Volltext Seite (XML)
»Inillnamnonii^ jedoch bald ins Heitere, ja Tänzerische gewendet werden. Es ist begreiflich, daß dieser Satz zu Beethovens volkstümlichsten Schöpfungen gehört. Im dritten Satz (Allegro), den Beethoven erstmals in einer Sinfonie mit Scherzo überschrieben hat, herrscht ein übermütiger, polternder Humor. Plötzliches Nach einander von forte und piano ruft echoartige Wirkungen hervor. In einem gleichsam bizarren Fangballspiel werfen sich Bläser und Streicher die Motive des Haupt themas zu. Nach marschhafter Entwicklung des lustigen Spiels bringt das Trio eine gemächliche Tanzmelodie. Trio und Scherzo werden wiederholt. Etwas vom Geist des Scherzos weist auch das sprühende, ausgelassene Finale (Allegro molto) auf. Das sieghafte, kraftvolle Hauptthema beherrscht den ganzen Satz, dessen festliche Heiterkeit nicht durch besinnliche Stimmungen beeinträch tigt werden kann. Auch den fröhlichen Abschluß des Satzes bestimmt das Haupt thema. Die am 21. November 1937, anläßlich der Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Oktoberrevolution von der Leningrader Philharmonie unter der Leitung von Jew geni Mrawinski außerordentlich erfolgreich uraufgeführte Sinfonie Nr. 5 d - Moll op. 47, die im Jahre 1937 vollendet wurde, stellt eine bedeutsame Wende im Schaffen Dmitri Schostakowitschs und in der Entwicklung seiner Persönlichkeit dar. Wenn der Komponist sagte, daß der Inhalt des Werkes das „Werden der Persönlichkeit", die Entwicklung eines Menschen sei mit seinen Er lebnissen und all der konfliktgeladenen Tragik, die dann im Finale in lebensbe jahender Freude ihre Lösung findet, so handelt es sich neben dem allgemein menschlichen Anliegen seines Kunstwerkes nicht zuletzt um einen autobiogra phischen Inhalt. So darf die „Fünfte" als Resultat eines inneren En'.wicklungspro zesses gesehen werden, die von resignierender Müdigkeit und Ruhelosigkeit (erster Satz) zum besonnenen und freudigen Selbstbewußlsein eines stolzen Men schen führt (Finale). Mit dieser Sinfonie begann recht eigentlich Schostakowitschs Weg als bewußter Künstler und Gestalter der sowjetischen Gesellschaft. Der erste Biograph des Komponisten, Iwan Martynow, schrieb über die „Fünfte": „Außerordentlich reich ist die Fülle an Gedanken, die hier geäußert werden: konzentriertes philosophisches Denken und intime lyrische Gefühle; Demuh Er gebenheit in die Schwierigkeiten des Lebens und machtvoller, lebensbejahender Wille; seelische Verwirrung, Trauer und Schmerz in der Einsamkeit und lebens froher Humor — das sind die großen Gegensätze des Lebens, die den Kompo nisten bestimmten, das von ihm gewählte Thema in der Art einer Tragödie zu behandeln. Schostakowitsch läßt die antagonistischen Kräfte hart aufeinander prallen und bejaht das aktive, energische Bewußtsein der neuen Persönlichkeit und die Kraft ihrer Weltanschauung. Wie ein Motto zu dem ganzen Werk erscheinen die ersten vier Takte, die Ein leitung zum ersten Satz (Moderato). In dieses energische Motiv ist schon die ungeheure Kraft einbezogen, die für die ganze weitere sinfonische Entwicklung bestimmend bleibt. Mit dem Hauptthema, das aus dem Motto herauswächst, wer den dann die verschiedenen Stadien des Kampfes um die Befreiung aus der Ge fangenschaft quälender Reflexionen skizziert. Von heiterer Wehmut erfüllt ist das kantable Seitenthema. Die fortwährende Veränderung der harmonischen Verla dungen, die Feinheit der Instrumentierung geben der Musik den Charakter e : ner leichten, zarten Träumerei. Die Exposition mit ihrer Welt quälender Gedanken und lyrischer Erinnerungen, ihrer unbeugsamen Entschlossenheit und müden Er gebung in die Mißgeschicke des Lebens wird abgelöst vom Ungestüm der Durch führung. Drohend erklingt das Hauptthema. Die Intonationen des Mottothemas erscheinen, in verzerrter Form tauchen die Umrisse des Seitenthemas auf. Am Schluß der Durchführung nimmt das Hauptthema die Gestalt eines grotesken Marsches an. Die Musik der Reprise vereint dann die Gesamtheit des thema tischen Materials, obgleich es hier keine genauen Wiederholungen gibt. Aufge- hellt-elegischen Charakter trägt die Coda. Auf dem Hintergrund des exakten Rhythmus der Bässe wird noch einmal das Hauptthema umgewandelt; noch ein mal erklingt das Thema des Mottos. Der zweite Satz (Allegretto) ist ein funkelndes Scherzo. Es zeichnet sich durch Einfachheit und Humor aus. Das melodische Hauptthema überrascht durch un erwartete harmonische Wendungen. Einzelne seiner Motive zwängen sich in an dere Episoden hinein. Das zweite Thema ist ebenfalls tänzerisch, doch wesentlich schärfer in der Rhythmik. Das dritte Thema wirkt hinreißend durch seine Lebens freude und seinen strahlenden Glanz. Mozartisch leicht, ländlerhaft übermütig und ein wenig ironisch ist das bezaubernde Thema des Trioteils. Ungewöhnlicher Glanz zeichnet die Instrumentierung dieses Scherzos aus. Tief tragischen Charakter hat der langsame dritte Satz (Largo). Lyrische Wärme vereint sich hier mit einer gewissen Härte des Kolorits und Strenge der Zeich nung. Von Erstarrung zu leidvollem Pathos und wieder zu kummervoller Er gebenheit — das ist die Gefühlsskala dieses Satzes. Unablässig fließt die Me lodie, bald liedhaft, bald in der Form eines dramatischen Rezita'ivs. Eine der markantesten Stellen ist das Rezitativ der Oboe. Das ist die trauervolle Klage einer einsamen Seele, ausgedrückt in einer Sprache, die Bach verwandt i.t und doch gleichzeitig völlig in die Gegenwart gehört. In der Reprise weden die Mo tive der Exposition in neuer dramatisierter Auffassung wiederholt. Aus sanfter Ergebung wird leidenschaftliches Flehen, aus ergreifender Klage tragisch beweg tes Pathos. Und von neuem weht leidvolles Sichbescheiden aus den Schlußakten, in denen die wichtigsten Themen des Satzes noch einmal vorüberziehen. In diese Welt tiefernster Stimmungen bricht in rasendem Angriff das Finale ein. Das marschartige, aggressive Hauptthema — rauh in seinem Äußeren, elementar in seinem Charakter — entsteht unerwartet aus dem Dröhnen der Pauken. Es gibt dem Finale einen besonderen Charakter — befehlend und drohend. Nachdem es eine Reihe von Wandlungen durchgemacht hat, bekräftigt es den energischen, nachdenklichen Anfang. Große Kraft zeichnet auch das zweite Thema aus. (Es wird von der Trompete auf dem Hintergrund einer motorisch-rhythmischen Bewe gung gespielt, ausgeführt von der Holzbläser- und der S’reichergruppe). Die Ent wicklung führt zur Reprise. Im lebendigen Pulsieren des musikalischen Organismus sammelt sich die gigantische Macht, die in den hellen Fanfarenstößen des Schlusses gipfelt, in diesem Schmettern, das den Sieg der neuen, tatkräftigen, optimistischen Weltanschauung über die Passivität und Leidergebenheit des ein zelnen Menschen ausdrückt." 10. ZYKLUS-KONZERT UND 10. KONZERT IM ANRECHT C 1976 77 VORANKÜNDIGUNG : Sonnabend, den 2. Juli 1977, 18.00 Uhr Sonntag, den 3. Juli 1977, 18.00 Uhr Schloßpark Pillnitz 1. SERENADE Dirigent: Gerhard Rolf Bauer, Gotha Solist: Helmut Rucker, Dresden, Flöte Werke von Beethoven, Mozart und Schubert Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1976/77 — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Hartwig Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 2.65 T. ItG 009-48-77 EVP —,25 M