gleichkam. Da, wie erwähnt, in diesen Jahren Bedarf für die deutsche Marine nicht vorhanden war und die Firma Krupp gegen Ende des Jahres 1894 eine wesentlich verbesserte gehärtete Panzer platte zustande gebracht hatte, so gelangte die vorerwähnte, in Chicago ausgestellte Qualität überhaupt nicht zur fabricationsmäfsigen Aus führung, sondern es wurde vom Jahre 1895 ab eine gehärtete Nickelstahlplatte hergestellt, deren Widerstandsfähigkeit durchschnittlich der einer 3,0mal so dicken Schmiedeisenplatte entsprach. Diese Qualität wird seit dem Jahre 1895 aus-