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Taylors Werkstättenorganisation. Von Professor A. Wallichs in Aachen. M/ itte vorigen Jahres berichtete ich gemein- -‘4 sam mit Hrn. Dr.-Gng. Petersen in „Stahl und Eisen“* über F. W. Taylors ein gehende Versuche über die Leistungsmöglich keiten der Drehbänke und das Verhalten der Werkzeugstähle. Diese Versuche wurden durch die Einführung einer ganz eigenartigen Werk stättenorganisation veranlaßt, deren Wesen in Taylors Schrift „Shop Management“** ein gehend behandelt ist, und über deren Grundzüge ich hier kurz berichten will. Nach Ursache und Wirkung geordnet, hätte demnach der Bericht über diese Arbeit dem obenerwähnten eigentlich vorangestellt sein müssen. Die Bestrebungen Taylors, eine Organisation oder ein Lohnverfahren für Werkstätten einzu richten, das die Mängel aller bestehenden Ein richtungen aus der Welt schafft, und insbesondere das Ausbringen d. h. die Arbeitsmenge für die Lohneinheit wesentlich erhöht, reichen bis in den Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück; sie führten bereits wenige Jahre darauf bei der Midvale Steel Co. und später bei der Bethlehem Steel Co. zur Einführung der von ihm ausgearbeiteten Organisation, die an beiden Stellen bis zum heutigen Tage mit Erfolg an gewendet wird. Die Erfolge in diesen Betrieben sind so bedeutend, daß sie mit Recht die aller größte Beachtung der Industriekreise der ganzen Welt auf sich gezogen haben. Taylor hat mit seiner Organisation das Ziel erreicht, das in den Worten: „Hohe Löhne bei geringen Selbstkosten“ seinen Aus druck findet. Als Voraussetzung wird von ihm die genaue Kenntnis der Höchstleistung der Arbeiter und der Hülfsmittel bei der Arbeit, also der Werkzeugmaschinen usw. bezeichnet. Ist erst die Werkstättenleitung durch eingehende Zeit studien und Versuche an den Maschinen auf das genaueste über die kürzest mögliche Dauer jeder vorkommenden Arbeit bei Anspannung aller Kräfte und höchster Ausnutzung der Maschinen unter richtet, dann kann sie dazu übergehen, jedem Ar beiter für jeden Tag ein ganz bestimmtes und hoch bemessenes Teil Arbeit zuzuweisen und ihn nach Erreichung dieses Arbeitsmaßes um 30 bis * „Stahl und Eisen“ 1907 S. 1053 und 8. 1085. ** „Transactions of the American Society of Me- chanical Engineers“ Bd. 24 8. 1337 bis 1480. — Von dieser Schrift wird, wie wir hören, der Verfasser des vorliegenden Aufsatzes, der schon die deutsche Aus gabe der Taylorschen Arbeit: „On the art of cutting metals" besorgt hat (s.die Besprechung „Stahl und Eisen“ 1908 Nr. 16 S. 568), eine vollständige Uebersetzung — und zwar wiederum im Verlage von Julius Springer in Berlin, erscheinen lassen. Die Red. 100 vH. über das bisherige durchschnittliche Maß zu entlohnen. Dabei wird erfahrungsgemäß die Leistung an fertiger Ware um einen noch höheren Betrag vermehrt, so daß der Lohnbetrag für das fertige Stück in erwünschtem Maße er mäßigt wird. Ehe jedoch eine Werkstatt in der Verfassung ist, ein derartiges System ein zuführen, bedarf es mannigfacher und mühe voller Vorarbeiten; so ist z. B. für eine Ma schinenfabrik die Anwendung völlig undenkbar, wenn nicht die Zurichtung der Werkzeuge in einer gesonderten Werkzeugmacherei nach ganz bestimmten Regeln vor sich geht, so daß die Arbeiter keine nutzlosen Pausen durch Anschleifen und Herrichten der Stähle usw. zu machen ge nötigt sind; ferner muß die Heranschaffung der Arbeit an jede Arbeitstelle zur richtigen Zeit und auf das genaueste geregelt sein. Bei allen Aufsichtorganen muß der feste Wille und un erschütterliche Glauben an den schließlichen Er folg der Organisation vorhanden sein, und bei der Werkleitung darf die Bereitwilligkeit zu Geldopfern nicht fehlen, denn jegliche neue und gute Organisation kostet zunächst Geld, schon infolge der Vermehrung der sogenannten un produktiven Kräfte in Werkstatt und Bureau: soll doch jeder Arbeiter täglich eine schriftliche Anweisung über die von ihm zu erledigende Arbeit, die darauf zu verwendende Zeit, Wahl der Werkzeuge, Arbeitgeschwindigkeit usw. be kommen. Nicht in letzter Linie ist der sehr erfreu liche Erfolg der Taylorschen Maßnahmen in dem Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Ar beitnehmer zu nennen; an Stelle des Mißtrauens, der künstlichen Verzögerung der Fertigstellungs zeit, Unzufriedenheit mit dem erreichten Lohn und der daraus hervorgehenden Arbeitsniederlegungen zum Schaden beider Teile treten Arbeitsfreudig keit, Vertrauen, bessere Lebenshaltung, Nüchtern heit und Sparsinn, gewiß außerordentlich erfreu liche Nebenerscheinungen. Als Grundsätze für die Einrichtung eines guten Lohnverfahrens, auf dem sich die Werk stättenorganisation auf baut, stellt Taylor folgende vier auf: 1. eine täglich bestimmte, hoch bemessene Arbeits menge für jeden Mann; 2. gleichmäßige Arbeitsbedingungen, insbesondere Normalisierung aller häufig vorkommenden Teile und der Werkzeuge; 3. hohe Löhne bei Erreichung der vorgesehenen Arbeitsleistung; 4. Einbuße an Lohn bei Minderleistung. Unter „gleichmäßige Arbeitsbedingungen“ ist ferner auch die Entlastung des Arbeiters