Volltext Seite (XML)
meist auch seine gute Gesundheit, sein hohes Alter zu. Er erreichte 88 Jahre. Als er in den letzten Jahren seines Lebens einmal gefragt wurde, worin er den Grund seines hohen Alters finde, antwortete er: »Ich habe in meinem ganzen Leben des Guten nie zu viel getan.« Einfach und natürlich im Umgang, hatte er für sein Vaterland, für seine Schüler ein warmes Herz. Er erfreute sich aber auch nebst der Hochschätzung als Lehrer ihrer treuen, warmen Zuneigung und Anhänglichkeit. Dafür spricht wohl, daß sie ihn einfach den »Peter« nannten, und an feierlichen geselligen akademischen Abenden, an denen er sich häufig beteiligte, im Liede als den »lieben alten Peter« begrüßten. Tunner war im gewöhnlichen Verkehr schweig sam, wortkarg, aber es kam nur auf den Gegen stand an und er konnte auch gesprächig und lebhaft werden. Er war ernst religiös — ein Fenster in der Waasenkirche mag dafür Zeugnis geben und dürfte für seine Schüler Interesse haben — und das mag ihm über manche Bitter nisse hinweggeholfen haben, die auch ihm be- schieden waren. Nicht breite Gelehrsamkeit, die naturgemäß häufig sich nicht mit Tiefe vereint, war es, die Tunner seinen wohlbegründeten, weitreichenden Ruf als Fachgelehrten eintrug, sondern sein auf allseitiger, gediegener technischer Bildung und reicher eigener Erfahrung aufgebautes und ver tieftes, von Überzeugung durchdrungenes Fach wissen, seine scharfe Beobachtungsgabe, sein sicherer fachmännischer Blick, der in der Blüte zeit seiner Tätigkeit um so höher schätzbar war, als die positive theoretische Wissenschaft dieses Faches erst im Beginn der Entwicklung lag, und seine vorzügliche fachgemäße Dar stellungsweise. Sein Werk über die Herdfrischerei, mit dem er sich den ersten Ruhm erwarb, war das erste gediegene Werk über diesen Gegen stand und ist das gediegenste geblieben. Jenes über Walzenkalibrierung war bis in die 70er Jahre die einzige systematische, wissenschaft liche, den ganzen Gegenstand umfassende und praktisch verwendbare Arbeit. Seine originellen, auf direkte Versuche gegründeten Studien über den Eisenhochofenprozeß waren, gleich den vor genannten, grundlegende Arbeiten, welche durch spätere Arbeiten anderer Forscher vielfach be stätigt wurden. Es gibt auch heute — an 50 Jahre später — kaum ein Werk dieser Richtung, in dem nicht unseres Meisters rühmend gedacht wird. Tunner war unermüdlich tätig für die Einführung von Neuerungen und Ver besserungen in seinem Fache, von denen er durch seine wiederholten Reisen nach England usw., den Besuch von Ausstellungen, oder seinen Verkehr mit hervorragenden Fachgenossen, mit denen er dauernd in Verbindung stand, Kennt nis erhielt. Als Bessemers große Erfindung die I Fachwelt in Staunen versetzte, war es Tunner, welcher ihr, als sie noch in ihrer Entwicklungs periode war, überzeugend das Wort redete und sie in Österreich zur Durchführung brachte; und eben gestern waren es 40 Jahre, daß er selbst zu Turrach die erste Charge mit voll endetem Erfolg leitete. Neuberg, dessen Bessemer hütte durch seine überzeugenden Bemühungen entstand, wurde eine Schule für diesen Prozeß, auf der Ingenieure aus allen Ländern Europas sich einfanden, um ihn zu studieren. Seit 1845 besuchte Tunner alle größeren Industrie- und Weltausstellungen und war auf denselben wieder holt als Preisrichter tätig; seine zahlreichen Ausstellungs- und Reiseberichte über Schweden, England, Rußland, Vereinigte Staaten usw. sind nebst vielen kleineren Abhandlungen wertvolle fachwissenschaftliche Arbeiten. Er ist der Gründer des »Jahrbuches der österreichischen Berg akademien«, welches sich rasch einen hervor ragenden Rang in der Fachliteratur erobert hat. Mit ungeschwächtem Interesse und unermüdlichem Fleiße folgte er bis in das späte Alter noch den immer mehr und mehr sich drängenden Fortschritten seines Faches, dem er mit Leib und Seele ergeben war. Es wäre zwecklos abwägen zu wollen, nach welcher Richtung Tunner am höchsten zu schätzen sei. Daß die Anstalt, an der er fünf Jahre hindurch allein, und im ganzen 26 Jahre lang als Professor der Eisenhüttenkunde wirkte, und der er noch weitere acht Jahre (bis Herbst 1874) als Direktor vorstand, immer mehr an Ruf und Zuzug vom In- und Ausland gewann, beweist wohl, daß er auch ein Meister im Lehren war. Ich selbst war noch, als er das letzte Jahr das Katheder betrat, sein Schüler, und weiß — nunmehr an seiner Stelle — seinen Wert be sonders zu schätzen. Seine Sprache war einfach, klar, fließend, ruhig; aber zeitweise kam er im Interesse für den Gegenstand doch auch in leichte Erregung. Dabei hatte er die besonders glück liche Gabe, seinen Schülern Interesse für das Fach einzuimpfen. Nicht minder aber war es sein Lehrsystem, »die glückliche Vereinigung von Wissenschaft mit praktischer Anschauung und Beobachtung, die Heranziehung zu eigener fachlicher Arbeit, die schließliche Bereisung verschiedener Werke usw.«, welche ihm und der Schule den weitreichenden Ruf gebracht haben. Es genügt, um seine Bedeutung in dieser Rich tung voll zu ermessen, daran zu erinnern, daß die anfangs so bescheidene Schule ohne Tunner das nicht geworden wäre, was sie infolge des Rufes, den er begründet, geworden ist: eine in der Welt anerkannte und geachtete, nunmehr durch die Gnade seiner Majestät unseres erha benen Kaisers Franz Josef auch mit allen Rechten der Hochschulen ausgestattete »Hoch schule für Berg- und Hüttenwesen«.