Volltext Seite (XML)
ZUR EINFÜHRUNG Karl-Rudi Griesbach gehört zu jenen bedeutenden Komponisten der DDR, deren Schaffen mit der Kunststadt Dresden eng verbunden ist. Er wurde 1916 in Breckerfeld/Westfalen geboren und an der Hochschule für Musik Köln u. a. in Kompostion bei Philipp Jarnach ausgebildet. Der zweite Weltkrieg unter brach zunächst seine kompositorische Entwicklung. 1949 aus der Gefangenschaft nach Hamburg entlassen, übersiedelte er 1950 nach Dresden. Als Pädagoge, Publizist und Musikdramaturg entwickelte der heute als Professor und Leiter der Abteilung Komposition an der Dresdner Hochschule für Musik „C. M. v. Weber" Tätige ein breites Feld künstlerisch-wissenschaftlicher Ausstrahlung. Sein Schaffen umfaßt Opern und Ballette, Orchesterwerke, Kammermusik, darunter zahlreiche Liederzyklen. Mit einer klar disponierten, melodisch tragfähigen, auf Einfachheit zielenden Tonsprache gelingt es ihm, seine Absichten breiten Publikumsschichten deutlich zu machen. In großen Aufführungszahlen seiner Werke und staatlichen Auszeichnungen (u. a. 1961 Nexö-Kunstpreis, 1967 Kunstpreis der DDR, 1976 Va terländischer Verdienstorden) findet dieses Bemühen seine Resonanz. Mit der Suite aus dem Ballett „Reineke Fuchs" stellt der Kompo nist Ausschnitte seines jüngsten Bühnenwerkes vor, dessen Theaterpremiere 1978 in Görlitz sein wird. Ausgehend von dem alten niederdeutschen Volksbuch von 1498 wird hier die Geschichte von dem durchtriebenen Fuchs lebendig, der durch seinen Scharfsinn einen vor Intrige, Korruption, Scheinheiligkeit und Spießertum berstenden Hofstaat durchschaut und unter schamloser, aber gewitzter Ausnutzung ebenderselben „Tugenden" sich nicht nur dem Strick entzieht, sondern es sogar zu Kanzlerehren bringt. Die Musik der Suite enthält eine kontrastreiche Zusammenstellung charakteri stischer Tanzstücke, die das Bühnengeschehen zwar nicht chronologisch verfolgt, aber doch in kürze die wesentlichen Pole der Handlung markiert: Entree und Finale (Nr. 1 und 7) weisen auf den Hauptschauplatz des Balletts, den Hof des Königs Nobel. Im steifen Rhythmus eines durseligen Triumphmarsches zieht die Prominenz dieser morbiden Gesellschaft an uns vorüber. Das die Kanzler krönung Reinekes schildernde Finale zeigt die Scheinheiligkeit der Situation in einer ausgedehnten, „altehrwürdig" wirkenden Passacaglia. Die dazwischenlie genden Nummern charakterisieren die Welt der beiden tragenden Gegenspieler. Da ist einerseits der Bär, Kanzler am Hofe. Mit aggressiver Gewalt bekämpft er den Fuchs, sein Solotanz läßt ihn mit stupider Kraft protzen (Nr. 3). In seiner Dummheit entgeht ihm aber die List seines Rivalen. Nun wird der Bär als Dieb gelten und der Fuchs dessen Karriere am Hof übernehmen. In einem Rundge sang (Nr. 6) treiben die Füchse ihren Spott mit dem überrumpelten Widersacher. Drei Nummern der Suite sind der Titelgestalt des Werkes und seiner Umgebung gewidmet. Reinekes scheinheiliger Tanz vor der Schlinge des Galgens (Nr. 2) tastet sich in ungeraden, unsicher wirkenden Achtelbewegungen nach einem Aus weg. Tiefe Akkorde der Bläser dunkeln die den Tiefpunkt Reinekes markierende Stimmung ein. Im „Tanz der kleinen Füchse" (Nr. 4) führt das Gerangel der frechen Sprößlinge zu rhythmischer Turbulenz. Lieblichere Gefilde bringt das Duett des Elternpaares Reineke/Frau Ermelyn beim Gesang eines Vogels (Nr. 5). In zartem Kontrast lösen sich ein Flötenrezitativ und ein kantabler Streichersatz ab. Das Volksbuch zum „Reynke de vos" charakterisierte der junge Engels einmal: „dieser Witz, diese Natürlichkeit der Anlage wie der Ausführung, der gutmütige Humor, welcher den beißenden Spott überall begleitet, damit er nicht zu arg werde . . Diesen traditionsreichen Stoff finden wir in Griesbachs „Reineke Fuchs" wieder, mit einem verschmitzten Seitenhieb in das Heute. Johann Wilhelm Hertel, 1727 in Eisenach geboren, 1789 in Schwerin verstorben, gehörte nach dem Urteil des bedeutenden Musiklexikographen Ernst Ludwig Gerber (1746—1819) zu den „geschmackvollsten Komponisten" seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, „sowohl was die Instrumental- als Vokalmusik an geht". Sein Vater Johann Christian Hertel (1699—1754) war nicht nur ein tüchtiger Geiger, sondern galt auch als einer der besten Gambisten seiner Zeit. Johann Wilhelm Hertel kam über Zerbst nach Strelitz, wo er 1744 am Hofe eine An stellung als Geiger und Cembalist fand. Seitdem stand er auch in ständiger Verbindung mit den Musikern der Berliner Schule, mit den böhmischen Meistern Frantisek und Jiri Antonin Benda, mit Carl Philipp Emanuel Bach und Carl Hein rich Graun. 1752 übersiedelte Hertel nach Schwerin und erhielt 1754 Adolph Carl Kuntzens Stelle als Hofkapellmeister. Als die Schweriner Kapelle 1767 nach Lud wigslust verlegt wurde, blieb der Komponist als Privatsekretär, seit 1770 mit dem Titel eines Hofrates, im Dienste des Schweriner Hofes, arrangierte Konzerte und erteilte Musikunterricht. Johann Wilhelm Hertel komponierte eine erstaunliche Fülle damals hochgeschätzter Sinfonien, Konzerte für verschiedene Instrumente, Psalmen, Kantaten, Oratorien, Lieder, Klaviersonaten, von denen allerdings kaum etwas in Druck erschien. Die meisten seiner Werke befinden sich handschriftlich in der Wissenschaftlichen Allgemeinbibliothek Schwerin und in der Bibliothek des Brüsseler Conservatoire. Aus letzterer stammt das KonzertfürTrompeteundStreichorche- ster Nr. 2 Es-Dur, das Edward H. Tarr 1971 erstveröffentlichte. Es ist so recht geeignet, mit Nachdruck auf den vergessenen Komponisten hinzuweisen. Das Ende der fünfziger Jahre des 18. Jahrhunderts komponierte dreisätzige Werk — eine Musik zwischen den Zeiten und Stilen — verwendet noch die Konzertform der Bach-Zeit (Tutti-Solo-Kontrast; Streicherbesetzung), bedient sich jedoch einer gefällig-melodischen, nicht mehr kontrapunktisch befrachteten Schreibweise mit empfindsamen, frühklassischen Ausdruckselementen. Die geistige Nähe zu Carl Philipp Emanuel Bach ist deutlich spürbar. Das einen sehr virtuosen, agilen So listen mit flexibler Tongebung vor allem in den hohen Lagen erfordernde Kon zert beginnt mit einem festlichen Eröffnungssatz, dessen punktiertes Thema den Rahmen gibt für geschmackvolle Soli, die den Grundgedanken aufnehmen und vertiefen. Die kantablen Züge des anmutigen Largothemas kommen ebenfalls im Dialog zwischen Tutti und Soli sehr gut zum Ausdurck. Der dritte Satz schließ lich verarbeitet ein geistvoll-prononciertes Thema mit reizvoller Forte- und Piano- Dynamik auf überaus virtuose Weise (Passagen in hoher Lage). Paul Dukas war geborener Pariser und Schüler des dortigen Konservatoriums. Sein Schaffen ist beeinflußt von Wagner, Cesar Franck, Vincent d'lndy und Claude Debussy. Während seine Sinfonie .seine Ouvertüren, seine Kammermusik, die Oper „Ariane et Barbe bleue" und das Ballett „La peri" auch in seinem Heimatland nur wenig, bei uns gar nicht mehr aufgeführt werden, machte ihn seine programmatische Musik L'Apprenti Sorcier (= Der Zauber lehrling) aus dem Jahre 1897 damals (und heute noch) weltberühmt. Die Veranlassung zu diesem Orchesterscherzo wurde Goethes skurrile Ballade vom Zauberlehrling, der die magische Formel seines Meisters benutzt und die Geister beschwört, aber das Zauberwort vergessen hat, um die schließlich hervorgeru fenen und ihn furchtbar bedrängenden zauberischen Kräfte zu meistern. Zuerst spürt der Hörer die geheimnisvolle Atmosphäre im Zaubererheim (assez lent = genügend breit). Ein zweites Thema (vif = lebendig) schildert den sorglosen und leichtsinnigen Zauberlehrling, ein feierliches Thema der Blechbläser zeigt die Macht des alten Zauberers. Nach dieser klaren Aufstellung der Themen be ginnt das eigentliche Geschehen: Der verzauberte Besen schleppt immer mehr und immer mehr Wasser herbei, bis der Lehrling die Fassung verliert und er den Besen angesichts der heranbrausenden Wassermassen durch einen Axthieb