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ZUR EINFÜHRUNG Heitere Musik aus drei Jahrhunderten verheißen die Programme der Zyklus- Konzerte und der Konzerte im Anrecht C der Dresdner Philharmonie in der Spiel zeit 1977 78. Sind auch die ästhetischen Untersuchungen über die Kategorie des Komischen und Heiteren als Gegenpol zum Tragischen und Erhabenen und über die Zuordnung des Humors zu diesem Fragenkomplex kaum zu einer endgültigen Klärung gelangt, so steht doch außer Frage, daß die Darstellung des Heiteren, Lebensfrohen, Launigen, ja zum Schmunzeln Zwingenden durch die Mittel der Töne ein in der Musikgeschichte reichbestelltes Gebiet ist. Gewiß sind Äußerungen des Humors zunächst einmal an außermusikalische Vorstel lungen gebunden, doch lassen sie sich aber durch klangliche Mittel — durch rhythmische ebenso wie melodische, harmonische oder Klangfarbenmittel — verdeutlichen. Anliegen unserer diesjährigen Konzertreihe, die einmal bewußt auf tiefschürfende Problem- und Konfliktdarstellungen verzichtet, ist es, die verschiedensten Schattierungen musikalisch ausgedrückter Heiterkeit von be haglicher, ausgelassener Spiel- und Lebensfreude bis zu burschikosem Übermut, von geistvoller, spritziger musikalischer Unterhaltung bis zum derben Spaß, zu grotesker Komik, ja zur Ironie im Wandel der Zeiten vorzustellen, ohne dabei auf einen gewissen sinfonischen Anspruch oder auf den ernsten, nachdenklichen und leidenschaftlichen Kontrast gänzlich zu verzichten. Beziehungsvoll steht das Werk eines Dresdner Meisters der jüngeren Vergangen heit am Anfang unseres Zyklus, zu dessen Leitgedanken dieser so viel Qualität volles beigetragen hat. Fidelio F. Finke wurde 1891 in Josefstal in Nord böhmen geboren, wo sein Vater, ein eifriger Wagnerianer übrigens, als Musik pädagoge wirkte. Diesem verdankte der Knabe die erste Berührung mit der Musik Wagners, Webers, Regers und Strauss'. Bald fand er selber den Weg zur Musik. Sein Musikstudium absolvierte er am Lehrerseminar zu Reichenbach in Böhmen, bei Privatlehrern und am Konservatorium Prag, wo er in der Meister klasse des tschechischen Komponisten Vitezslav Noväk Aufnahme fand. Noch während des Studiums, 1910, wurde seine anfallende Begabung durch die Verleihung des Brahms-Preises des Wiener Tonkünstler-Vereins ausgezeichnet. Nach seinem Studium ließ sich Finke in Prag als Privatmusikerzieher und Chor dirigent nieder. 1920 bis 1926 lehrte er an der Deutschen Akademie für Musik und darstellende Kunst in Prag Komposition. Nach der Ernennung zum Professor wurde ihm 1927 als Nachfolger seines Onkels Romeo Finke die Leitung dieses Institutes angetragen, die er — zugleich als Leiter einer Meisterklasse für Kom position — bis 1945 versah. Verschiedene Ämter bekleidete der inzwischen zu großem Ansehen gelangte Komponist innerhalb des tschechischen Musikerzie hungswesens; außerdem wirkte er 1932 bis 1938 als Präsidiumsmitglied des Internationalen Verbandes für Musikerziehung und als Mitglied des Vorstandes der IGNM. 1946 erfolgte die ehrenvolle Berufung als Direktor und Leiter einer Meisterklasse für Komposition an die damalige Staatliche Akademie für Musik und Theater Dresden. Von 1951 bis 1959 war er als Professor für Komposition an der Hochschule für Musik in Leipzig tätig. Sein zahlreiche Genres umfassendes Schaffen, darunter Opern, Orchestersuiten, Lieder, Chöre, Klavier- und Kammermusikwerke, fand seit dem 1. Weltkrieg — nach Aufführungen in Donaueschingen, Wien, Baden-Baden und Prag — rasch internationale Anerkennung. Bis zum 1. Weltkrieg war Finkes Stil verhaftet in den Klangbezirken der deutschen Romantik, gewürzt mit Elementen tschechischer Musik. Doch zeigten sich schon damals jene typischen Züge, die dem eigen ständigen Oeuvre des Komponisten erhalten blieben: sein frisches, urtümliches Musikantentum, das, gepaart mit einer kräftigen Dosis Humor und Ironie, seinem Stil die unverkennbare Note gibt. Nach einer vorübergehenden Aus einandersetzung mit der Kunst Arnold Schönbergs und dem Expressionismus begannen sich — in den 30er und 40er Jahren — in Finkes schöpferischer Ent wicklung Tendenzen der Vereinfachung der Mittel durchzusetzen, die in den 50er Jahren unmittelbar zur Klarheit und Reife des Spätstiles führten, den viele eindrucksvolle Zeugnisse belegen. Der 1968 in Dresden verstorbene Kom ponist, Nationalpreisträger, Mitglied der Akademie der Künste zu Berlin, war eine der prominentesten Persönlichkeiten unseres neuen Musikschaffens. Finkes 4. Suite folgt der vorklassischen Formbedeutung im Sinne unbeschwer ter, unterhaltsamer Musizierhaltung. Lediglich der Eröffnungssatz, eine pompös festliche Intrada, entzieht sich dieser Annäherung an den Divertimentobegriff und läßt in seiner „neobarocken" Gesinnung an den Ouvertürensatz der alten Suite denken. Diese Intrada übrigens ist der Ausgangspunkt des gesamten Werkes, sie wurde bereits 1937 als „Festliche Musik für sechs Holzbläser, acht Blechbläser und Pauke" komponiert. Sechzehn Jahre später beschloß der Kom ponist, den einzelnen Satz zu einem größeren Werk für eine etwas stärkere Besetzung ähnlicher Art zu erweitern. So entstand 1953 die dreisätzige 4. Suite für 16 Bläser (zweifaches Holz, je zwei Hörner und Trompeten, drei Posaunen, eine Kontrabaßtuba) und Schlagwerk (Pauken, ein paar Becken, Große und Kleine Trommel, Triangel). Pathetischen, kraftvollen Blechbläserakkorden, mit denen die feierlich bewegte Intrada — eine altertümlich schreitende Marschform — anhebt, stehen „schlanke re" Antworten der ebenso registermäßig geführten Holzbläser gegenüber. Das chorische Gegeneinandermusizieren der beiden Klanggruppen weicht sodann einer gelösteren Haltung, indem die Holzbläser die ursprünglich von Hörnern und Trompeten eingeführten strengen melodischen Hauptlinien freundlich auf lockern. Am hymnischen, klangprächtigen Schluß sind beide Bläsergruppen glei chermaßen beteiligt. — Ein zarteres Tonbild schließt sich an: ein stimmungsvolles, idyllisches Pastorale, das sich aus einer wiegenden Flötenmelodie entfaltet. In einem kurzen Mittelteil tönt spukhaft-wetterleuchtend ein Marschmotiv herein, bis schließlich die heitere Ruhe des Anfangs wieder einzieht. — Der kunstvollste, den reichsten Schlagwerkeinsatz fordernde Teil der Suite ist der Schlußsatz, in dem eine fröhliche ukrainische Volksmelodie — zuerst von Flöten und Oboen im Einklang vorgestellt — die Grundlage gibt für einen vergnügten Marsch in freier Rondoform mit zwei Trios. Wolfgang Amadeus Mozarts Konzert für Klavier und Orchester G-Dur KV 453 gehört zu einer Reihe von zwölf großen Klavierkonzerten, die der Komponist als Höhepunkt seines Schaffens auf diesem Gebiete in den Jahren 1784 bis 1786 schuf und selbst in eigenen Konzerten, sogenannten „Akademien", zur Aufführung brachte. Wie das kurz zuvor entstan dene Klavierkonzert Es-Dur KV 449 ist auch das G-Dur-Konzert Mozarts begab ter Schülerin Barbara (Babette) Ployer gewidmet, der Tochter eines in Wien lebenden Landsmannes. Außer diesen beiden Konzerten schrieb der Komponist im ersten Halbjahr 1784 übrigens neben anderen Werken noch zwei weitere Kla vierkonzerte (in B- und D-Dur) — ein „Wunder an Produktionskraft" (A. Einstein), über die erste Aufführung des im April 1784 komponierten G-Dur-Konzertes berichtete Mozart dem Vater in einem Brief vom 9. Juni des Jahres: „Morgen wird bey Hrn. Agenten Ployer zu Döbling auf dem Lande Academie seyn, wo die Fräulein Babette ihr neues Concert ex G . . . und wir beyde dann die große Sonate auf zwey Claviere spielen werden." Weniger virtuose Brillanz oder effektvolle Dramatik als vielmehr ein großer Reichtum an reizvollen klanglichen Schattierungen, Intimität, Zartheit und Schlichtheit kennzeichnen das von gelö ster, teilweise leicht überschatteter Heiterkeit erfüllte G-Dur-Konzert, in dem namentlich den Bläsern bedeutungsvolle Aufgaben übertragen wurden. Soloin strument und Orchester sind hier aufs engste miteinander verknüpft. Den Eindruck eines mühelosen, anmutsvollen Dahinströmens vermittelt uns der erste Satz, ein Allegro, das sich im fein abgestuften Wechsel der Farben und Stimmungen entfaltet. Häufige Modulationen in z. T. weit entfernte und unge-