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DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 14. Mai 1977, 20.00 Uhr Sonntag, den 15. Mai 1977, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 8. ZYKLUS - KONZERT und 8. KONZERT IM ANRECHT C BEETHOVEN-SCHOSTAKOWITSCH-ZYKLUS Dirigent: Günther Herbig Solistin: Elisso Wirssaladse, Sowjetunion, Klavier Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 37 PAUSE Sinfonie Nr. 10 e-Moll op. 93 Allegro con brio Largo Rondo (Allegro) Moderato Allegro Allegretlo Andante — Allegro Dmitri Schostakowitsch 1906-1975 Ludwig van Beethoven 1770-1827 Ouvertüre zu Goethes „Egmont" f-Moll op. 84 Sostenuto, ma non troppo — Allegro Das Konzert am 15. Mai 1977 wird von Radio DDR II, Sender Dresden, mit geschnitten. ELISSO WIRSSALADSE, die exzellente sowjetische Klaviervirtuosin, bestätigte ihr internationales Format in den letzten Jahren durch eine überaus erfolgreiche Konzerttätigkeit u. a. in der So wjetunion, in den Volksrepubliken Bulgarien und Polen, in Österreich, Italien, Norwegen, in den Niederlanden, der DDR, CSSR, SFR Jugoslawien, der Ungarischen VR, in Japan und Ka nada. Die Künstlerin stammt aus Tbilissi, wo sie an der Musikschule „Paliaschwili“ erste musi kalische Unterweisung erhielt. Bereits als 11jährige gab sie ihre ersten Konzerte. Am Konser vatorium ihrer Heimatstadt war sie seit 1960 Schülerin ihrer Großmutter, der Verdienten Volks künstlerin der Georgischen SSR, Prof. A. Wirssaladse. Auch die Unterweisungen, die die junge Pianistin durch den bedeutenden Pädagogen Prof. Heinrich Neuhaus, den Lehrer von Swja toslaw Richter und Emil Gilels, erhielt, trugen wesentlich zu ihrer künstlerischen Entwicklung bei. 1959 errang sie die Silbermedaille im Internationalen Wettbewerb anläßlich der Welt jugendfestspiele in Wien, 1962 gewann sie die Bronzemedaille des Moskauer Tschaikowski- Wettbewerbes, und 1966 wurde sie 1. Preisträgerin im Internationalen Schumann-Wettbewerb Zwickau. Bei der Dresdner Philharmonie war Elisso Wirssaladse bereits 1971 zu Gast. ZUR EINFÜHRUNG Ludwig van Beethovens Ouvertüre zu Goethes „Egmont" o p. 8 4 gehört zu einer insgesamt zehn Nummern umfassenden Bühnenmusik des Komponisten zu diesem Drama, die er als Auftragswerk der Wiener Hoftheater direktion im Jahre 1810 vollendete. Die zuletzt komponierte Ouvertüre steht zwei fellos das bedeutendste Stück der Bühnenmusik dar, in der außerdem u. a. noch die beiden bekannten Klärchen-Lieder „Die Trommel gerührt" und „Freudvoll und leidvoll", eine Musik zu Klärchens Tod und eine Siegessinfonie enthalten sind. Beethoven schuf die „Egmont"-Musik —sie erklang zum ersten Male bei der „Egmont"-Aufführung am 15. Juni 1810 in Wien — voller Begeisterung für den von ihm hochverehrten Dichter und für die patriotische Idee des Dramas; fiel die Komposition doch auch gerade in die Zeit des patriotischen Befreiungskampfes gegen Napoleon. Der Meister äußerte später stolz über sein Werk, von dem auch Goethe nach dem Kennenlernen im Jahre 1812 bekannte: „Beethoven ist mit bewundernswertem Genie in meine Intentionen eingegangen", folgendes: „Damals, als ich noch recht im Feuer saß, hab ich mir auch meine Musik zu seinem .Egmont' ausgesonnen; und sie ist gelungen — nicht wahr?" Die in So natenform geschriebene Ouvertüre ist als eine sinfonische Dichtung angelegt, in der der Inhalt des Dramas — auf seine Kernideen konzentriert — prologartig vorweggenommen wird. In einer düsteren langsamen Moll-Einleitung (Sostenuto) werden zunächst die Leiden der von der spanischen Fremdherrschaft gequälten Niederländer geschildert. Das wuchtige Anfangsthema im Rhythmus einer Sara bande (spanischer Tanz des 16. Jahrhunderts) malt dabei die finstere Gestalt Herzog Albas, des grausamen Volksunterdrückers. Der Hauptteil der Ouvertüre (Allegro), dessen treibendes Motiv schon in der Einleitung anklang, gibt dann in leidenschaftlich-erregten Tönen dem aufflammenden Befreiungkampf des Volkes Ausdruck, der sich mit unerbittlicher Härte entwickelt. Und wenn es auch vorübergehend den Anschein hat, als würden die dunklen Mächte (versinnbild licht durch das triumphierend erklingende Tyrannen-Moliv) siegen — der Schluß teil des Werkes zeigt, daß trotz des Todes des Volkshelden Egmont der Sieg des Volkes über seine Unterdrücker unausbleiblich ist. In hellem, strahlenden F-Dur- Jubel, in mitreißenden, enthusiastischen Klängen ersteht vor uns eine Vision der Feier des endlich errungenen Sieges, der erkämpften Freiheit. Beethovens 3. Klavierkonzert in c-Moll op. 37 stammt in seiner endgültigen Gestaltung aus dem Jahre 1802 (Skizzen dazu entstanden allerdings bereits in früheren Jahren) und wurde mit dem Komponisten als Solisten zusam men mit der 2. Sinfonie und dem Oratorium „Christus am Olberg" am 5. April 1803 in Wien uraufgeführt. Es ist sicher vor allem von der Zeit der Entstehung dieses Werkes her zu begreifen, wenn Beethoven hier im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Klavierkonzerten ganz neue Töne anschlägt, diese Gattung unter ganz neue Gesetze stellt: war doch das Entstehungsjahr 1802, das Jahr des er schütternden „Heiligenstädter Testaments", für ihn durch die menschliche Tragik seiner beginnenden Ertaubung auch in persönlicher Beziehung äußerst krisen reich und bedeutungsvoll. Aus dem c-Moll-Konzert (schon die Wahl dieser Ton art ist charakteristisch) spricht bereits der gereifte Meister zu uns, der sich in großen, leidenschaftlichen Auseinandersetzungen durch die ihn bewegenden Probleme hindurchkämpft und sie endlich überwindet. In formaler Hinsicht wird dabei in diesem Werk zum erstenmal in der Geschichte des Instrumentalkonzerts das Konzert der Sinfonie angeglichen und auch in der Verarbeitung des thema tischen Materials dem sinfonischen Prinzip unterworfen. So wie beim Soloinstru ment das Virtuose jetzt vollkommen in den Dienst der inhaltlichen Aussage ge stellt wird, wird nun auch das Orchester aus seiner bisher größtenteils nur be gleitenden Funktion gelöst — Klavier und Orchester konzertieren im dramatischen, spannungsgeladenen Mit- und Gegeneinander in absoluter Gleichberechtigung.