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148 Stahl und Eisen. Das Kjellinsche Verfahren zur elektrischen Erzeugung von Stahl. 25. Jahrg. Nr. 3. Das Kjellinsche Verfahren zur elektrischen Erzeugung von Stahl. Von Oberingenieur V. Engelhardt-Wien. Das Kj ellinsche Verfahren wird in Gysinge ausgeführt, einem am Dalelf gelegenen Orte, den man von Stockholm über Tillberga-Sala in vier Stunden Bahnfahrt erreicht. Die Kjellin- sehen Ofenpatente waren früher Eigentum der Gysinge Aktiebolag. Diese Gewerkschaft be trieb in Gysinge einen Hochofen, eine Wallon- j schmiede, eine Stahlschmiede und eine Sulfit zellulosefabrik, für welche sie über ausgedehnten eigenen Waldbesitz verfügte. Im Jahre 1899 wurde der erste Kjellinsche Induktionsofen für | elektrische Stahldarstellung aufgestellt. Der- I selbe war im Februar 1900 fertig, kam am 18. März in Betrieb und war nur für einen Einsatz von 80 kg bei 78 KW. Energieauf nahme gebaut. Es wurden damit 270 kg Stahl- | guß in 24 Stunden erzeugt, entsprechend einem Kraftaufwand von über 7000 KW.-Stunden f. d. Tonne Stahl. Ein im November 1900 fertiggestellter Ofen für 180 kg Inhalt leistete schon bei 58 KW. an der Maschine in 24 Stun- 1 den 600 bis 700 kg Stahl bei 100 kg Abstich und drei- bis vierstündiger Chargendauer, er- j forderte also im Mittel 2140 KW.-Stunden | f. d. Tonne Stahl. Als am 11. Juli 1901 dar auf die Gysinger Zellulosefabrik abbrannte, wurde die dadurch disponible Kraft für den Betrieb eines noch größeren Ofens verwendet, welcher für 165 bis 170 KW. Energieaufnahme j gebaut ist und auf welchen sich die in nach- j stehenden Zusammenstellungen wiedergegebenen Angaben beziehen. Durch den im Frühjahr 1904 erfolgten Ver- i kauf der Gysinger Gewerkschaft, wobei die einzelnen Teile des Besitzes derselben in ganz verschiedene Hände gelangten, sowie durch längere Abwesenheit des Erfinders, welcher einen Ofen desselben Prinzips in Frankreich aufzustellen und in Betrieb zu setzen hatte, kam der Ofen in Gysinge vorübergehend zum Stillstand, und auf diesen Umstand bezieht sich die in verschiedene Fachblätter gelangte Nach richt, daß der Betrieb des Kjellinschen Ver fahrens eingestellt worden sei. Die Patente über den elektrischen Ofen Kjellins gingen in den Be- । sitz der Met allurgiska Patent Aktiebolaget in Stockholm über, welche den Ofen in Gysinge f sowohl für die laufende Erzeugung von Werk- i zeugstahl als auch für Versuche über die Her stellung verschiedener Eisenlegierungen im Be trieb hält. Außerdem sind Lizenzen an die neuen Besitzer der Gysinge-Gewerkschaft, dann an eine hervorragende englische Stahlfirma und, wie schon erwähnt, an eine französische Firma, welche den Ofen schon im Betrieb hat, ab gegeben worden. Ferner hat die Firma Siemens & Halske A.-G. das Verwertungsrecht für Deutschland, Österreich-Ungarn und die Balkan länder erworben. Endlich ist beabsichtigt, auf der im nächsten Jahre stattfindenden Aus stellung in Lüttich einen Ofen den Interessenten im Betrieb vorzuführen. Es ist daher weder von einem Aufgeben des Systems im allgemeinen, noch von einer Einstellung der Fabrikation in Gysinge die Rede. Die derzeitige Besitzerin der Patente, die Metallurgiska Patent Aktie bolaget in Stockholm, an welcher sehr kapital kräftige schwedische Industrielle beteiligt sind, betreibt außerdem die bekannten Verfahren Gröndals zur magnetischen Aufbereitung und Brikettierung von Erzen und zur kontinuier lichen Holzverkohlung sowie die Verarbeitung der damit gewonnenen Produkte im Hochofen. Der Ofen in. Gysinge steht auch für Inter essenten, welche durch die Firma Siemens & Halske A.-G. eingeführt werden, zur Vor nahme von Probechargen mit fremdem Material sowie zur Besichtigung zur Verfügung. Der Kjellinsche Ofen ist in der Literatur schon so oft beschrieben worden, daß man das Prinzip desselben als bekannt voraussetzen kann. Die schematische Zeichnung in Ab bildung 1 und 2, die dem „Jernkontorets An- naler" 1902, 289 entnommen ist, gibt ein Bild der Einrichtung dieses Ofens ohne Elektroden.* Der Ofen stellt im Prinzip einen Transformator dar, dessen einzige kurzgeschlossene Sekundär windung aus der kreisförmigen Rinne A besteht, welche den Schmelzraum des Ofens bildet. Diese Rinne wird durch die Deckel B, welche die Form von Ringsektoren aus feuerfesten Ziegeln mit Flacheisenarmatur haben, abgedeckt. In der Mitte des Ringes befindet sich der aus weichen, 0,5 mm starken Eisenblechen mit Seidenpapierisolation zusammengesetzte Kern C, welcher von einer mit Asbest isolierten Kupfer- drahtspirale D umgeben ist. Dieser Kern ist außerhalb des Ofens zu einem Rechteck aus gebildet. Die primäre Spule ist direkt an die * Siehe auch Neumann: Die elektrothermische Erzeugung von Eisen und Eisenlegierungen. ,.Stahl und Eisen“ 1904 Heft 13 S. 767.