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Referate und kleinere Mitteilungen. 1076 Stahl und Eisen. 28. Jahrg. Nr. 30. ofengas ereignete sich ein derartiger größerer Unfall. Der Wasserverschluß befand sich in einer an die Grundmauern eines Neubaues stoßenden Grube, durch die die Gasleitung zu den Gasmaschinen hindurchging. Beim Umschalten der Gasreinigeranlage erfolgte das Oeffnen des Hauptschiebers vor dem neu zu benutzen den Gasreiniger nicht schnell genug. Die infolge dessen in der Hauptleitung entstehende Luftleere sog den Wasserverschluß leer, so daß das Gas beim Wieder einströmen in die Leitung hier austreten konnte. Es drang aus der Grube durch die starken Grundmauern hindurch in die Kellerräume, wo gerade drei Maurer beschäftigt waren, die infolge Einatmens des giftigen Gases zum Teil schon besinnungslos aus dem Raum her ausgeholt werden mußten. — Auf einem andern großen Hüttenwerke wurde ein Werkmeister auf einem sol chen Wasserverschluß liegend tot aufgefunden. Auch in diesem Falle war der Verschluß leergesaugt; augen scheinlich hatte der Verunglückte ihn wieder mit Wasser füllen wollen. Man ist jetzt bemüht, geeig nete Einrichtungen zu treffen, um die Wasserverschlüsse gegen unvorhergesehene Entleerungen zu sichern. Konstruktionen, die unbedingte Sicherheit bieten, haben sich noch nicht herausgebildet. In einer Teerdestillation erlitten zwei Arbeiter Brandwunden beim Pechablassen, weil der Stutzen zwischen Hahn und Blase abbrach, als sie mit Gewalt den Hahn schließen wollten. Es werden jetzt Absperr schieber, die durch Schraubenspindeln bewegt werden, angebracht. — In der Feuerung einer Destillations- blase kam eine Explosion vor, als ein Arbeiter, ehe er Feuer unter der Blase gemacht hatte, Heizgas aus strömen ließ und dann erst dieses anzünden wollte. Es wurden Anschläge angebracht mit der Warnung: „Erst Feuer, dann Gas“. An Laufkranen sind drei Todesfälle und mehrere schwere Verletzungen vorgekommen, indem Arbeiter, die sich an der Laufbahn zu schaffen machten, über fahren oder stark gequetscht wurden. Die Häufig keit dieser Art von Unfällen hebt immer mehr die Notwendigkeit hervor, das Betreten der Laufschienen für nicht mit dem Kran beschäftigte Personen un möglich zu machen. Die außerordentlich stark zunehmende Verwendung des elektrischen Stromes, insbesondere zu Kraft zwecken, forderte auch im letzten Jahre eine größere Anzahl von Opfern. Von den in einem Aufsichts bezirk gemeldeten sieben Todesfällen kamen allein drei an den elektrischen Krananlagen eines großen Hüttenwerks vor. In demselben Werk verunglückte ein Arbeiter an einer Wechselstromleitung von 500 Volt tödlich, als er durch zu hastiges und ungeschicktes Herausreißen einer Sicherung anstatt des oberen Kon taktes den unteren zuerst löste und hierbei eine an dem unteren Messingkontakt befindliche Schraube in unmittelbare Berührung mit seinem Handgelenk brachte. Es sei erwähnt, daß jenes Hüttenwerk auf Vorschlag des Gewerbe-Inspektors zur Belehrung der Elektro monteure und Kranführer Instruktionsstunden, die in vierzehntägigen Fristen stattfinden, eingerichtet hat. Die Stunden sind obligatorisch und werden als Arbeits zeit bezahlt. Zur Vermeidung der zahlreichen Unfälle, die selbst an „gedeckten“ Einschaltern immer noch beim Einschalten des Stromes durch herausschlagende Flam men verursacht werden, werden auf demselben Werke an Stelle der bisherigen Schalter nach und nach die durchaus sicher arbeitenden Oelschalter eingebaut. Zur möglichsten Vervollkommnung der Schutz vorkehrungen des Betriebes und zur Verhütung von Unfällen ist in einer Fabrik die Einrichtung getroffen worden, daß jedem Arbeiter, welcher der Betriebs leitung anzeigt, daß an einer Stelle des Betriebes eine Schutzvorrichtung fehlt, oder der brauchbare Ver besserungen solcher Vorrichtungen in Vorschlag bringt, eine Belohnung gezahlt wird. Aus fast allen Bezirken wird eine erfreuliche Entwicklung der Wohlfahrtseinrichtungen usw. gemeldet. Es sei hier nur folgendes angeführt: Eine sehr segensreiche Einrichtung hat der Vater ländische Frauenverein, unterstützt von großen Werks verwaltungen im Industriebezirk, durch Einführung von Wöchnerinnenpflegestellen* gegründet. Die Pflege rinnen stehen Arbeiterfamilien im Bedarfsfälle kosten los zur Verfügung. In der Donnersmarckhütte wurde eine Pflegerin angestellt, welche in Arbeiterfamilien die erkrankte und arbeitsunfähige Hausfrau er setzen soll. Sie besorgt der Kranken die Medizin, achtet auf richtige Befolgung ärztlicher Ratschläge, schickt die Kinder zur rechten Zeit und sauber zur Schule, kosht das Essen und hält die Wäsche imstande. Die Pflegerin wird bedürftigen Familien unentgeltlich zu gesandt und von der Firma selbst beköstigt, nachdem sich herausgestellt hat, daß dem durch Krankheit in Not geratenen Arbeiterhaushalte die Beköstigung der Pflegerin zu teuer wird. — Bedeutende Summen sind auch anläßlich des Weihnachtsfestes für bedürftige Ar beiter und ihre Familien ausgegeben worden. Auch hier steht die Donnersmarckhütte vorbildlich da. Ferien kolonisten wurden von verschiedenen Orten ausgesandt. Die Königs- und Laurahütte richtete in ihrem Bienhof parke ein Ferienheim ein, das von Mitte Mai bis Mitte September stets vier Wochen lang je 24 Arbeiter kindern unentgeltliche Aufnahme gewährt. Die guten Erfahrungen, welche die Firma Thyssen & Co. in Mülheim (Ruhr) mit der Einstellung eines geprüften Heilgehilfen zur ersten Hilfeleistung bei Unfällen und Ueberwachung der Verletzten wäh rend der ärztlichen Behandlung und der selbständigen Pflege bei leichten Verletzungen gemacht hat, haben sie veranlaßt, einen zweiten Heilgehilfen einzustellen. Neben den als Samaritern ausgebildeten Meistern, Vorarbeitern und sonstigen Angestellten ist nunmehr sowohl in der Tag- wie in der Nachtschicht eine Person vorhanden, welche bei Unfällen die erste Hilfeleistung sachgemäß und schnell zu leiten vermag. Die von derselben Firma erbaute Unfallstation, be stehend aus Warte-, Arzt-, Operations-, Heilgehilfen- und Badezimmer, ist inzwischen fertiggestellt. Die Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke in Völklingen unterhalten eine Lehrlingswerkstätte verbunden mit einer Werksschule, in welcher die jugendlichen Arbeiter vor Eintritt in die Hütte zu nächst mehrere Monate praktisch und theoretisch unter gleichzeitiger Lohngewährung unterrichtet wer den. Die jungen Burschen werden außerdem noch in dem Lehrgarten einer Gärtnerei beschäftigt, damit in ihnen das Verständnis für Garten- und Feldbau geweckt werde. Die Bekämpfung des Alkoholmißbrauches ge schieht jetzt von allen Seiten mit anerkennenswerter Einsicht. Große Verdienste hat sich auf diesem Ge biete der Deutsche Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke (E. V.) in Berlin erworben, der in wirksamer Weise große Kreise über die Verderb lichkeit des Alkoholgenusses aufgeklärt hat und in alle Kreise Verständnis für diese ungemein wichtige Frage hineinträgt. Auch der Verein für Gasthaus- reform und die vielen Abstinenzvereine, daneben die Fürsorgebestrebungen vieler Städte zur Bekämpfung und Verhütung des Alkoholmißbrauches beteiligen sich in wirksamer Weise an dem so notwendigen Auf klärungswerk. Die meisten Arbeitgeber beschränken sich in der Bekämpfung des Alkoholmißbrauches in ihren Betrieben darauf, daß sie in den Arbeitsordnun gen das Einbringen und den Genuß von Branntwein unter Strafandrohungen verbieten, und daß sie Ar beiter, die dem Trünke ergeben sind, entlassen. Viele * Vergl. auch „Stahl und Eisen“ 1908 Nr. 9 8. 289 u. f.