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354 Stahl und Eisen. Aus Praxis und Wissenschaft des Gießereiwesens. 25. Jahrg. Nr. 6. nur den Formen, denn mit der tonhaltigen Schlichte usw. werden ja doch nur die Poren, durch welche die Gase entweichen könnten, verschmiert. Außerdem erfordert das Schlichten viel Zeit, ist also kostspielig. Reparaturen an den Formen, die hier natürlich auch vorkommen, werden mit möglichst wenigem reinem Wasser gemacht. Gebraucht man hier den Pinsel zu viel, so wird der Tongehalt des Sandes ausgewaschen; die Sandkörner verlieren dann ihren Zusammenhalt; die Form wird an der Oberfläche ruschelig. Mit demselben natürlichen Sande arbeitet man auch in der Schablonenformerei. Masse kennt man in Belgien nicht. Alle Beimengungen zu Formsand, wie Schamotte mehl, Tiegelscherbenmehl, weißer Ton, blauer Ton, Quarz, Quarzit, Graphit, Koks-, Holzkohlenpulver usw. finden in Belgien beim Stahlformguß keine Verwendung. Ich batte vor einiger Zeit einmal das Vergnügen, einen alten deutschen Gießereibetriebschef in einer belgischen Stahlfassongießerei herumzuführen; der alte Herr war einfach sprachlos, als man ihm den einen Sandhaufen zeigte, mit welchem man hier alles abformte. Die Form wird mit der Spachtel trocken poliert. Man hält das Wasser so viel wie nur eben möglich von det Form fein. Und wenn dann weiter der Autor berichtet, „speziell beim Naßguß wird eine besonders ausgebildete Geschicklichkeit von Seiten des Formers verlangt, da trotz der besten Sandmischungen das Gelingen des Gusses von der Behandlung beim Formen abhängt,“ ... so möchte ich hierauf erwidern, daß hier in Belgien zum Beispiel in den Kleinbessemereien bei der Achsbüchsen fabrikation man nur Tagelöhner von der Straße zum Formen, Aufstampfen, Einlegen der Kerne, Zusammen setzen der Kasten, zum Gießen und Auspacken ver wendet. Man gibt diesen Landarbeitern aber einfache, kräftig konstruierte Formmaschinen, deren Bedienung leicht und schnell zu erlernen ist. Hervorzuheben ist, daß man bei der Anfertigung der Modelle für diese Maschinen zuerst viel herumzuprobieren und herumzu studieren hat. Da muß jedes Modell ganz besonders zerlegt werden, muß zunächst festgestellt werden, wie und wo man den oder die Eingüsse anzuschneiden hat, wo die Steiger, Windpfeifen aufgesetzt werden müssen usw. Jeder dieser aufgeführten Punkte, und es gibt deren noch viel mehr, will einzeln und im Detail stu diert sein. Taugt das Modell nichts und würde man doch zur Fabrikation übergehen, so würde der Pro zentsatz an Ausschuß, Fehlgüssen zu groß werden. Ist jedoch das Modell erst einmal in all seinen ein zelnen Teilen richtig durchgearbeitet, so kann dies Naßformen, wie gesagt, der Handarbeiter, Hofarbeiter besorgen. Der Herr Autor schreibt sodann: „Hat eine Gießerei einmal einen Doppellader Sand zur Ver fügung, so reicht derselbe bei Anwendung geeigneter Beimengungen öfter für über ein Jahr aus. Diese Auffassung steht in direktem Widerspruch mit meinen Erfahrungen. Nach meiner Ansicht, und dieselbe wird hier in Belgien ziemlich geteilt, zeigt nur frischer, grubenfeuchter Sand wirklich gute Beschaffenheit. Durch jedes Trocknen im Ofen, schon durch längeres Liegen an der Luft verliert der Formsand an Qualität. Aus diesem Grunde halten sich auch die hiesigen Stahlgießereien keine größeren Sandlager. Weiter belegt man die Modelle stets nur mit ganz frischem Sand; den alten Sand, der durch das Gießen entschieden an Bindekraft und Gasdurchlässig keit verloren hat, verwendet man nur noch zum Hinterstampfen. Die Ersparnisse, welche man durch Belegen der Modelle mit altem Sand eventuell machen könnte, stehen in gar keinem Verhältnis zu den Ver lusten und Ausgaben, welche man erleidet, wenn ein mal der Sand beim Gießen anbrennen würde. Rich tiger ist es wohl, man geht sicher vor und verwendet nur frischen Sand zum Belegen der Modelle. Zu gegeben mag werden, daß der Autor wohl hauptsäch lich nur an deutsche Verhältnisse gedacht hat. Immerhin ist aber auch in deutschen Stahlgießereien die Frage endlich zu studieren, was billiger zu stehen kommt, nämlich: dünnes Belegen mit frischem Form sand, schnelles sicheres Arbeiten und kurze Trocken zeiten, oder Herstellung der Form in Masse, wieder holtes Anstreichen mit Schlichte, Polieren usw., scharfes Brennen, Wiederschlichten usw. Ich habe die belgische Methode kennen gelernt und gebe derselben entschieden den Vorzug vor der deutschen, die mir ebenfalls bekannt ist. Die Be hauptung, daß „sämtliche Stahlgußformen für Naßguß mit Schamottemehl, Tiegelmehl oder Quarzmehl ange staubt werden“, mag für einige deutsche Stahlgießereien noch zutreffen. Hier in Belgien „staubt“ man nicht mehr. Wozu soll dies Anstauben auch dienlich sein ? Das Stauben kostet „Zeit“ und „Geld“ und auch hier läßt sich mit Recht wieder die Frage stellen, was billiger ist, entweder natürlichen von Haus aus feuer festen gasdurchlässigen Sand anzuwenden, den man sicher auch in Deutschland finden wird, mit dem das Formen glatt und schnell vonstatten geht, oder aber Anwendung von minderwertigem Sand, wo man dann aber darauf achten muß, daß der Arbeiter richtig sorgfältig „anstreicht“, „anstaubt“ usw. Ich glaube, daß man mit all dieser Anstreicherei und Anstauberei in Deutschland etwas ins Hintertreffen gekommen ist. Es ist nicht abzuleugnen, daß der Belgier mit der Verwendung seiner natürlich vorkommenden Form sande sicherer und schneller zum Ziel kommt, als wir mit unserem komplizierten Verfahren. L. Unckenholt, Lüttich.