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Veriotndung von kalt erblasenein Roheisen zur Flußeisendarstellung. 25. Jahrg. Nr. 6. 332 Stahl und Eisen. heißen Windes nichts einzuwenden ist. Wenn auch beim Thomasverfahren eine Verbilligung der Produktion nicht zu erreichen ist, so ergibt sich doch die Möglichkeit der Verarbeitung eines Roheisens mit verhältnismäßig geringem Phosphorgehalt. Dadurch eröffnet sich aber auch die Aussicht darauf, daß Werke, die nicht durch ihr natürliches Erzvorkommen ge nötigt sind, Roheisen mit hohem Phosphor gehalt zu erzeugen, von der Notwendigkeit be freit werden, im Hochofen künstlich den Phosphor gehalt zu erhöhen, um ihn im Konverter wieder entfernen zu können. 2. Überhitzung des Roheisens für den Konverterprozeß. Das zweite Reagens im Konverter ist das Roheisen selbst. Theoretisch kann ebenso wie der Verbrennungsluft dem geschmolzenen Roh eisen ein Wärmeüberschuß durch Überhitzen vor dem Eingießen in den Konverter mitgegeben werden. In der Praxis erscheint dieser Gedanke aber etwas paradox; trotzdem findet sich tat sächlich ein Bericht über ein derartiges Arbeits verfahren: Auf dem Bessemerwerk in Nischni- Saida im Ural wurde früher ein kaltes Roh eisen mit 0,3 bis 0,6 % Silizium in der Weise verarbeitet, daß man es vorher im Martinofen überhitzte.* Gegenüber einer normalen Bessemer charge mit einem Roheisen von etwa 1,25 % Silizium besteht, wenn man z. B. mit Roheisen mit 0,5 % Silizium arbeiten muß, dessen Schmelz temperatur etwa um 80 0 unter der des Bessemer eisens liegt, ein Wärmefehlbetrag von 80.0,25.1000 + 7,5.7830 = 78 725 Kal. f. d. Tonne. Soll derselbe ersetzt werden durch einen Wärmeüberschuß des Roheisens, so müßte die ' #, . • . 78 725 Überhitzung betragen 1000 0,25= 315°, oder wenn die Anfangstemperatur des verwendeten Roheisens bei etwa 1100° liegt, müßte dasselbe I auf etwa 1415° überhitzt werden, was auch j ungefähr den a. a. 0. angegebenen tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Abgesehen von der ungesunden Grundlage I des Verfahrens, ist auch der Martinofen als ; Überhitzungsapparat recht ungeeignet. Leider ist in dem Bericht nichts weiter angegeben über die Konstruktion des Ofens und seine Größe im Verhältnis zum Konverter. Aus einem gewöhnlichen Martinofen läßt sich flüssiges Eisen nur schwer teilweise entnehmen; sollaber jede Charge für sich im Martinofen überhitzt werden, so dauert dieser Prozeß viel länger als die Blasezeit im Konverter, und für einen rationellen Betrieb müßten für den Konverter schon mehrere Martinöfen zur Verfügung stehen, was aber die ohnehin schon kostspielige Bessemer- * „Stahl und Eisen“ 1901 S. 524. anlage nur noch mehr verteuern würde. Im Martinofen wird sich ein Frischen des Roheisens nie ganz vermeiden lassen, und das widerspricht I in diesem Falle direkt dem Zweck des Ver fahrens, da dadurch die nur in geringer Menge vorhandenen Nebenbestandteile noch mehr ver mindert werden, wenn auch, wie aus dem Be richt zu entnehmen ist, gerade die Oxydation des größten Wärmespenders, des Siliziums, in nur geringem Maße erfolgte. Vor allem kann man nicht einsehen, warum das Eisen in der vorhandenen Martinanlage nicht fertiggemacht wird und noch erst den Konverter durchwandern muß. Wenn auch damals das Roheisenfrischen l im Martinofen noch nicht so weit ausgebildet I war wie heute, so würde es sich doch noch | billiger und besser haben durchführen lassen j als diese merkwürdige Kombination von Kon- ' verter- und Martinprozeß. Sollte die Idee der Überhitzung des Roheisens wirklich noch prak- , tisch durchgeführt werden, so könnten hierfür wohl in Frage kommen der kippbare Martin- 1 ofen oder heizbare Mischer; Heizung mit Hoch- | ofengas dürfte dann wohl die verhältnismäßig billigste Lösung der Schwierigkeiten bedeuten. Schließlich ist aber zu bemerken, daß sich ein derartiges Arbeitsverfahren wohl kaum anderswo als auf einem weitab von den Industriezentren liegenden Hüttenwerke hätte entwickeln können. 3. Wärmeersparnis durch Stickstoffverminderung. Der Wärmeausfall bei Verarbeitung eines an wärmeerzeugenden Bestandteilen armen Eisens kann auch gedeckt werden, indem man die Menge des mit der Verbrennungsluft nutzlos durch zuschleppenden Stickstoffballastes verringert. Nach Raoul Pictets Angaben* unterliegt es nach seiner Umgestaltung des Lindeschen Ver fahrens zur Anreicherung von Luft keinen Schwierigkeiten mehr, Luft mit 50 °/o Sauerstoff technisch in größeren Mengen herzustellen. Mögen auch die Angaben Pictets vielleicht noch etwas optimistisch sein, so muß doch eine der artige größere Erzeugung von angereicherter Luft in den Bereich der technischen Möglichkeit gezogen werden. Der theoretische Windbedarf des obenerwähnten Roheisens mit 2,76 % Kohlenstoff, 0,52 % Mangan, 0,91 % Phosphor, 0,33 °/o Sili zium beträgt für die Tonne 211,1 kg, oder, wenn man den wirklichen Bedarf zu 125 °/° hiervon annimmt, so ist dieser 263,9 kg. Hierin sind enthalten 201,7 kg Stickstoff, welche, wenn der Gebläsewind auf eine mittlere Temperatur von 1400° erhitzt werden muß, dem Konverter 201,7 X 0,2865 X 1400 = 80 902 Kalorien ent führen. Tatsächlich beträgt aber der Wärme- Fehlbetrag gegenüber einer normalen Bessemer charge nur 35 357 Kalorien; dem Gebläsewind * „Dinglers Polyt. Journal“ 1901 8. 639 ff.