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15. Februar 1905. Zuschriften an die Redaktion. Stahl und Eisen. 215 ich einen interessanten Beitrag zu unserer Frage: Als Neilson 1829 die Winderhitzung erfand, stellte er in den ersten sechs Monaten eine Ersparnis von 2900 kg Kokskohle für 1000 kg Roheisen fest, d. h. nach Einführung dieser höchst unvollkom menen Winderwärmung von 93° brauchte man nur 65 % der zuvor aufgewendeten Kohlenmenge; i eine Zahl, die uns unbegreiflich erscheint, wenn wir nicht annehmen, daß vorher eine enorme Brennstoffmenge verschwendet wurde. Wäre dies nicht geschehen, so wären ungefähr 4°/ Erspar nis herausgekommen, gerade wie bei Gayley sich rechnerisch nur 4,0 °/o an Stelle der von ihm ge nannten 20% erklären lassen. Was die Vorgänge im Gestell des Hochofens angeht, so bin ich der Ansicht, daß wir im Gestell ein derartiges Vorherrschen der reduzierenden Kraft des Kohlenstoffs annehmen müssen, daß eine Verbindung des freiwerdenden Sauerstoffs mit dem Eisen entweder gar nicht oder nur statt findet, um wieder in statu nascendi zu zerfallen. Nach vorliegenden Erfahrungen sind wir nicht berechtigt, etwas anderes anzunehmen. Kata lytische Vorgänge sind bisher noch vollständig dunkel. Man muß dies immer wieder betonen, damit nicht unberechtigterweise in solchen Worten eine Offenbarung gesucht wird, welche die physi kalische Chemie als neue Wissenschaft uns dar bietet. Dabei bleiben ihr Wert und ihre Erfolge unberührt. R. Osann. * * * Hr. Gayley machte in seinem Vortrage vor dem Iron and Steel Institute in New York die Mitteilung, daß er auf dem Isabella-Hochofen zu Etna bei Pittsburg durch Vortrocknung des Win des mittels Abkühlung desselben unter 0°, und zwar von 13 g f. d. Raummeter Wassergehalt auf 4 g, eine Koksersparnis von 19,5 % bei gleich zeitiger Steigerung der Roheisenerzeugung um 24,8 % erzielt hat, wobei außerdem das erzeugte Roheisen eine größere Gleichmäßigkeit in der । Zusammensetzung als vorher bei Verwendung von feuchtem Winde aufwies. Solche Angaben über eine Neuerung, durch welche anscheinend ein Mittel gegeben war, die Gestehungskosten des Roheisens wesentlich zu verringern, erweckten das Interesse aller Hüttenleute jenseits und dies- ! seits des Ozeans. Dieses große Interesse der Fach welt spiegelt sich wider in der Schnelligkeit, mit welcher obige Versuchsergebnisse den Hüttenleuten übermittelt wurden. Auffallend ist, daß Hr. Gayley einer Schätzung oder Berechnung der Verminderung der Ge stehungskosten durch das neue Verfahren gänz lich ausweicht. Alle Hüttenleute sahen sich durch die verblüffenden Erfolge beim Isabella- Hochofen gleichsam vor ein Rätsel gestellt, da für dieselben nicht leicht eine theoretische Grund lage gefunden werden konnte. Dieses Rätsel kann jedoch gelöst werden durch die Annahme einer zweiten Wärmequelle, welche außerhalb des Hochofens zur Verwendung kommt, und zwar in Form von Dampfkohle. Diese Annahme wird zur Gewißheit durch den Bericht von Ch. E. Heurteaux in der „Revue de Metallurgie“ vom Dezember 1904,* in welchem angegeben wird, daß bei den obengenannten Versuchen billige Steinkohle zum Preise von 3,60 die Tonne zur Dampferzeugung verbraucht wurde. Diese Dampfkohle ist nun auch ein wesentlicher Faktor bei der Gestehungskostenberechnung. Hrn. Gay- leys Bericht macht über die Höhe dieses Kohlen verbrauchs keine Angabe; ich will nun versuchen, an der Hand der Daten aus Gayleys Bericht die Menge dieser Dampfkohle zu bestimmen, allerdings nur mit jener Genauigkeit, als sie durch die lückenhaften Daten erreichbar ist. Der Vorgang bei dieser Berechnung ist fol gender: Ich berechne den Heizwert der Gicht gase bei beiden Ofengängen und vermindere jedesmal denselben um die Wärmemenge, welche in den Winderhitzern verbraucht wird; die Diffe renz gibt mir jene Wärmemenge, welche zur Dampferzeugung zur Verwendung gelangen kann. Bei dem Ofengang mit feuchtem Wind, den ich kurz mit Gang I bezeichne, muß nun diese be rechnete Wärmemenge, welche zur Dampf erzeugung gelangen kann, bedeutend größer sein als beim Ofengange mit vorgetrocknetem Winde, den ich mit Gang II bezeichnen will. Diese Diffe renz der zur Dampferzeugung vorrätigen Wärme mengen bei beiden Ofengängen gibt mir schon das Maß der Dampfkohlenmenge, die bei Gang II zur Verwendung gelangen muß, da bei beiden Ofengängen der Verbrauch an Kraft für die Wind erzeugung in einem Falle, und für die Wind erzeugung und Vortrocknung im andern Falle, nach Angabe von Gayley sich nahezu die Wage hält. Gayley macht folgende Gegenüberstellung: Gang 1: 3 Gebläse zu 900 P. 8. = 2700 P. S. Gang II: 3 Gebläse zu 671 P. S. = 2013 P. 8. mehr 2 Kompressoren und Pum ¬ pen mit 535 P. 8. 2548; dies entspricht einer Kraftersparnis von 152 P. S. oder 5,6% zugunsten der Windvortrocknung; an einer andern Stelle sagt der Bericht des Hrn. Gayley jedoch, daß es scheine, als würde die Kraftersparnis beim Gebläse den Kraftaufwand der Kühlanlage nahezu erreichen; ich gehe daher den Mittelweg und nehme an, daß bei beiden Ofengängen der Kraftbedarf gleich ist. Berechnung der Wärmemenge, verfügbar zur Dampferzeugung bei Gang I für 100 kg Roheisen erzeugung. Gegeben sind folgende Daten, jeweilig bezogen auf 100 kg Eisenerzeugung: * „Stahl und Eisen“ 1904 S. 1457.