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die Verringerung der Arbeitsgelegenheit und da mit die Verschlechterung der Stellung der deut schen Arbeiterschaft nicht ausbleiben. Die Frage ist nun, wie sich das Verhalten der Industrie in der Zukunft bei einer solchen Sachlage gestalten soll. Es wäre das Verkehrteste, in Resignation zu verfallen und die Dinge laufen zu lassen wie sie wollen. Der oberste Reichsbeamte hat, um der Industrie die bittere Pille der Handelsverträge zu versüßen, vor einiger Zeit erklärt, daß die deutsche In dustrie schon fähig sei, die Schädigungen, die ihr die Handelsverträge verursachen würden, zu überwinden. Das Vertrauen, das sich darin für die deutsche Industrie bekundet, ist ja für letztere sehr schmeichelhaft, wenngleich es nicht so leicht ist, es tatsächlich auch zu verdienen. Aber die Industrie wird alle ihre Energie zusammennehmen müssen, um die Störungen, die von der neuen zoll- und handelspolitischen Ära zu erwarten sind, auf ein Minimum zu reduzieren. Noch mehr als bisher werden in kommerzieller und technischer Hinsicht alle Kräfte angespannt werden müssen, um auf der Höhe zu bleiben und nicht der Kon kurrenz des Auslands zu erliegen. Es wird dabei allerdings auch erwartet werden müssen, daß, wenn die Industrie die Mittel anwendet, welche ihr die Selbsthilfe bietet, sie nun nicht etwa auch noch darin staatlicherseits Hindernisse und Hemmungen erfährt. Auf diesem Wege vorwärts zu schreiten, wird für die Industrie immer die höchste Ehre sein. Daneben aber wird sie zu sehen müssen, bei den Maßnahmen, die in zoll- und handelspolitischer Hinsicht künftighin ergriffen werden sollen, nicht ebenso hintangesetzt zu wer den, wie dies bei der letzten Aktion auf diesem Gebiete der Fall war. Zunächst läßt sich noch manches, was durch Zoll- und Handelstarife an Schädigungen und Be lästigungen für die Industrie hervorgerufen ist, wenigstens in etwas durch die Anpassung der Bestimmungen des Amtlichen Warenver zeichnisses zum Zolltarif an die tatsäch lichen Verhältnisse mildern. Das amtliche Waren verzeichnis zum Zolltarif, das die Ausführungs anweisung für die Behörden darstellt, kann ja natürlich an den durch Gesetz und Verträge formell stipulierten Bestimmungen nicht rütteln. Diese müssen dem Wortlaut gemäß ausgeführt werden; aber es lassen sich bei der Interpretation dieses Wortlautes doch manche berechtigte Aus- i legungen ßnden, die die schwersten Schädigungen vermeiden. Außerdem sind ja nicht alle Waren besonders in den Tarifpositionen aufgeführt. Durch Klassifikation der nicht besonders genannten Waren läßt sich nach dieser Richtung auch manches I machen, und so wird denn eine der ersten Sorgen | der Industrie sein müssen, daß bei der demnächst ■ vom Bundesrat in die Hand zu nehmenden Auf stellung des amtlichen Warenverzeichnisses zum Zolltarif ihre Interessen so berücksichtigt werden, wie dies nur irgend möglich in den Grenzen ist, die der Wortlaut des autonomen und des Ver tragstarifs gezogen hat. Die Wünsche, die die Industrie bei der Ausarbeitung des amtlichen Warenverzeichnisses zu äußern hat, sind ja sicher lich von den Vertretungen der verschiedenen Zweige längst den zuständigen Regierungsstellen übermittelt; es wird nur darauf ankommen, diese Wünsche mit der gehörigen Energie zu vertreten, damit wenigstens an diesen Stellen noch die Korrekturen, die im Interesse der Industrie mög lich sind, vorgenommen werden. Sodann ist zu bedenken, daß, nachdem die sieben neuen Handelstarifverträge abgeschlossen sind und der mit Griechenland aufrecht erhalten bleibt, noch neue Vertragsverhandlungen in Aussicht stehen. Die verbündeten Regierungen haben sich der Idee nicht abgeneigt gezeigt, auch Tarifverträge mit Ländern einzugehen, mit denen bisher solche nicht vorhanden waren. Es sind auch bereits mit Bulgarien, das ja als Suzeräni- tätsstaat der Türkei eine ganz besondere Stellung einnimmt, Verhandlungen über den Abschluß eines Tarifvertrages eingeleitet. Seitens der zuständigen deutschen behördlichen Stellen sind die Vorarbeiten dazu bereits seit einiger Zeit in die Hand ge nommen. Man erwartet schon für eine nahe Zeit den Abschluß dieses, also des neunten Tarif vertrages. Außerdem aber kommt für den Ab schluß solcher neuen Tarifverträge noch eine ganze Reihe anderer Staaten in Betracht. Es soll hier nur zunächst an Spanien erinnert werden, das ebenso wie Portugal mit Deutsch land bereits in Tarifvertragsverhandlungen ge standen hat. Mit Spanien war ja Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts bereits ein Vertrag vereinbart. Er scheiterte daran, daß die spanischen Gortes ihn unerledigt ließen. Es ist nicht anzu nehmen, daß, wenn seitens Spaniens und Portu gals der Wunsch auf Abschluß von Handels tarifverträgen mit Deutschland zu erkennen ge geben würde, die verbündeten Regierungen diesem Wunsche nicht willfahren sollten. Sodann haben sich nicht nur in der deutschen, sondern auch in der ausländischen Geschäftswelt Stimmen bemerk bar gemacht, die auf den Abschluß von Tarif verträgen mit Holland, den nordischen Staaten, Dänemark, Schweden und Norwegen, ab zielten. Es ist durchaus nicht unmöglich, daß diese Bestrebungen von Erfolg, wenigstens insoweit gekrönt werden, als Yersuche, zum Abschluß solcher Tarifverträge zu gelangen, unternommen werden. Es wird für die Industrie Aufgabe der nächsten Zukunft sein, einmal darauf hinzuwirken, daß solche neuen Tarifverträge möglichst zustande kommen, natürlich unter der Voraussetzung, daß dabei in erster Reihe die industriellen Interessen gewahrt werden, und sodann, daß, wenn die Versuche unternommen werden, die industriellen