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Referate und kleinere Mitteilungen. Zur Geschichte des Hochofens. In seinem Aufsatz über das Eisen- und Stahl drahtgewerbe in Altena erinnert Dr. Karl Knap- mann* an die abergläubischen Mittel, durch welche die Osemundschmiede in vergangenen Jahrhunderten in Ermangelung wissenschaftlicher und technischer Kenntnisse ihre mißratenen Frischfeuer wieder in Ord nung zu bringen versucht haben. Auch uns liegt die Zeit nicht so fern, in welcher der Hochofenmeister für seinen kranken Hochofen der Schutzpatronin aller Feuerarbeiter, der heiligen Barbara, eine Messe lesen ließ, unter deren besonderen Schutz sich die Schmelzer überdies noch durch einen gemeinsamen Kirchgang am Tage dieser Heiligen (4. Dezember) stellten. Wie uralt der Glaube an den Einfluß höherer Mächte auf den Gang der Schmelzfeuer ist, lehrt das Wunder des heiligen Antoninus in der Eisenhütte. Diese in den Kreisen der Eisenhüttenleute wohl ziem lich unbekannte Legende sei hier wiedergegeben, da sie eine der frühesten Nachrichten von der indirekten Methode der Eisendarstellung, d. h. vom Hochofen ist. Zuvor sei bemerkt, daß der heilige Antoninus, der berühmte Verfasser der Summa Theologica, vom Jahre 1446 bis zu seinem Tode im Jahre 1459 Erz bischof in seiner Vaterstadt Florenz gewesen ist. — Nun die Legende selbst, wie sie in den Acta Sancto- rum, Maii Tom. I, gedruckt 1680 zu Antwerpen, er zählt wird: „Als der heilige Antoninus einige Jahre vor seinem Tode die Diözese Pistoja und auch das Ge birge selbst besuchte, kam er in eine Eisenschmelze (officina ferri fundendi). Wie er mit seinen Be gleitern in die Hütte trat, um sich den neuen Be trieb anzusehen (videndi novae fabricae desi- derio), ** da wurde einer der Arbeiter, wie man sagt, durch die Glut des Feuers oder durch die Anstren gung ermüdet, darüber unwillig und begann wirre Reden zu führen und lästerlich zu fluchen. Was nun folgt, klingt wunderbar: Sofort begann das Eisen zu erstarren (ferrum coepit congelari), so daß es durch keine Hitze, keine Anstrengung und kein Mittel ge schmolzen werden konnte. Und so blieb es die ganze Nacht hindurch. Am folgenden Morgen ging der Hüttenmeister, wohl auf göttliche Eingebung hin, zu Antoninus und bat ihn, zur Hütte zurückzukommen und dort das Zeichen des Kreuzes zu machen und seinen Segen zu sprechen. Antoninus tat dies, durch die Bitten des Mannes bewogen, und sofort begann das Eisen, das vorher ganz fest war (durissimum erat), zu schmelzen (ferrum fundi coepit).*** — Dies haben mir Antoninus’ Reisebegleiter gleich nach ihrer Rückkehr nach Florenz mit großer Freude berichtet.“ Nach einer anderen Quelle der Acta Sanctorum lag die Hütte auf der Nordseite des Apennin an einem Flusse bei Modena oder bei Bologna (in finibus Mu- tinensibus trans Dardaniam aut in finibus Bononien- sibus ad Brismonem). Die der Legende zugrunde liegende Begebenheit muß sich also in den fünfziger Jahren des 15. Jahr hunderts zugetragen haben. Zweifel an der Tatsache * „Stahl und Eisen“, Zeitschriftenschau Nr. 4, 1907, S. 1863. ** Laurentius Surius schreibt in seinen Historiae sen Vitae Sanctorum, Vol. V, Mains, noch deutlicher: „in officinam ferream, ubi liquescens ferrum fundebatur, rei novitate ductus, penetravit.“ *** Surius loc. cit.: „quasi concreta glacies, ubi sol incaluerit.“ eines Besuches des Heiligen in der Eisenhütte sind wohl durch die Eigenart der ganzen Erzählung aus geschlossen, wenn man auch gewillt ist, die Betriebs störung des Hochofens und ihre Behebung „rationa listisch“ zu erklären. Ueberdies haben die gelehrten Verfasser der Acta Sanctorum für den Artikel über diesen Heiligen in Florenz selbst Manuskripte von Zeitgenossen desselben eingesehen und auch ein vor der Kanonisierung des heiligen Antoninus (im Jahre 1523) erschienenes Sammelwerk benutzt. Die Legende von der Eisenhütte findet sich in allen Quellen. Die ausdrückliche Angabe, daß es sich hier um die Dar stellung von flüssigem Eisen handelt, und zwar in einer Hütte, die an einem Gebirgsflusse liegt, sowie die Bemerkung, daß der Betrieb etwas Neues war, machen dieses Wunder des heiligen Antoninus von Florenz zu einer gewiß nicht unwill kommenen Ergänzung unserer ja leider recht spär lichen Kenntnisse von den Anfängen des Hochofen betriebes im 15. Jahrhundert. Dr. phil. Otto Johannsen, Brebach a. d. Saar. Alte Schienen. Bei den Geleisumbauten auf einer der bayerischen Nebenlinien haben sich schweißeiserne Schienen der vormaligen Kgl. Bayer. Priv. Ostbahngesellschaft mit dem Walzzeichen C R & C 1859 und Quint 57 vor gefunden. Das erstgenannte Walzzeichen ist das der nicht mehr bestehenden Firma Carl Ruetz & Co., Eisenwerk Rothe Erde in Dortmund, das letztgenannte ist das des früher auf der Quint bei Trier betriebenen Walzwerkes, das eich im Besitz der Familie Krämer befand. Nach direkten Mitteilungen des Baukonstruktions- amtes der Kgl. Bayer. Staatseisenbahnverwaltung in München bestand der Oberbau der in Rede stehenden Bahnlinie Pocking—Passau, die im Jahre 1888 er öffnet wurde, aus altbrauchbaren Ostbahnschienen. Größere Mengen derselben wurden in den Jahren 1900 bis jetzt ausgewechselt. Darunter befanden sich auch jene mit den Walzzeichen C R & C sowie Quint. Diese Schienen sind demnach, abgerechnet die verhältnismäßig kurze Zeit von der erstmaligen Aus wechslung auf der Umbaustrecke bis zur Einlage auf der Pockinger Linie seit ihrer Anfertigung bis etwa zum Jahre 1904 — d. h. also rund 45 bezw. 47 Jahre — ununterbrochen in Benutzung gewesen. Die Verwendung der Schwedischen Kaliber. Unter der Bezeichnung „Schwedische Präzisions arbeit“ wurde in dieser Zeitschrift* vor kurzem eine Kaliberreihe besprochen, welche sich durch ihre über aus vollendete Ausführung in weiten Kreisen große Anerkennung erworben hat. Es dürfte vielleicht unseren Lesern erwünscht sein, etwas über die Ver wendung dieser Maßstücke zu erfahren.** Diese Verwendung ist sehr vielseitig und ent spricht dem Bedarf der Praxis in allen Teilen. Der Natur der kostbaren Stücke gemäß ist eie meist eine indirekte, d. h. sie dienen vorzugsweise dazu, die eigentlichen Gebrauchsmeßwerkzeuge einzuetellen. Abbildung 1 zeigt eine doppelte Schraublehre, welche links für das Maximum, rechts für das Mini mum einer gewissen Abmessung eingestellt wird. Die Einrichtung bedarf wohl keiner besonderen Erklä rung : die Mittelbacke ist verschiebbar und mit Hilfe der beiden langen Stellschrauben zu betätigen; eine * „Stahl und Eisen“ 1908 Nr. 1 S. 34. * * „American Machinist“, 1907 Nr. 47 S. 790.