DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 19. November 1977, 20.00 Uhr Sonntag, den 20. November 1977, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 4. PHILHARMONISCHES KONZERT Zum 60. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution Dirigent: -Neeme Järvi, Sowjetunion Solistin: Eva Ander, Dresden, Klavier Chor: Philharmonischer Chor Dresden Einstudierung: Herwig Saffert Dmitri Schostakowitsch 1906-1975 Peter Tschaikowski 1840-1893 Sinfonie Nr. 2 H-Dur op. 14 „An den Oktober" mit Schlußchor nach Worten von A. Besymenski Largo — Allegro molto Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 G-Dur op. 44 Allegro brillante e molto vivace Andante non troppo Allegro con fuoco Aram Chatschaturjan geb. 1903 PAUSE Sinfonie Nr. 1 e-Moll Andante maestoso, con passione — Allegretto giocoso — Allegro non troppo Adagio sostenuto Allegro risoluto w j- k.lnolpr der Estnischen SSR, wurde 1937 in Tallinn geboren, NEEME JARVI, Verdien den D ir j ge nten des Opern- und Ballett-Theaters „Estonia", er- Durch seinen Bruder -’ ht g r studierte zunächst Schlagzeug und Chordirigieren an der hielt er den ers le"”“ K £ e r se ne Ausbildung am Leningrader Konservatorium in der Tallinner Musikschule, 1955 setzte e s schließlich als Aspirant ebenfalls bei Prof. Dirigentenklasse von Prof. Rabmowitscn ro Rabinowi t sch und bei Jewgeni Mrawinski. 1961 gründete Neeme Järvi ein Kammercrche- ster. 1963 wurde er zum Dirigenten des Sin fonieorchesters des Estnischen Rundfunks und Fernsehens und des Estnischen Opernorche sters berufen. Seit 1972 ist er Chefdirigent der Estnischen Philharmonie Tallinn. Konzert reisen führten ihn u. a. neben seinen stän digen Verpflichtungen in den Musikzentren der Sowjetunion in die VR Polen, in die CSSR, DDR, VR Bulgarien, SFR Jugoslawien, nach Schweden, Finnland u. Großbritannien. EVA ANDER, gebürtige Dresdnerin, gehört zu den namhaftesten Pianistinnen der DDR. Sie studierte 1945 bis 1950 in ihrer Heimat stadt an der Staatlichen Akademie für Musik und Theater. 1951 erhielt sie den Carl-Maria- von-Weber-Preis der Stadt Dresden, 1971 wurde sie mit dem Kunstpreis der Deutschen Demokratischen Republik ausgezeichnet. In den Jahren 1961 bis 1963 war sie an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler" in Ber lin als Klavierpädagogin tätig. Seit 1963 ist Eva Ander eine geschätzte Dozentin an der Hochschule für Musik „Carl Maria von We ber" in Dresden, wo sie 1970 zum Professor ernannt wurde. Zahlreiche Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen entstanden unter ihrer Mitwirkung. Erfolgreiche Konzertreisen führten die Künstlerin in die Sowjetunion, die VR Bulgarien, die CSSR, die VR Polen, die SR Rumänien, nach Ägypten, Frankreich und Indien, in die BRD, den Irak und in den Libanon. ZUR EINFÜHRUNG Mit seiner 2. Sin fonieH-Durop. 14 „AndenOktober legte der junge Dmitri Schostakowitsch 1927 nicht nur eine handwerklich sauber ge arbeitete, in allen Details beeindruckende Talentprobe vor, sondern er wendete sich mit ihr erstmals der musikalischen Gestaltung eines bestimmten gesellschaft lichen Ereignisses zu: der Oktoberrevolution. Die künstlerische Auseinandersetzung mit diesem großen Thema ist für den einundzwanzigjährigen Komponisten be achtlich, das Ergebnis nicht weniger, obwohl er selbst seinem Werk zeitweise kri tisch gegenübergestanden hat. Auffallend ist, daß sich der Komponist knapp zu fassen verstand und keineswegs ein grandioses Tongemälde zum Beispiel vom Sturm auf das Winterpalais schuf. Die Gesamtanlage beschränkt sich auf einen Satz, der mehrfach untergliedert ist und in einen hymnischen Chorabschnitt mün det (Text: Alexander Besymenski). Dissonanzenreich, hart und spröde präsent'ert sich das Klangbild. Es ergibt sich aus der betont linearen Gestaltungsweise, aber auch aus der experimentellen Haltung des Komponisten, die für einige seiner frühen Werke besonders charakteristisch ist. Aus den allmählich anschwellenden Streicherfiguren des Beginns entsteht eine große sinfonische Steigerung, die von einer Trompetenmelodie cantus-firmus- artig zusammengehalten wird. Die ordnende Kraft der Oktoberrevolution, so äußerte einmal der Komponist, sollte hier ihren musikalischen Ausdruck finden. Besungen wird im abschließenden Chor der Oktober als Sinnbild für Glück, Ar beit, Sonne und Erfüllung menschlicher Sehnsüchte seit Jahrhunderten. Es heißt dementsprechend in den letzten Verszeilen (ins Deutsche übertragen von Ger hard Hartmann): Das Das Das Das ist der Bote der ersehnten Sonne. ist der Wille der aufgestandenen Jahrhunderte, ist Arbeit, das ist Freude und Singen. ist das Glück der Felder und Werkbänke. Oktober! Oktober! Oktober! Oktober! Dies ist das Banner, dies ist der Name der lebenden Generationen: Oktober, Kommune und Lenin. Dieses Chorfinale besitzt musikalische Eindringlichkeit und Kraft. Plastisch heben sich darin antiphonisch gestaltete Teile (Frauen- und Männerstimmen) vonein ander ab. Agitatorische Elemente (Sprechchor), Marsch- und Signalintonationen geben der Idee des Werkes konkreten Bezug. Das wird besonders auch durch die vokalsinf'onische Gestaltung unterstrichen, die nach Beethovenschem Vorbild der Aussage eine neue Dimension verleiht. Die 2. Sinfonie wurde am Vorabend des 10. Jahrestages der Oktoberrevolution, am 6. November 1927, in Leningrad uraufgeführt. PeterTschaikowskis 2. Klavierkonzert G-Durop. 44 wurde in der Zeit vom Oktober 1879 bis zum Mai 1880 geschrieben und am 30. Mai des Jahres 1880 mit Sergej Tanejew als Solisten in Moskau uraufgeführt. In der glei chen Zeit arbeitete der Komponist auch an seinem Italienischen Capriccio, beide Werke haben einen heiteren, lebensbejahenden Grundton gemeinsam. Trotzdem erwähnt Tschaikowski in einem Brief einmal die „recht mühselige" Arbeit an die sem Konzert, dem es im Vergleich zu seinem berühmten 1. Klavierkonzert in b-Moll auch lange Zeit hindurch weit weniger gelang, die Gunst des Publikums und der Solisten zu erringen, und das lange etwas im Schatten stand. Dieses Schicksal war jedoch völlig unverdient, denn das G-Dur-Konzert ist insgesamt dem 1. Konzert durchaus ebenbürtig, und wenn vielleicht die Kraft der Gestaltung hier etwas weniger ausgeprägt erscheint, so ist es ihm an innerem Gehalt dafür