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1. Juli 1902. Eisenindustrie und Schiffbau in Deutschland. Stahl und Eisen. 709 auch für den Schiffbau deutsche Normalprofile ein zuführen. Dazu trat als ein weiterer Uebelstand die Art der Abgabe der Offerten für angefragtes Schiffbaumaterial von Seiten der deutschen Werke. Die deutschen Werften konnten sich beim Einkauf englischen Stahlmaterials einfach an Händler wen den, welche die Lieferung des gesammten für den Schiffsrumpf nöthigen Walzstahles zu Durchschnitts preisen zu übernehmen pflegen und sich dafür durch laufende Abschlüsse bei verschiedenen Walz werken decken, so dafs sie in der Lage sind, die einlaufenden Specificationen auf die Walzwerke entsprechend deren Walzprogramm zu vertheilen. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dafs die englischen Stahl- und Walzwerke wenigstens 20 bis 25 °/o der gesammten britischen Stahlproduction in Schiff baumaterial absetzen können, eine so gewaltige Menge, dafs sich für deren Vertrieb im Laufe der Jahre viele leistungsfähige Händler gefunden haben, welche sich mit dem An- und Verkauf von Schiff baumaterial speciell befassen; dagegen bot sich in Deutschland hierzu keine Gelegenheit, da die von den deutschen Werften gebrauchten Quantitäten der einzelnen Profile minimal waren und ins- j gesammt kaum 2 % der deutschen Stahlproduction absorbirten, ein so geringes Quantum, dafs weder ein Händler sich fand, noch die Werke riskiren konnten, sich speciell darauf zu verlegen und den kostspieligen Walzenpark anzuschaffen. Die Werften mufsten also ihre Anfragen an die einzelnen Werke richten und konnten dann immer nur Anerbie tungen für Bruchstücke ihres Bedarfs erhalten. Diese Anerbietungen mufsten sie sich zusammen stellen, vielfach auch noch Aenderungen in den Profilen zugeben, und solche, die sie überhaupt in Deutschland nicht beschaffen konnten, wieder in England kaufen, wobei sie Gefahr liefen, für diesen Theilbedarf nur zu höheren Preisen bedient | zu werden. Dafs diese lückenhafte Art der Offerten und die daraus entstehenden Umständlichkeiten für die Geschäftsführung der Schiffswerften, ganz i besonders in eiligen Fällen, sehr zeitraubend und störend waren, mufs ohne weiteres zugegeben I werden. Zu alledem trat noch der schwer ins Gewicht fallende Nachtheil der höheren Preise durch । Frachten. In Erkenntnifs dieser verschiedenen Umstände, welche der Verwendung deutscher Profilstäbe im Schiffbau entgegenstanden, war das Hauptbestreben der Hüttenleute darauf gerichtet, die für den i Schiffbau geeigneten Normalprofile festzustellen und einzuführen. Schon in dem im Jahre 1883 vom Verband deutscher Architekten und Ingenieure, dem Verein deutscher Ingenieure und dem Verein deutscher Eisenhüttenleute neu bearbeiteten Normal- Profilbuch für Walzeisen hatten die Profile auch für den Schiffbau Aufnahme gefunden. An den diesbezüglichen Berathungen hatten Vertreter der Kaiserlichen Marine und solche von den Privat werften und den Klassificationsgesellschaften theil genommen. Auch wurde in einem Erlafs der Kaiser lichen Admiralität vom 27. März 1883 an die Commission gesagt, dafs die Admiralität mit dem Entwurf der Winkel- und Bulbstahle, welche alle Anforderungen des Kriegs- und Handelsschiffbaues erfüllten, einverstanden sei und die Commission alles Erforderliche veranlassen möge, da es dringend erwünscht sei, dafs die betreffenden Walzwerke endlich in den Stand gesetzt würden, die erforder lichen Einrichtungen treffen zu können. Die Be mühungen der Werke, nach diesem scheinbaren Erfolg vor der Beschaffung der erforderlichen Walzen durch Umfragen bei den Kaiserlichen und bei den Privat-Werften bestimmte Zusagen zu erhalten, dafs die neu einzuführenden Profile auch thatsäch- lich beim Schiffbau Verwendung finden würden, scheiterten an den unbestimmt gehaltenen Ant worten der Schiffswerfte. Trotzdem entschlofs sich ein Werk zu einem Versuch und beschaffte die Walzen für drei Bulbprofile, jedoch mit dem be trübenden Ergebnifs, dafs auf keines der drei neu eingeführten Profile auch nur eine einzige Be stellung erfolgte. So ruhte die Angelegenheit bis März 1890, als auf weitere Anregung der Werke, unterstützt vom Verband deutscher Schiffswerften und der Klassifications - Gesellschaften neue Vorschläge für Schiffsnormalprofile durch den Vertreter des Ger manischen Lloyd unterbreitet wurden. Aber auch hierbei ist es nur bei den Vorschlägen geblieben, und alle Bemühungen der Werke, zu einem end gültigen Ergebnifs zu gelangen, waren vergeblich. Eine Wandlung in diesen für unsere Hütten recht mifslichen Verhältnissen trat erst ein, nach dem die Blechwalzwerke durch gemeinsame Ueber- nahme der Lieferungen das Vorbild gegeben hatten und nachdem ferner dankenswerthe Ermäfsigungen der Frachtsätze für Schiffbaumaterial eingetreten waren, nunmehr die Werke, welche auf Lieferung von Profilstäben reflectirten, zusammengetreten waren und über die Grundsätze zu gemeinsamer Lieferung sich geeinigt hatten, aber auch last not least endlich im Januar 1898 der letzte Schritt dadurch geschehen war, dafs die zum Schiffbau geeigneten Profile festgestellt wurden. In den gemeinsamen Berathungen zu Berlin im Januar, Februar und März 1898, an welchen sich die Vertreter der Kaiserlichen Marine, der Privatwerften und der Stahlwerke betheiligten, wurden die nachstehenden Profile durchberathen und endgültig eingeführt: gleichschenkelige Winkel .... 20 Profile ungleichschenkelige Winkel . . . 44 „ Flachbulbs 10 „ Winkelbulbs 8 „ T-Bulbs 9 „ U-Profile für Deckbalken .... 8 „ „ » Spanten 7 „ Winkellaschenprofile 7 . Z-Profile 6 „