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15. März 1905. Vereins - Nachrichten. Stahl und Eisen. 383 Ernst Friedrich Dürre &. Am Mittwoch den 22. Februar 1905 starb nach längerem Leiden zu Eltville der ehemalige Inhaber der Professur für „Eisenhüttenkunde“ an der Tech nischen Hochschule zu Aachen, Dr. Ernst Friedrich Dürre, im 71. Lebensjahre. Der Vater des Verewigten schloß sich auf dem Gymnasium dem Erwecker des Turnwesens Fr. L. Jahn an, machte als Sekundaner im „Lützowschen Frei korps“ den Befreiungskrieg mit, und war auf der Universität Jena ein Führer der burschenschaftlichen Bewegung. Dies zog ihm eine fünfjährige Unter suchung zu, welche den Theologiebeflissenen auf die Laufbahn des Privatlehrers drängte. Als solcher verheiratete er sich in Lyon, wo ihm am 19. Oktober 1834 ein Sohn geboren wurde. Im Jahre 1848 zog der Vater wieder nach Deutschland, woselbst der Sohn seine Vorbildung erhielt. Im 20. Lebensjahre wurde derselbe auf dem Königl. Hüttenwerk zu Mala- pane zur praktischen Aus bildung zugelassen. Er war sodann 22 Monate in den verschiedensten Zweigen der damaligen Eisenhüttentech nik praktisch tätig (Holz kohlenhochofen mit Gieße reibetrieb, Köhlerei, Frisch feuerbetrieb, W alzwerksbe- trieb, Kokshochofenbetrieb mit Kokerei). Im Herbst 1857 bezog er die Universität und wurde nach Beendigung seiner Studien am 22. Aug. 1861 zum Hütteneleven er nannt. Von dieser Zeit bis zum Herbst 1865 war er als Betriebsbeamter auf den Königl. Hüttenwerken Mala- pane und Gleiwitz tätig. Entscheidend für seine spätere Laufbahn war die Be rufung als Assistent Wed dings an die Königl. Berg akademie in Berlin, wo ihm Gelegenheit geboten war, sich auf wissenschaftlichem Gebiete zu betätigen. Er fand dort verständnisvolles Entgegenkommen und all gemeine Anerkennung, welch letztere darin zum Aus druck kam, daß er im Jahre 1867 als Dozent für „Metallurgische Technologie“ und „Feuerungskunde“ zugelassen wurde. Eine Reihe von Aufsätzen, Apho rismen über Gießereibetrieb, welche während der Jahre 1865 bis 1868 in der „Österreichischen Zeit schrift für Berg- und Hüttenwesen“ erschien, lenkte die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf Dürre. Im August 1868 erwarb er sich an der Universität Göttingen die philosophische Doktorwürde auf Grund einer Dissertation: „Über die Konstitution des Roh eisens“. Weitere Veröffentlichungen während seines Berliner Aufenthalts sind folgende: „Die Bessemer anlage der Königin - Marienhütte zu Cainsdorf bei Zwickau“ („Polytechnisches Zentralblatt“ 1869); „No tizen über das Bessemerwerk zu Seraing" („Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen in Preußen“ 1870); „Die Rheinisch-Westfälische Stahlindustrie“ („Deutsche Revue“ 1870). An der im Jahre 1870 eröffneten Rheinisch- Westfälischen Polytechnischen Schule erstreckte sich der Lehrauftrag des Professors der „Mineralogie“ auch auf „Metallurgie“, und hatte infolgedessen der von der Berliner Bergakademie kommende Mineraloge Laspeyres auch „Hüttenkunde“ zu lesen. Die Un möglichkeit, beide weit auseinanderliegenden Gebiete in einer Hand zu vereinigen, wurde jedoch bald er kannt, und infolge Betreibens des „Zollvereinsländischen Eisenhüttenvereins“ in Düsseldorf, der laut Sitzungs beschlusses vom 14. Januar 1871 der Polytechnischen Schule in Aachen behufs Errichtung und Erhaltung eines Lehrstuhls für „Eisenhüttenkunde“ einen Beitrag von 3000 Talern vorläufig auf drei Jahre bewilligte, und dank den Bemühungen des damaligen „Technischen Ver eins für Eisenhüttenwesen“ in Düsseldorf reifte bei der Königl. Staatsregierung der Entschluß, einen Lehrstuhl für „Hüttenkunde“ in Aachen zu errichten. Im Herbst 1871 wurde provisorisch eine Dozentur für „Allgemeine und spezielle Hüttenkunde“ sowie „Probierkunde“ ein gerichtet, und für dieselbe Dürre berufen. Eine freiere, die ganze Arbeitskraft eines Mannes in Anspruch nehmende Tä tigkeit wartete seiner in Aachen, und dank seinen Leistungen wurde schon Weihnachten 1872 eine etatsmäßige Professur ge schaffen und Dürre über tragen. Das während der Jahre 1870 bis 1875 erschienene „Wissenschaftlich - Techni sche Handbuch des gesamten Gießereibetriebes“, das in zwischen zwei weitere Auf lagen erlebt hat und heute noch zu den besten Lehr und Handbüchern dieses Zweiges der Eisenhütten kunde zu zählen ist, zeigt ihn als Meister in der Darstellung technischer Vor- gänge und technischer Einrichtungen. Von 1873 bis 1878 bekleidete Dürre das Amt eines Schriftführers beim „Technischen Ver ein für Eisenhüttenwesen“, und war derselbe während dieses Zeitraums als ständiges Vorstandsmitglied kooptiert. In dieser Eigenschaft übernahm er die Berichterstattung über die Weltausstellung in Wien (Berlin 1876) und hielt auf den Generalversammlungen folgende Vorträge: „Die graphische Darstellung von Hüttenprozessen“ (Dezember 1873); „Neuere Erfah rungen im mechanischen Puddeln mit Berücksichtigung des Pernotschen Ofens (Dezember 1874, in Druck Berlin 1875); „Mitteilungen über die amerikanische Kommission zur Untersuchung der gegenwärtig fabri zierten Eisen- und Stahlsorten“ (Februar 1876); „Be richt über eine Reise nach Frankreich und die Fort schritte der dortigen Eisenindustrie“ (Juli 1876); „Mitteilungen über neuere Fortschritte im franzö sischen Eisenhüttengewerbe“ (Dezember 1877). Oktober 1878 legte Dürre sein Amt als Schriftführer nieder. Der „Katechismus der allgemeinen Hüttenkunde“ er schien 1877 in Leipzig, woselbst auch das große Werk über „Anlage und Betrieb der Eisenhütten“ in drei Bänden mit mehreren Atlanten während der Jahre 1878 bis 1892 herausgegeben wurde. In der Amtsperiode 1. Juli 1886 bis 1. Juli 1889 war er Rektor der Technischen Hochschule, ein Beweis für das Vertrauen, welches seine Kollegen ihm entgegen-