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538 Stahl und Eisen. Bau und Betrieb von Gaserzeuger-Anlagen bei Martinwerlcen. 28. Jahrg. Nr. 16. an mit feuchtem Gase betriebenen Martinöfen festzustellen. An Stellen, die der Flamme un mittelbar ausgesetzt waren, zerfiel der Dolomit nach einiger Zeit zu Staub, und nach Stillegung der betreffenden Oefen konnte man den pulver förmigen Dolomit von der Vorderwand und der Rückwand ohne weiteres mit der Schaufel ent fernen. Den größten Schaden aber richtet der Wasser- dampf durch seine Dissoziation an. Wenngleich es zuverlässige zahlenmäßige Versuchsergebnisse über die Zersetzung des Wasserdampfes bei Be rührung mit glühendem bezw. flüssigem Eisen meines Wissens noch nicht gibt, so besteht doch nach den vorliegenden Erfahrungen kein Zweifel mehr, daß diese Zersetzung im Martinofen in großem Umfange erfolgt. Der Dissoziationsvor gang selbst verursacht zunächst bedeutende Wärme verluste mit ihren obenerwähnten Folgen, zu denen noch hinzukommt, daß man infolge der starken Herabsetzung des tatsächlichen Heiz wertes gezwungen ist, mit großen Gasmengen zu arbeiten, woraus dem Betriebe eine ganze Reihe von Nachteilen (z. B. schlechte Regulier- barkeit der Flamme im Ofen) erwachsen. So dann wirkt der sich bei der Zersetzung des Wasserdampfes bildende Sauerstoff stark oxy dierend auf den Ofeninhalt, und zwar besonders stark deshalb, weil er sich in statu nascendi befindet. Ein wesentlich erhöhter Abbrand ist die Folge dieses Oxydationsvorganges; ferner wird ein größerer Mangangehalt des Einsatzes notwendig gemacht und es werden am Schluß des Verfahrens bedeutendere Mengen Ferromangan zur Desoxydation erforderlich. Diese Desoxy dation tritt trotz des hohen Manganaufwandes oft nicht in genügendem Maße ein; das erzeugte Material erweist sich infolgedessen als mehr oder weniger rotbrüchig. Beim Gießen oxy dieren sich im Ofen gebildete niedere Oxyde vollständig und verursachen Schlackenausschei dungen, die sowohl im Innern als auch auf den Außenflächen der Blöcke gefunden werden. Auch werden beide Zersetzungsprodukte von dem flüssigen Stahle als Gase aufgenommen und verursachen weitere Beeinträchtigungen der Qualität* sowie bei Erzeugung von stehend ge gossenem Material einen erhöhten Verbrauch an Silizium usw. Zu diesen schädlichen Wirkungen auf die Qualität kommt noch hinzu, daß der bei der Dissoziation entstehende Wasserstoff an den Ofen köpfen, in den zum Unterbau führenden Zügen und im Unterbau selbst zur Verbrennung ge langt und zerstörend auf diese Ofenteile wirkt. Viele Male habe ich bei mit feuchtem Gase be triebenen Martinöfen diese zerstörenden Wir- * Siehe die Arbeit von Thallner, „Stahl und Eisen“ 1907 Nr. 47 S. 1677 und Nr. 48 S. 1721. kungen beobachten müssen. Die Köpfe der be treffenden Oefen gingen trotz sorgfältiger und sachgemäßer Ofenführung fast stets zu heiß* und nahmen schnell ab; ebenso wurden die vom Oberbau zum Unterbau führenden Züge und die Schlackenkammern sowie die Kammerpackungen ganz außerordentlich stark angegriffen. Die in den Kammern auftretenden Temperaturen waren so außerordentlich hoch, daß die Gittersteine von bester Silikaqualität, aus denen die ober sten Lagen der Kammerpackung bestanden, ver schiedentlich zum Schmelzen gebracht wurden. Alle diese Erscheinungen können meines Er achtens nur aus der Nachverbrennung von Wasserstoff erklärt werden. Fassen wir die Nachteile bezw. Schädigungen, die einem Martinbetriebe durch die Wirkungen eines feuchten Gases verursacht werden können, kurz zusammen, so sind es die folgenden: 1. Beeinträchtigung der Qualität. 2. Erhöhung des Verbrauches an feuerfesten Ma terialien einschließlich Dolomit. 3. Verminderung der Erzeugung. 4. Erhöhung des Kohlenverbrauches. 5. Erhöhung des Abbrandes. 6. Die Notwendigkeit der Verwendung eines teureren (weil manganhaltigeren) Roheisens. 7. Erhöhung des Verbrauches an Ferromangan und eventuell an Spiegeleisen sowie an Siliziumver bindungen. 8. Deformation des Ofens und der Armaturen. (In folge Quellung der Steine.) Diese Nachteile in Zahlen auszudrücken, ist leider unmöglich. Trotzdem sieht man auf den ersten Blick, daß sie sehr groß sein müssen ja daß ein wirtschaftliches Arbeiten eines Martin werkes bei Verwendung von sehr feuchtem Gase vollständig unmöglich ist. Als ganz besonders schwerwiegend ist unter Umständen die Beein trächtigung der Qualität anzusehen; ihre Folgen sind oft kaum wieder gutzumachen. Sie tritt besonders bei Erzeugung von weichem Fluß eisen,** z. B. für die Blechfabrikation, auf. Ich bin der Ueberzeugung, daß pockige und rissige Bleche, Rotbruch bezw. sogenannte Hitzeempfind lichkeit sowie Mangel an Schweißbarkeit, ferner anhaftende und eingeschlossene Schlacken nicht immer auf Gießfehler und dergleichen zurück zuführen sind, sondern in den meisten Fällen hauptsächlich durch die Verwendung feuchten Gases zur Erstellung der betreffenden Blöcke verursacht werden. Hieraus erklärt es sich auch, daß diese Erscheinungen meist periodisch auf treten; durch eine zeitweise Vernachlässigung * Dies rührte zum Teil auch von der erwähnten geringen Regulierbarkeit der Flamme her. ** Bei Fabrikation von härterem, stehend gegosse- nein Material wird ein großer Teil der schädlichen Einflüsse auf die Qualität durch den Siliziumzusatz aufgehoben, aber, wie schon erwähnt, unter erhöhtem Aufwand von Siliziumverbindungen.