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400 Stahl und Eisen. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. 22. Jahrg. Nr. 7. und nur 10 °/o nach England vergeben worden. Ein anderer Punkt, in dem England in industrieller Hin sicht zurückgeblieben, sei die Einführung automatisch angetriebener, arbeitsparender Maschinen. Es gäbe ja einzelne Werke, die in dieser Hinsicht auf der Höhe wären, im allgemeinen stände man jedoch hinter Amerika zurück. Auch die Transportkosten seien in England im Verhältnifs zu den rivalisirenden Ländern zu hoch. Die Thatsache, dafs man Eisen aus den südlichen Staaten Nordamerikas und den Haupt erzeugungsstätten Canadas ebenso billig und selbst billiger nach England schicken könne, als im Lande selbst von einem Centrum zum andern, bezeichnet Redner als einen Skandal. Das schlimmste Uebel jedoch, mit dem Englands Industrie belastet sei, wäre die Arbeiterfrage. Die meisten Arbeiter wüfsten die Schwere des Concurrenzkampfes und die Verantwort lichkeit der beaufsichtigenden Beamten nicht richtig einzuschätzen. Der Erfolg amerikanischer Werke sei nach der Meinung von Professor von Halle zum Theil darin begründet, dafs dieselben nicht unter der Tyrannei englischer Arbeiter zu leiden hätten. Ben jamin Taylor sage in der „North American Review“, der Trade Unionismus in England erhöhe die Preise durch Beschränkung der Production. Amerika arbeite freier und könne deshalb England unterbieten. Dem Arbeiter fehle weniger eine bessere technische Er ziehung als das Bewufstsein, dafs sie ihr eigener schlimmster Feind wären, wenn sie der Trade Union beiträten. Er, Redner, könne Taylor nicht ganz bei stimmen. Die Trade Union habe Vieles für die Arbeiter erreicht und letztere seien vielfach durch die Härte der Arbeitgeber zum Beitritt zur Trade Union ge zwungen worden. Jetzt habe aber die Trade Union in England eine zu grofse Macht erlangt, die sie oft thöricht gebrauche, eine Macht, die Arbeitervereini gungen in anderen Ländern weder besitzen noch aus üben könnten. Um über diesen Punkt ins Reine zu kommen, hat Redner an Freunde im Auslande folgende Anfragen gerichtet: 1. Wie steht es mit der Stellung der Arbeiter vereine zu den arbeitsparenden Maschinen? Nutzen die Werke den Vortheil arbeitsparender Maschinen voll aus oder besteht die Trade Union darauf, dafs trotz automatischer Maschinenarbeit die Anzahl der Arbeiter nicht vermindert wird? 2. Welches ist die Organisation und das Ziel der Arbeitervereinigungen ? 3. Mischen sie sich in die Betriebsleitung und suchen sie dem Arbeitgeber Vorschriften zu machen? 4. Giebt es mehr Accord- oder Tagesarbeit? 5. Wird das Princip der Gewinnbetheiligung in irgend welcher Ausdehnung praktisch durchgeführt? Aus den eingegangenen Antworten geht hervor, dafs die Arbeitervereinigungen anderer Länder sich weniger in die Betriebsleitung mischen und der Ein führung arbeitsparender Maschinen nicht feindlich gegenüberstehen. Der .Hauptvortheil falle dem Unter nehmer zu. Eine Productionsbeschränkung fände wenig oder gar nicht statt. Eine Gewinnbetheiligung der Arbeiter bestehe nicht. Die Trade Union, fährt der Redner fort, wolle die Gesetze der Natur umkehren. Indem sie darauf bestehe, dafs fähige und unfähige Arbeiter gleich bezahlt würden, führe sie eine Be zahlung für die Zeit anstatt für die Leistung ein. Auch wolle sie erzwingen, dafs der geschickte Arbeiter nicht mehr leisten dürfte als der ungeschickte. Diese Arbeitsbeschränkung sowie die Beschränkung der Ma schinenarbeit verursachten die hohen Selbstkosten englischer Artikel sowie die Verzögerungen in der Lieferzeit. Dies wären daher auch die Hauptgründe, weshalb die englische Industrie im internationalen Wettbewerb an Boden verliere. Die Kampfmittel der Arbeiterorganisationen seien die Streiks; so hätte z. B. der Tischlerstreik an der Themse die Schiffbauindustrie von der Themse nach den Tees-, Wear- und Tyne- Districten vertrieben; wenn nun auch in diesem Falle die Arbeit der Industrie nachgezogen wäre, so seien dergleichen Experimente doch unverantwortlich an gesichts der Thatsache, dafs alle grofsen Nationen sich anstrengen, die neutralen Märkte zu erobern und ausländisches Roheisen und andere Erzeugnisse bis in die unmittelbare Nähe englischer Industriecentren vor drängen. Redner empfiehlt daher den Arbeitern, ihre Politik zu ändern, anstatt die Production und die Ein führung arbeitsparender Maschinen zu beschränken. Den Führern der Trade Union, fährt Redner fort, werde gewöhnlich diese fehlerhafte Politik zur Last gelegt; man gäbe ihnen Schuld an den Beschränkungen des Betriebes, ebenso sollten sie einer Gewinnbetheili- gung der Arbeiter entgegen sein, um eine Besserung der Beziehungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern zu verhindern. Theilweise möge dies wohl der Fall sein, doch wolle er sich auf eine Untersuchung dieser Frage nicht weiter einlassen. Bei einem kürzlich in Deutsch land stattgefundenen Streik sei von Seiten des deutschen Kaisers energisch eingegriffen worden (the German Emperor, backed by his powerful army threw the iron dice of his decision upon a recent strike) und sei gegenwärtig in diesem Lande thatsächlich keine der Trade Union entsprechende Arbeiterorganisation vorhanden. In Bezug auf Amerika könne man mit Recht das „Minneapolis Journal" citiren, welches sich wie folgt ausdrücke: „Der Grund, weshalb Amerika an der Spitze der producirenden Länder steht, ist zum Theil darin zu suchen, dafs hier Kapital und Arbeit Hand in Hand gehen, anstatt sich zu bekämpfen. Wenn die amerikanischen Arbeiter hieran fest halten, so werden wir (Amerika) ein weiteres Vierteljahr hundert erfolgreich sein, denn mit unseren Hülfs- quellen und unserer Energie sind wir imstande, alle Nationen zu unterbieten.“ Seitdem hätte allerdings der grofse Stahlstreik stattgefunden, aber - dieser ging nur von den Führern aus und habe dem Trade Unionismus jenseits des Oceans einen schweren Schlag versetzt. Der Jllinoisstreik sei von der Regierung unterdrückt (put down), ebenso der Homesteadstreik; bei letzterem sei man in einer Weise vorgegangen, deren Wieder holung in England Niemand wünschen würde. Wie aus dem eben Gesagten hervorgehe, sei keine Aussicht vorhanden, dafs die rivalisirenden Länder 1 unter den selben Beschränkungen wie England zu arbeiten haben würden. Man müsse daher an einen anderen Ausweg denken. In dieser Beziehung würde eine gut geleitete Trade Union dem Arbeitgeber sowie dem Arbeiter Vortheil bieten, nämlich den, dafs man mit einer an erkannten Leitung und Executive verhandeln könne. Ein anderes Mittel seien Schiedsgerichte; dieselben seien manchmal erfolgreich, manchmal auch nicht. In Neuseeland sei der industrielle Frieden durch ein Schiedsgerichtsgesetz gesichert worden. Das Gesetz sei ja in mancher Beziehung mangelhaft, aber doch allen Lobes werth, da es Streiks verhindere. Redner schlägt alsdann ein ständiges Schiedsgericht vor, welches aus drei Personen bestehe. Zwei wären von den Parteien zu wählen, der dritte solle ein Richter des höchsten Gerichtshofes oder eine andere öffentliche Vertrauensperson sein. Die Entscheidung dieses Ge richtes müfste endgültig sein. Es müfste ferner ver fügt werden, dafs ein Streik ohne vorherige Anrufung des Schiedsgerichtes ungesetzlich ist. Der Gerichtshof müfste dauernd sein, weil er bei kaltem Blute gewählt werden müsse, ehe irgendwelche Mifsstimmungen und Streitigkeiten infolge eines Streiks erregt worden seien, dagegen dürften die Entscheidungen der Schiedsgerichte keine bindende Kraft haben, denn man dürfe den Arbeiter nicht zwingen, zu billigeren Preisen als