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1042 Stahl und Eisen. Bücherschau. 28. Jahrg. Nr. 29. Verordnung zufallen würde. Gegen eine solche Ver ordnung wenden sich Direktor Ott, Direktor Piper und Abg. Dr. Beumer. Letzterer legt ausführlich dar, daß er dieser Frage nicht als Laie gegenüber stehe, sondern die Versuche der Rauchverminderung in den letzten zwanzig Jahren aufs aufmerksamste verfolgt habe. Dieses Studium habe ihn an das Wort des bekannten Professors erinnert, daß jede Frage drei Seiten habe, eine juristische, eine wissenschaft liche und eine vernünftige. (Heiterkeit.) Mit Bezug auf die letztere könne von einer endgültigen Lösung dieser Frage nicht die Rede sein; das zeige vor allem das Beispiel der Königlichen Eisenbahnverwaltung, die der Rauchplage keineswegs Herr geworden sei. Auch die mit Rauchverzehrungsapparaten ausge rüsteten Schiffe qualmen nicht selten, wie Redner an den Düsseldorfer amtlichen Notierungen rauchender Schiffe nachweist. Vielleicht qualmen sie nur bei neuer Beschickung des Feuers. Erlasse man aber eine Polizeiverordnung, so frage er, wie man fest- steilen wolle, aus welchem Grunde ein Schiff qualme. Eine solche Verordnung müsse zu den größten Unzu träglichkeiten führen. Anderseits sei Abhilfe des bis herigen Zustandes dringend wünschenswert. Er emp fehle deshalb, von einer Polizeiverordnung abzusehen, dagegen die Schiffseigner zu ersuchen, der Frage der Rauchverminderung erneute Aufmerksamkeit zu wid men, auf eine tüchtige Schulung der Heizer hinzu wirken und mit der Einbauung von Rauchverminde rungsapparaten freiwillig so weit wie möglich vorzu gehen. Diesem Antrag, den auch der Oberpräsident zur Annahme empfiehlt, stimmt die Kommission ein mütig zu. Hierzu schreibt die „Köln. Ztg.“ vom 6. Juli folgendes: „Der Abg. Dr. Beumer hat in der jüngsten Sitzung der Rheinschiffahrtskommission darauf hingewiesen, daß die Frage der Rauchverzehrung keineswegs als gelöst zu betrachten sei. Dafür spreche in erster Linie das Beispiel der Königlich Preußischen Eisenbahnverwaltung, die der Rauch plage keineswegs Herr geworden sei. Wie zutreffend dieser Hinweis war, dafür kann ein besonders beweis kräftiges Beispiel angeführt werden. Auf der Strecke Blankenese—Ohlsdorf sollte vom 1. Juli d. J. ab der volle elektrische Betrieb eingeführt werden. Der Termin ist aber auf den 1. Oktober 1908 verschoben worden, und die vielen Klagen, die deshalb in Ham burg erhoben worden sind, haben die Königl. Eisen bahndirektion Altona veranlaßt, an das »Hamburger Fremdenblatt« unter dem 3. Juli d. J. eine Erklärung zu senden, die folgendes bezeichnende Bekenntnis enthält: »An der Leitungsanlage sind in letzter Zeit mehr fach durch Platzen v o n H o ehe pan n u n gs-I s o - latoren Ku rz s c h lü s s e eingetreten, die erhebliche Betriebsstörungen hervorgerufen haben. Der Grund dürfte hauptsächlich in einer schädlichen Einwirkung der von den Lokomotiven d e e Dampf betriebes a u s g e s to ß e n e n Dampf- und Rauchmassen zu suchen sein. Abhilfe wird durch Einführung einer zweiten Isolation der Fahrleitungen und zum Teil auch der Speiseleitungen geschaffen werden.« Hier gibt also die Eisenbahndirektion unumwunden zu, daß die Lokomotiven des Dampfbetriebes Dampf- und Rauchmassen ausstoßen, die so gewaltig sind, daß sie den Betrieb der elektrischen Beförderung stören und zum Teil unmöglich machen. Die Eisen- bahndirektion will diesen Schäden auch nicht etwa durch Rauchverzehrung begegnen — was doch am nächsten läge, wenn die Frage der Rauchverzehrung wirklich als »gelöst« betrachtet werden könnte — son dern sie sieht sich gezwungen, eine zweite Isolation der Fahrleitungen und zum Teil auch der Speise leitungen anzulegen. Man sieht, der Herr Eisenbahn minister hat Veranlassung genug, die Lösung der Frage der Rauchverzehrung auf dem Gebiete seines Betriebes dauernd im Auge zu behalten und als Wasserbauminister die Schiffahrt nicht mit einer Polizeiverordnung zu beglücken, die zu den tatsäch lichen Erscheinungen königlicher Betriebsverwaltungen auf dem Lande im schreiendsten Gegensatz stehen würde.“ Ganz unsere Meinung! Bau-Unglück an der Kölner Südbrücke. Am 9. Juli ereignete sich an dem Neubau der Kölner Südbrücke ein höchst bedauernswertes Bau- Unglück, indem der Teil des Montagegerüstes, welcher die für die Schiffahrt zu Berg freizulassende Oeffnung der eigentlichen Brücke überspannte, einstürzte und mehrere Opfer unter sich begrub. Die Ursachen des Gerüsteinsturzes sind zurzeit noch nicht bekannt. So bald das Ergebnis der Sachverständigen-Untersuchung vorliegen wird, werden wir auf das beklagenswerte Ereignis zurückkommen. Bücherschau. Vorträge über moderne Chemie für Ingenieure, gehalten im Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein in Wien. Wien 1908. Eigentum des Vereins, Kommissionsverlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin. 5 .. Die rasche Ausgestaltung der modernen Chemie hat es mit sich gebracht, daß es kaum allen älteren Chemikern, geschweige denn den Ingenieuren, denen die Chemie doch nur eine Hilfswissenschaft ist, möglich war, sich trotz, oder vielleicht besser gesagt, wegen der reichen Fachliteratur auf dem Laufenden zu erhalten. Aus diesem Grunde hat die Fachgruppe für Chemie des Oesterreichischen Ingenieur- und Archi tekten-Vereins in den Jahren 1904 bis 1907 von berufenen Fachmännern eine Reihe von Einzelvorträgen halten lassen, die seinerzeit in der Zeitschrift des genannten Vereins veröffentlicht worden sind und nunmehr in der Form eines hübschen Bandes von 236 Oktavseiten gesammelt vorliegen. Da manche der behandelten Gebiete auch für viele unserer Leser von Interesse sein werden, so lassen wir im Nach stehenden die Ueberschriften nebst den Namen der Vortragenden folgen: Dr. W. Ostwald: Theorie und Praxis. Josef Klaudy: Elemente, Verbindungen, Mischung, Lösung. H. Freiherr Jü ptn er v. Jons- torff: Das chemische Gleichgewicht. Dr.C.Pomeranz: Chemische Kinetik. Dr. R. Wegscheid er: Die Phasenlehre. Dr. Z. II. Skraup: Ueber die Konsti tution und die Synthese chemischer Verbindungen. Dr. J. H. van’t Hoff: Die Thermochemie. Dr. J. M. Eder: Die Photochemie. Dr. G. Lunge: Das Zu sammenwirken von Chemie und Ingenieurwesen in der Technik. Dr. Otto N. Witt: Die Methoden und die Bedeutung der organisch-chemischen Technik. Dr. W. Nernst: Die Elektrochemie. Dr. G. Cia- mician: Aufgaben und Ziele der heutigen organischen Chemie auf eigenem und biologischem Gebiete. Dr. G. Jäger: Die kinetische Theorie der Materie. — Wir können das Studium dieser vortrefflichen Sammlung durchaus zeitgemäßer und wertvoller Vor träge allen Fachgenossen auf das angelegentlichste empfehlen und bedauern nur, daß der Vortrag von Professor Nernst nicht ebenso wie die übrigen seinem vollen Wortlaute nach aufgenommen worden ist. O. V.