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1. Januar 1905. Referate und kleinere Mitteilungen. Stahl und Eisen. 55 Stromlinien und Wirbel, sondern ein für das Auge wesentlich wilderes und in seiner Gesetzmäßigkeit nicht mehr erkennbares Bild der Bewegung. Was sodann die Froudesche Theorie anlangt, so ist dieselbe sicherlich an vielen Stellen sehr ver besserungsbedürftig und verbesserungsfähig. Schon in dem Bericht zum Schiffahrtskongreß 1902 in Düsseldorf hat der Unterzeichnete ausgesprochen, daß die will kürliche Trennung des Schiffswiderstands in die beiden Summanden des Reibungswiderstands und Formwider stands, zumal in der noch heute beliebten Weise, zu schweren Bedenken Veranlassung gibt, und daß die Übereinstimmung von Probefahrtsresultaten im großen mit den vorher ermittelten Widerstandswerten der Schleppversuche oft nur dadurch herbeigeführt wird, daß vollkommen willkürlich ein Wirkungsgrad für die gesamte Maschinenanlage und den benutzten Propeller angenommen, und dadurch das Verhältnis der aus dem Schleppversuch ermittelten effektiven P. S.zur indizierten P. S. bestimmt wird. Glücklicherweise scheint es, als ob die Bemühungen und Versuche des Stettiner Vulkan, ausgeführt durch den Ingenieur Föttinger, im Laufe der Zeit ein genügendes Zahlenmaterial an die Hand geben werden, auf Grund dessen bei großen Schiffen der wahre Wert der effektiven P. S. und daraus auch der wahre Widerstand des großen Schiffs be stimmt werden kann. Wie außerordentlich schwankend auch heutigentags noch nach dieser Richtung hin die Werte sind, mag folgendes Beispiel dartun : Der deutsche kleine Kreuzer „Hamburg“ weist für 22 Knoten als aus dem Schlepp versuch* ermittelte effektive P. S. 5383 effektive P. S. auf. Bei der Probefahrt hat das Schiff bei gleicher Geschwindigkeit 9150 indizierte P. S. entwickelt, der gesamte Wirkungsgrad ist also in diesem Fall 0,588; bei 23 Knoten lauten die ent sprechenden Zahlen 6848 effektive P. S. und 11300 indizierte P. S., das gibt einen Wirkungsgrad von 0,606. Bei dem deutschen Linienschiff „Wittelsbach“ ergibt der Modellschleppversuch* für 18 Knoten 7502 effektive P. S., während bei 18,125 Knoten in Wirk lichkeit 15 530 indizierte P. S. entwickelt wurden; das gibt, da die Geschwindigkeiten und Tiefgänge nicht genau übereinstimmen, ungefähr einen Wirkungsgrad von 0,49. Nun ist man doch wohl berechtigt, zu sagen, daß sowohl Maschine wie Propeller in beiden Fällen gleich sorgfältig gebaut sind, und es dürfte vielleicht mit ziemlicher Berechtigung, wenigstens für die Maschinen anlage allein ohne Propeller, bei beiden Schiffen ein nahezu gleich guter Wirkungsgrad, nach Föttinger etwa 94 °/o, angenommen werden. Der Wirkungsgrad der Propeller freilich mag auf Grund der verschiedenen * Geschleppt ist das Modell ohne Anhängsel und Schrauben. Hinterschiffsformen des Kreuzers und des Linienschiffs ein verschiedener sein, ob er aber so stark differiert, daß die genannten Schwankungen von nahezu 25 % entstehen können, bleibt doch sehr fraglich! Nun bieten aber die Föttingerschen Versuche ein Mittel, den Widerstand des großen Schiffes ohne weiteres zu ermitteln. Hat man die Schiffsgeschwindigkeit, ferner die hierbei entwickelten indizierten Pferdestärken sowie den Wirkungsgrad der Gesamtanlage bestimmt, so ergibt die einfache Multiplikation der indizierten Pferde stärken mit dem Gesamtwirkungsgrad die effektiven Pferdestärken; werden diese wieder multipliziert mit 75 und dividiert durch die Schiffsgeschwindigkeit in Meter/Sekunden, so erhält man den Widerstand des Schiffes in Kilogramm. Fraglos muß man nun durch die Modellschleppversuche unter genau ähnlichen Be triebsbedingungen zu demselben Widerstandswerte gelangen, und hierin ist ein nicht zu unterschätzendes Mittel gegeben, der genauen Widerstandsbestimmung näherzukommen. Heute liegt die Sache noch wesent lich anders. Nimmt man nach den neuen Föttinger schen Untersuchungen einen Wirkungsgrad der Ma schine von 94%, der Propeller von 75 %, der Gesamt anlage also von 71 % an, so erhält man aus den tat sächlich indizierten Pferdestärken der „Hamburg“ einen Widerstand von 43119 kg bezw. von 51000 kg, während die Modellschleppanstalt nach Froude einen Widerstand von 35 647 kg bezw. von 43 375 kg, also Differenzen von 21% bezw. 18% errechnet! Für „Wittelsbach“ lauten die Daten angenähert: Widerstand, berechnet aus 15000 i. P.S. = 85890 kg; Widerstand nach Schleppversuch* = 60500 kg; Differenz etwa 42%. Die Resultate des großen Schiffs weichen somit von den nach der Froudeschen Methode ermittelten Wider standswerten derart ab, daß es sicherlich sehr berechtigt erscheint, die Froudesche Theorie möglichst nicht als Evangelium anzusehen, sondern nach Kräften dahin zu streben, daß die ihr anhaftenden Mängel im Laufe der Zeit beseitigt werden. Etwas Nutzen nach dieser Rich tung hin haben die Ahlbornschen Versuche sicherlich gebracht, sollten dieselben aber weiter fortgeführt werden, so muß von jetzt ab der Einfluß des Technikers auf den Physiker in den Vordergrund treten. An den Vortrag von Professor Ahlborn schloß sich der Vortrag von Professor Dr. Braun - Straßburg über „Neue Methoden und Ziele der draht losen Telegraphie“. Die Auseinandersetzungen des Vortragenden über die Vervollkommnungen, welche er in das schwierige Gebiet hineingebracht hat, wurden durch zahlreiche interessante Experimente erläutert und erregten in hohem Grade das Interesse der An wesenden. (Fortsetzung folgt.) Geh. Reg.-Rat Prof. Oswald Flamm-Charlottenburg. Referate und kleinere Mitteilungen. Umschau im Auslande. Frankreich. Seit längerer Zeit hat keine Neuerung auf dem Gebiete der Roheisendarstellung einen so lebhaften Meinungsaustausch hervorgerufen, wie das Gayleysche Windtrocknungsverfahren. Als wertvoller Beitrag, der in erster Linie die deutschen Fachgenossen interessieren wird, ist auf Seite 3 u. ff. der Vortrag zum Abdruck gelangt, den Professor Dr. C. v. Linde in der letzten Haupt versammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute gehalten hat. Auch die Ansichten mehrerer aus ländischer Fachgenossen über das Gayleysche Ver fahren wurden in Heft 23 und 24 des letzten Jahr gangs bereits wiedergegeben, unter anderm diejenigen zweier französischen Hüttenleute Ch. E. Heurteau und H. Le Chatelier. Welches Interesse man in Frankreich überhaupt dem Windtrocknungsverfahren entgegenbringt, ergibt sich aus dem Umstand, daß sich die französische Akademie der Wissenschaften bereits zweimal mit diesem Gegenstand beschäftigt hat. Die