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2 Stahl und Eisen. Die Reform der wissenschaftlichen Ausbildung im Eisenhüttenwesen. 25. Jahrg. Nr. 1. gelehrt wird, nicht gleichen Schritt halten. I Es ist das Verdienst des Vereins deutscher Eisen- hüttenleute, auf dieses Mißverhältnis öffentlich ; hingewiesen zu haben und die Anregung zu einer Reihe von Beratungen gegeben zu haben, ! die bereits vor mehr als Jahresfrist zwischen ! den Vertretern der zuständigen Ministerial behörden, der Hochschulen und der Industrie stattfanden. Bei diesen Verhandlungen herrschte I über die Revisionsbedürftigkeit des eisenhütten- I männischen Studiums und über die Notwendig keit, die vorhandenen Einrichtungen in umfassen- ' der Weise zu erweitern und zu vervollkommnen, völlige Übereinstimmung. Während man jedoch j anfänglich davon ausgegangen war, daß sämt- | liehe Lehrstätten des Eisenhüttenwesens in glei cher Weise weiter auszubauen seien, ergab sich im Laufe der Verhandlungen, daß diese Förde rung aus Finanzrücksichten nur einzelnen [ Hochschulen würde zuteil werden können. Ob es allerdings wirtschaftlich richtig ist, in Deutschland die Anzahl dieser Bildungsstätten zu beschränken, während sie in Nordamerika ständig vermehrt werden, soll unerörtert bleiben. | Neben Aachen im Westen und Breslau im Osten kommt Berlin als Mittelpunkt des Reichs I naturgemäß in erster Linie in Betracht, und , hier wieder entsteht die Frage: soll die Tech- I nische Hochschule zu Charlottenburg mit I den erweiterten Einrichtungen für das Hütten- [ wesen ausgestattet werden oder die alte Pfleg stätte der montanistischen Wissenschaften, die | Bergakademie? Wir glauben, daß der letz teren nicht nur mit Rücksicht auf ihre histo rische Entwicklung der Vorzug gebührt, daß es i ein Unrecht wäre, dieser seit mehr als einem i Jahrhundert in allen Kreisen der Montanindustrie rühmlichst bekannten Hochschule einen Haupt zweig ihrer bisherigen Wirksamkeit zu nehmen und damit ihre Lebenskraft zu schädigen, son dern wir sind auch überzeugt, daß eine Reihe gewichtiger Zweckmäßigkeitsgründe für die Be lassung des Eisenhüttenwesens bei der Berg akademie sprechen. Bergbau und Hüttenwesen sind aufeinander angewiesen, wie kaum zwei andere Berufsarten. Gerade in der neuesten Zeit tritt ja immer mehr das Bestreben der größeren Montanindu striellen in den Vordergrund, den Bedarf ihrer Hüttenwerke aus eigenen Gruben zu decken, große Bergwerksgesellscha "ten mit Hüttenunter nehmungen zu verbinaen. Die Leiter solcher Werke müssen daher, mögen sie nun ihrer be- sondern Ausbildung nach Bergleute oder mögen sie Hüttenleute sein, beide Betriebszweige über sehen können. Besonders kommen die ins Aus land gehenden Hüttenleute vielfach in die Lage, mit ihren Hüttenwerken verbundene Kohlen- und Erzbergwerke leiten zu müssen. Jeder Eisen- j hüttenmann muß, wenn anders er wirtschaftlich | arbeiten will, sowohl als Konsument wie als Produzent einen sachlichen Überblick über die Bedürfnisse des Bergbaues haben. Häufig und mit vollem Rechte wird darauf hingewiesen, welche ausschlaggebende Bedeutung in neuerer Zeit für den Hüttenmann das Maschinenwesen erlangt habe, und es wird hieraus vielfach ge folgert, daß die Technischen Hochschulen in erster Linie berufen seien, die Ausbildung der Eisenhüttenleute mit zu übernehmen. Mindestens in dem gleichen Maße wie für den Eisenhütten- mann hat das Maschinenwesen jedoch auch für den modernen Bergmann Bedeutung gewonnen. Die Anforderungen, die an beide Berufszweige der Montanindustrie in dieser Hinsicht gestellt werden, sind etwa dieselben Der weite Umfang und die Vielseitigkeit sowohl des hüttenmännischen wie des rein berg männischen Studiums zwingen bei der Aus dehnung, die die technischen Wissenschaften in der jüngern Zeit erfahren haben, dazu, diese Lehrfächer entsprechend abzurunden und auf die besonderen Erfordernisse der Montanindustrie zuzuspitzen. Diese Erfordernisse sind aber, wie oben bereits dargelegt wurde, für das Bergfach wie für das Hüttenfach' nahezu die selben, so daß beiden Berufszweigen mit den an der Bergakademie gehaltenen technischen Vor lesungen und mit den hier ohnehin zu schaffenden maschinentechnischen Einrichtungen am besten gedient ist, besser als es mit den für künftige Maschinenkonstrukteure berechneten Vorlesungen an einer Technischen Hochschule der Fall wäre. Ein besonderer Umstand fällt noch zugunsten der Bergakademie ins Gewicht: die geringere Zahl der hier Studierenden Lassen wir der Montanistischen Hochschule auch die Pflege und Vertretung der montanisti schen Wissenschaften und geben wir ihr eine solche Ausstattung, daß sie auf allen ihren Ge bieten so wie bisher den höchsten Anforderungen gerecht werden kann!“ So weit die Zuschrift, deren Ausführungen in den Kreisen der deutschen Eisenhüttenleute schon um deswillen sehr freudige Aufnahme finden werden, weil sie das Bedürfnis einer Reform der wissenschaftlichen Ausbildung im Eisen hüttenwesen rückhaltlos anerkennen. Die Frage, ob die Technische Hochschule oder die Berg akademie in Zukunft die Hauptstätte dieser Re form sein müsse, tritt für uns zurzeit in den Hintergrund, weil wir den Hauptnachdruck darauf legen, daß das Bedürfnis anerkannt ist und demnach Abhilfe geschaffen werden muß. Uns kommt es in erster Linie darauf an, daß überhaupt etwas geschieht und daß in der Ab hilfe ein möglichst schleuniges Tempo ein geschlagen wird. So wie bisher kann es auf diesem Gebiet unmöglich weitergehen. Die Redaktion.